EKD-Synode

    Erleuchtung erwünscht

    400 Kirchenbeschäftigte demonstrieren vor Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands in Würzburg für verbindliche Mitbestimmung und Tarifverträge. Motto: »Es werde Licht.«
    12.11.2018
    Laternenumzug vor der Synode der Evangelischen Kirche
    © Timm Schamberger
    Laternenumzug vor der Synode der Evangelischen Kirche in Würzburg

    Es war ein ganz besonderer Laternenumzug, der am Sonntag (11. November 2018) durch die Würzburger Innenstadt zog. Rund 400 Beschäftigte aus Einrichtungen von Kirche und Diakonie waren aus allen Teilen des Landes nach Franken gekommen, um die dort tagende Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) mit ihren Forderungen nach verbindlicher Mitbestimmung und Tarifverträgen zu konfrontieren. Mitgebracht hatten sie Laternen, Transparente, Sprechchöre und Lieder. Ihre Botschaft: Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sollten endlich Schluss machen mit ihrem Sonderweg beim Arbeitsrecht. Die insgesamt mehr als eine Million Beschäftigten müssen die gleichen Rechte haben, wie sie in weltlichen Unternehmen selbstverständlich sind.

    »Die Mitbestimmung in der Kirche ist keine wirkliche Mitbestimmung, sondern eine Alibiveranstaltung«, meinte die Altenpflegerin Rita Krieger, die aus dem niederbayerischen Landshut nach Würzburg gekommen war, um ihren Unmut darüber kundzutun, dass die großen christlichen Kirchen auch im 21. Jahrhundert noch auf ein eigenes Arbeitsrecht bestehen. Besonders in kleineren Einrichtungen – also in fast allen – hätten Mitarbeitervertretungen keine wirksamen Mitbestimmungsrechte. »Selbst bei der Eingruppierung ist der Willkür des Arbeitgebers Tür und Tor geöffnet«, berichtete Krieger. »Letztlich kommt es auf das Verhandlungsgeschick oder die Marktposition des einzelnen Arbeitnehmers an, das schafft Ungerechtigkeiten.« Besonders Hilfskräfte würden gegenüber dem Tarifniveau des öffentlichen Dienstes benachteiligt. »Das ist frauenfeindlich hoch zehn, genauso wie die Zwangsteilzeit.« So würden Altenpflegehelferinnen fast nie in Acht-Stunden-Schichten eingesetzt, sondern vor allem zu Stoßzeiten, wenn viel zu tun ist. Die Kirchen verhielten sich hier – wie in vielen anderen Fragen – nicht anders als private Unternehmen.

    Irmgard Schwätzer, Präses der EKD-Synode, betonte am Rande der Veranstaltung auf Nachfrage, Abweichungen vom staatlichen Recht müssten »begründbar« sein und durch die »eigene Haltung aller« untermauert sein. Die Synode diskutiere darüber, wie zum Beispiel Lohnsenkungen durch Outsourcing verhindert werden könnten. Das sei allerdings »ein schwieriger Prozess«. Schwätzer kündigte an, das Kirchenparlament werde die Arbeitsrechtssetzung »im Sinne der Arbeitnehmer verändern«, ohne dies zu konkretisieren. Insgesamt habe sich der kirchliche Sonderweg aber bewährt.

     

    »Die Kirchen haben schon vor 70 Jahren versprochen, ein mit den weltlichen Regeln vergleichbares Recht zu schaffen – davon sind sie immer noch weit entfernt.«

    Uli Maier, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk Württemberg,

    Unverbindliche Verbandsempfehlungen statt klare Regeln

    Die Beschäftigten und ihre Interessenvertreter/innen sehen das freilich ganz anders. »Die Kirchen haben schon vor 70 Jahren versprochen, ein mit den weltlichen Regeln vergleichbares Recht zu schaffen – davon sind sie immer noch weit entfernt«, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (AGMAV) im Diakonischen Werk Württemberg, Uli Maier. So gebe es bezüglich der Unternehmensmitbestimmung lediglich unverbindliche Verbandsempfehlungen, die Arbeitgeber nach Gutdünken umsetzen oder ignorieren könnten. Zwar würden die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der Württembergischen Diakonie – von wo 120 Kolleginnen und Kollegen zur Demonstration nach Würzburg gereist waren – für einen Großteil der Einrichtungen übernommen. 8.000 Beschäftigte würden aber nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland behandelt. Konkret bedeutet das unter anderem, dass Jahressonderzahlungen an den »wirtschaftlichen Erfolg« des Unternehmens gekoppelt sind und niedrigere Entgeltgruppen schlechter bezahlt werden als im öffentlichen Dienst.

    Für Alfred Grimm von der Mitarbeitervertretung (MAV) im Agaplesion Elisabethenstift Darmstadt ist es »eine besondere Schweinerei«, dass die Mitbestimmungsrechte sogar noch weiter eingeschränkt werden sollen. So soll die MAV laut einem der Synode vorliegenden Entwurf keinen Einfluss auf die konkrete Dienstplangestaltung mehr nehmen können. »Das wäre gerade angesichts der Personalnot in Kliniken und Pflegeeinrichtungen fatal«, kritisierte Grimm. Die Mitarbeitervertretung könne so nicht einmal kontrollieren, ob die – völlig unzureichenden – Untergrenzen beim Pflegepersonal in einigen Krankenhausbereichen ab Jahreswechsel eingehalten werden.

