Laut Celenus läuft der Betrieb in der Reha-Klinik Bad Langensalza trotz Streiks und Aussperrungen problemlos weiter. Wer mit Patient/innen spricht, bekommt ein anderes Bild.
Seit Monaten wird die Reha-Klinik an der Salza im thüringischen Bad Langensalza bestreikt. Der private Betreiber Celenus reagierte auf die Forderung nach einem Entgelttarifvertrag mit ungewöhnlicher Härte gegenüber den Streikenden. Beschäftigte wurden fristlos gekündigt, weitere ausgesperrt. Doch auf den Klinikbetrieb hat all das keine Auswirkungen – so jedenfalls die Darstellung der Celenus-Spitze. Sie ließ die Tageszeitung junge Welt, die von eingeschränkten Therapieangeboten berichtete, per Rechtsanwaltskanzlei zu einer »strafbewehrten Unterlassungserklärung« auffordern. Sie dürfe nicht den Eindruck erwecken, »die Celenus Klinik an der Salza GmbH habe aufgrund der im Arbeitskampf vorgenommenen Aussperrungen Therapiegruppen vergrößern und/oder Therapieangebote streichen müssen«. Die Zeitung lässt sich davon nicht beeindrucken und bleibt bei ihrer Darstellung.
Die Kostenträger sehen bislang keine Probleme, obwohl etliche Therapeut/innen und viele andere Beschäftigte in Bad Langensalza vor der Tür stehen, statt in der Klinik Menschen zu behandeln. Man habe »keine Einschränkungen im Klinikbetrieb festgestellt«, erklärte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland auf Medienanfragen. Die DRV, die einen Großteil der Kapazitäten in der Thüringer Klinik belegt, lasse sich aber »wöchentliche Statusmitteilungen und Entwicklungen bezüglich des Arbeitskampfes von der Klinik zusenden«. Auch die AOK plus berichtete, sie sei »in regelmäßigem Kontakt und Informationsaustausch mit der Geschäftsführung der privat betriebenen Celenus-Klinik. Demnach ist die fachgerechte Versorgung der Patienten in der Klinik kein Problem.«
Alles in Butter also? Wer mit Patientinnen und Patienten spricht, bekommt ein ganz anderes Bild. So zum Beispiel mit Gisela Taube, die nach einer Hüft-OP drei Wochen in der Klinik war. »Wenn ich nochmal einen Reha-Aufenthalt brauche, werde ich sicher nicht mehr nach Bad Langensalza gehen«, sagt die 72-Jährige frustriert. In der ersten Woche habe sie noch tägliche Einzelbehandlungen bekommen – weil sie im Arztgespräch mehrfach darauf beharrte. Doch in der zweiten und dritten Woche gab es nur noch Gruppentherapien. »Die Therapien in der ersten Woche haben mir richtig gut getan, ich konnte das Bein danach bedeutend besser bewegen«, berichtet Gisela Taube. »Das danach hat aber gar nichts mehr gebracht. Das war überhaupt nicht darauf zugeschnitten, was ich brauchte.«
Ihre Bettnachbarin Carola Koch hat Ähnliches erlebt. »Das fing damit an, dass ich an dem frisch operierten Knie keine Lymphdrainage bekommen habe. Der Chefarzt sagte, das sei nicht nötig. Aber ich denke, dass ganz einfach das Personal nicht zur Verfügung stand«, sagt die 53-Jährige. In den gesamten drei Wochen habe sie nur eine einzige individuelle Physiotherapie bekommen – sonst nur Gruppentherapien. Bei einem Reha-Aufenthalt vor zwei Jahren in einer anderen Klinik hatte sie ganz andere Erfahrungen gemacht. »Da gab es Therapeuten, die manuell an den betroffenen Stellen gearbeitet und mit einem geübt haben. Dieses Individuelle kam bei Celenus komplett zu kurz.«
Dabei betont der Konzern selbst, wie wichtig es in der Rehabilitation ist, auf die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten einzugehen: »Genauso individuell wie jeder einzelne Mensch ist, sind wir für Sie da – das entspricht unserer Philosophie«, heißt es in der Selbstdarstellung des Unternehmens. In der bestreikten Klinik wird dieser Anspruch offenbar nicht immer eingelöst. Carola Koch berichtet, dass die Übungen vielfach nicht von Fachkräften, sondern von Auszubildenden oder Praktikant/innen geleitet wurden. »Ich habe mich nicht gut betreut und allein gelassen gefühlt, und das ging nicht nur mir so.«
Den Streikenden macht sie aber keinen Vorwurf. »Ich habe selbst im Niedriglohnsektor gearbeitet und finde es völlig in Ordnung, dass die Frauen für eine angemessene Bezahlung kämpfen«, erklärt die 53-Jährige, die viele Jahre im Hotelgewerbe beschäftigt war. »Wer zu wenig verdient, landet in der Altersarmut. Das darf nicht sein, wenn man Jahrzehnte hart gearbeitet hat.« In der Klinik sei erzählt worden, die Streikenden würden horrende Lohnerhöhungen verlangen. In der Realität fordern sie lediglich, so bezahlt zu werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Kliniken der Deutschen Rentenversicherung.
Auch die Patient/innen hätten ein Interesse daran, dass die Beschäftigten gut entlohnt werden, betont Carola Koch. »Nur ordentlich bezahlte Leute sind motiviert und lassen ihren Frust nicht an den Patienten aus.« Ihren Unmut über die aus ihrer Sicht unzureichende Behandlung will sie nicht für sich behalten. Der Krankenkasse hat sie schon von ihren Erlebnissen berichtet. Und auch bei der Deutschen Rentenversicherung will sie sich noch beschweren. Wenn sich solche Berichte häufen, kommen die Kostenträger womöglich doch noch zu dem Schluss, dass die Aussperrungen und der Streik so vieler Beschäftigter nicht ohne Folgen bleiben können.