Union Busting

Orpea: international brutal

01.08.2018
Celenus-Beschäftigte aus Thüringen (hier am 20. Juni bei der Demonstration in Düsseldorf) stehen nicht allein in ihrem Kampf für bessere Bedingungen und gewerkschaftliche Rechte.


Zwei fristlos gekündigte Gewerkschafterinnen, fünf ausgesperrte Beschäftigte der Physiotherapie, geplante Stilllegung der Hauswirtschaft und Entlassung von zwölf Reinigungskräften – das ist die vorläufige Bilanz des Feldzug der Celenus-Spitze gegen die Beschäftigten der Reha-Klinik an der Salza im thüringischen Bad-Langensalza. Dabei tun diese nichts anderes, als ihr demokratisches Recht auf Streik und gewerkschaftliche Organisierung wahrzunehmen, um höhere Löhne durchzusetzen. Das rabiate Vorgehen des zur französischen Orpea-Gruppe gehörenden Unternehmens ist international offenbar kein Einzelfall. In ganz Europa klagen Gewerkschafter/innen über die Methoden des hoch profitablen Konzerns.

»Orpea setzt überall auf Expansion und Profitmaximierung – auf Kosten des Personals und der Pflegequalität«, sagt Adrian Durtschi, Leiter des Fachbereichs Sozialversicherungen und privates Gesundheitswesen (UNICARE) im internationalen Gewerkschaftsverband UNI Global Union, dem auch ver.di angeschlossen ist. »Uns liegen etliche Berichte aus verschiedenen Ländern vor, dass der Konzern dabei nicht davor zurückschreckt, gegen grundlegende Beschäftigtenrechte zu verstoßen.«

So zum Beispiel im Stammland Frankreich, wo Orpea schon 2014 durch die Bespitzelung von Beschäftigten und Gewerkschaftsmitgliedern für einen Skandal sorgte. Das Unternehmen hatte in drei Einrichtungen bezahlte »Beobachter« damit beauftragt, Informationen über die Belegschaft zu sammeln und an das Management weiterzugeben. Als Orpea dabei ertappt wurde, bot es der Gewerkschaft CGT vier Millionen Euro an, um sie von einer formellen Beschwerde abzuhalten und zum Stillschweigen über die Vorwürfe zu bewegen. Die Gewerkschaft lehnte ab, der Fall ist immer noch anhängig.

Auch in jüngerer Zeit kam es in Einrichtungen von Orpea in Frankreich immer wieder zu Konflikten und Streiks, die sich unter anderem gegen Personalmangel und unzulässige Entlassungen richteten. So gingen Mitte Juli 2018 Beschäftigte der Résidence Saint Jacques in Paris auf die Straße, um gegen die Entlassung von zwei Pflegekräften und eines weiteren Beschäftigten zu protestieren, die einen unzulässigen Dienstplan zurückgewiesen hatten. Gewerkschaftsverbände wie CGT und FO kritisieren, dass das Unternehmen »systematische Angriffe auf die Grundrechte der Gewerkschaften« führe und »ein Klima der Angst unter den Beschäftigten« schaffe. Zudem unterstütze Orpea eine unternehmensnahe »gelbe Gewerkschaft«, um die Belegschaften zu spalten.

In der Schweiz ist die Orpea-Tochter Senevita – der zweitgrößte private Pflegeheimbetreiber des Landes – immer wieder wegen schlechter Pflegequalität, vernachlässigter Bewohner/innen und zu wenig Personal in den Schlagzeilen. Bei einem Aktionstag im Oktober 2017 kritisierte die Gewerkschaft Unia das Gewinnstreben auf Kosten des Personals sowie der Pflegebedürftigen und forderte »mehr Investitionen in Menschen statt in Profite«. Zuvor hatten sich immer wieder besorgte Angehörige sowie ehemalige und aktuelle Beschäftigte von Senevita bei der Unia gemeldet und über katastrophale Zustände bei dem Pflegeheimbetreiber berichtet. Das Senevita-Management wies alle Vorwürfe zurück und erklärte, alles sei in schönster Ordnung.

Doch auch aus anderen Ländern wird über zu wenig Personal und prekäre Arbeitsbedingungen berichtet. So haben 59 Prozent der Beschäftigten in Polen nur einen befristeten Arbeitsvertrag. In Spanien kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften, weil das Unternehmen zum Beispiel gesetzliche Arbeitszeiten oder Tarifverträge nicht einhält. In Belgien legten Mitglieder der Gewerkschaften LBC-NVK, CNE, CGSLB-ACLVB und SETCA-BBTK im März 2015 die Arbeit nieder, rund 100 Delegierte demonstrierten vor der belgischen Orpea-Zentrale in Uccle bei Brüssel. Das Management weigerte sich zwar, mit den Beschäftigten zu sprechen, dennoch konnten die Gewerkschaften letztlich Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen durchsetzen.

»Orpea setzt auf Repression, wenn sich Beschäftigte gegen schlechte Bedingungen zur Wehr setzen«, fasst Adrian Durtschi von UNICARE zusammen. »Aber wenn sich Kollegen nicht einschüchtern lassen und die Profite bedroht sind, kann auch dieses Unternehmen zu Zugeständnissen bewegt werden. Letztlich geht es ihm nur ums Geld.«

Und davon verdient Orpea jede Menge. In allen Ländern fährt der Pflegekonzern satte Gewinne ein – und entzieht dem Gesundheitswesen somit jedes Jahr hunderte Millionen Euro. Das operative Ergebnis (ohne Mieten und Restrukturierungskosten, EBITDAR) lag in den europäischen Ländern 2017 zwischen 15 und 30 Prozent, in Deutschland bei 25,1 Prozent (2017). Das ist weit mehr als viele Industriebetriebe generieren.

Der Gewerkschafter Durtschi sieht nur eine Möglichkeit, einem solchen Konzern zu widerstehen: mit Solidarität, internationaler Organisierung und gemeinsamem Handeln. »Die Beschäftigten bei Orpea und anderen Pflegefirmen müssen zusammenhalten und sich gemeinsam für gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung einsetzen.« Deshalb hat zum Beispiel die französische FO ihre Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in Bad Langensalza erklärt. »Wir ziehen an einem Strang und helfen uns gegenseitig – das macht uns stark.«

 

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