    »Immer wieder sollen Mitarbeitervertretungen schlechter gestellt werden als Interessenvertretungen anderswo – damit muss Schluss sein«, sagte die Jugend- und Heimerzieherin Hilde Erhard von der Samariterstiftung Region Schwäbisch-Hall. Auch auf dem »Dritten Weg« kircheninterner Festsetzung von Löhnen und Arbeitsbedingungen müsse man stets mit Absenkungen rechnen – selbst in Württemberg, wo der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) grundsätzlich übernommen wird. So hätten die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst fünf Jahre auf die Übertragung der 2009 in den Kommunen vereinbarten Verbesserungen warten müssen. »Und auch das ist nur passiert, weil wir 2013 mit 500 Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gegangen sind«, berichtete die Gewerkschafterin.

     

    Durchsetzungsfähiger werden

    Letztlich kommt es also auch in Diakonie und Kirche darauf an, ob die Beschäftigten bereit sind, sich für ihre Interessen zu engagieren. Deshalb haben sich die ver.di-Aktiven in der Diakonie Würzburg nun vorgenommen, durchsetzungsfähiger zu werden. »Unsere Mitgliederversammlung hat einstimmig beschlossen, den Arbeitgeber zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag aufzufordern, sobald der gewerkschaftliche Organisationsgrad auf 40 Prozent gestiegen ist«, erklärte der örtliche MAV-Vorsitzende Martin Küpper. »Wir wissen, dass das ein langer und steiniger Weg wird, aber schon die bisherige Resonanz zeigt uns, dass es richtig ist.« Mitbestimmung und Tarifverträge seien ein hohes demokratisches Gut, betonte Küpper. »Demokratie kann nicht nur in der Freizeit stattfinden und am Betriebstor haltmachen – auch nicht in kirchlichen Betrieben.«
    In staatlichen Krankenhäusern seien Tarifverträge eine Selbstverständlichkeit, betonte der Personalratsvorsitzende des Würzburger Uniklinikums, Christian Huß. Das müsse auch in diakonischen Einrichtungen so sein, so der Gewerkschafter, der die solidarischen Grüße seiner Belegschaft übermittelte. Ebenfalls die Solidarität seiner Kolleginnen und Kollegen überbrachte Christoph Mock von der Caritas.

     

    »Demokratie kann nicht nur in der Freizeit stattfinden und am Betriebstor haltmachen – auch nicht in kirchlichen Betrieben.«

    Martin Küpper, MAV-Vorsitzender der Diakonie Würzburg

    17.000 Unterschriften für bessere Mitbestimmung

    Die Interessenvertretungen von Kirche und Diakonie stehen mit ihren Forderungen nach wirksamen Mitbestimmungsrechten also nicht alleine da. Sie haben auch in den Belegschaften große Unterstützung. Dokumentiert wurde das bei der Kundgebung durch die Übergabe von insgesamt mehr als 17.000 Unterschriften an Detlev Fey, Referatsleiter Arbeitsrecht bei der EKD, für die Forderungen nach verbindlicher Mitbestimmung und der Streichung der sogenannten ACK-Klausel. Letztere schreibt vor, dass Mitglieder von Mitarbeitervertretungen der Kirche angehören müssen. »In Sonntagsreden wird die Dienstgemeinschaft beschworen, aber im Alltag ist davon im Umgang mit den Beschäftigten nicht viel zu spüren«, erklärte Manfred Quentel von der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften und Gesamtausschüsse der Mitarbeitervertretungen im diakonischen Bereich (Buko agmav+ga). »Es ist Zeit, dass wir für Menschen, Würde und Respekt auch in der Diakonie auf die Straße gehen.«

    Die Demonstration zur Würzburger Synode unter dem Motto »Es werde Licht!« war ein erfolgreicher Schritt in diese Richtung. »Die Arbeitsbedingungen in Diakonie und Kirche liegen schon viel zu lang im Dunkeln, das muss sich ändern«, erläuterte Mario Gembus, der in der ver.di-Bundesverwaltung für kirchliche Betriebe zuständig ist. Es könne nicht länger angehen, dass sich kirchliche Einrichtungen gegenüber öffentlichen Trägern auf Kosten ihrer Beschäftigten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

     

    »Die Arbeitsbedingungen in Diakonie und Kirche liegen schon viel zu lang im Dunkeln, das muss sich ändern.«

    Mario Gembus, zuständiger ver.di-Sekretär in der Bundesverwaltung

    »Entlastung und Aufwertung im Gesundheits- und Sozialwesen ist auf dem Dritten Weg nicht zu haben – das erleben wir täglich«, betonte Gembus. Das gehe nur mit Tarifverträgen. Er verwies darauf, dass die Belegschaften der Unikliniken Düsseldorf und Essen im Sommer nach 44 bzw. 34 Streiktagen Vereinbarungen für mehr Personal und Entlastung durchgesetzt haben. »Wie soll so etwas auf dem Dritten Weg möglich sein?«, fragte der Gewerkschafter. ver.di werde daher weiter Druck machen, dass Tarifverträge auch bei evangelischer Kirche und Diakonie zur Normalität werden. »Wenn es nötig ist, kommen wir dafür wieder und wieder.«

     
    Aktion Synode, Würzburg 2018
    © Timm Schamberger
    Aktion Synode, Würzburg 2018

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