IB

Verhandlungsergebnis erzielt

Ergebnis der Tarifverhandlungen beim Internationalen Bund verbessert die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Ein Interview mit der ver.di-Verhandlungsführerin Heike von Gradolewski-Ballin.
03.05.2020
Heike von Gradolewski-Ballin

Wie habt ihr einen Abschluss in Coronazeiten überhaupt geschafft?

Tarifverträge bieten Sicherheit und Perspektiven für unsere Mitglieder - was immer gilt, gilt in der aktuellen Zeit ganz besonders. Diese Tarifrunde hatten wir bereits im November 2019, also bereits vor Corona begonnen. In vier schwierigen Verhandlungsrunden bis Ende Februar 2020 konnten wir jedoch keine Einigung erzielen. Mit der Kündigung der Entgelttabellen in mehreren Gesellschaften und der Aktion „Gesicht zeigen“ haben wir den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöht. Zusammen mit den Tarifkommissionen aus den verschiedenen Gesellschaften innerhalb des IB konnten wir über sehr intensive Verhandlungsrunden hinweg nun endlich Entgeltsteigerungen erreichen. Das zeigt: auch in Zeiten von Corona sind wir handlungsmächtig! Unser besonderer Dank gilt den ehrenamtlichen Kolleg*innen, die gemeinsam mit uns neue Verhandlungsmethoden erfolgreich ausprobiert haben. Tarifverhandlungen per Video-Konferenz – auch das kann ver.di.

Warum gibt es nun eine SuE Tabelle, welche Strategie steckt dahinter?

Die neue Tabelle war ein Vorschlag des Arbeitgebers. Weil der IB in vielen verschiedenen Geschäftsfeldern unterwegs ist, sich aber fast vollständig über öffentliche Zuschüsse finanziert, müssen alle Gehaltssteigerungen mit den Kostenträgern – meist sind das die Kommunen – verhandelt werden. In den meisten Bundesländern werden die Gehaltskosten für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst auf Grundlage eines zum Niveau der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, TVöD oder TV-L, erstattet. Dies ist dem Kampf der Gewerkschaften für eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe zu verdanken. Voraussetzung ist aber, dass der Träger diese Gehälter auf tarifvertraglicher Grundlage zahlt – nicht wie bisher als übertarifliche Zulagen. So ist es dem IB möglich, hier eine stärkere Gehaltssteigerung vorzunehmen, ohne an anderer Stelle kürzen zu müssen. Obwohl die gewerkschaftlichen Tarifkommissionen die weitere Differenzierung nach Beschäftigtengruppen kritisch sehen – und diesen Aspekt auch kontrovers diskutiert haben –, wäre niemandem gedient gewesen, wenn wir diese Möglichkeit ausgelassen hätten, die besonderen  Rahmenbedingungen im SuE-Bereich für die Beschäftigten zu nutzen. Nur so kommt die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe auch beim IB an.

Was ist mit den Lohnerhöhungen in AMDL, welche an den Mindestlohn gekoppelt sind, immerhin über die gesamte Laufzeit hinweg bis zu 10 Prozent?

Der allgemeinverbindliche Mindestlohn für die Weiterbildungsbranche, den ver.di und GEW erstritten haben, findet beim IB in der Form Anwendung, dass die im Mindestlohntarifvertrag festgelegten Entgeltsteigerungen auf die Entgelte der AMDL-Beschäftigten auch beim IB erfolgen. Diese Steigerungen waren unabhängig von der laufenden Tarifrunde bereits im Tarifvertrag gesichert. Sie betragen 2020 bis 2022 in der Summe immerhin etwa 10 Prozent. Da die Ausgangswerte beim IB höher liegen als der Mindestlohn, haben die AMDL-Beschäftigten eine im Branchenvergleich gute Lohnentwicklung. Gleichwohl hatte die Tarifkommission gefordert, dass auch die AMDL-Beschäftigten von dem aktuellen Tarifabschluss profitieren. Die Weigerung des Arbeitgebers, hier etwas zu tun, hatte im Februar noch zum Abbruch der Verhandlungen geführt. Jetzt haben wir immerhin erreicht, dass eine fünfte Entgeltstufe geschaffen wird, die eine Perspektive für künftige Entgeltsteigerungen eröffnet. Wo die Stufe 5 schon vorhanden ist, erhalten die Kolleg*innen einen zusätzlichen freien Tag.

Warum wird die allgemeine Tabelle geringer erhöht?

Gefordert hatte die gemeinsame Tarifkommission eine schrittweise Angleichung der Tariflöhne an das Niveau des TV-L. Der Abstand war zuvor im Bereich SuE besonders hoch. Mal abgesehen von den unterschiedlichen Refinanzierungsbedingungen ist es also gerechtfertigt, hier eine stärkere Anhebung vorzunehmen.

Ob uns das gefällt oder nicht: In Tarifverhandlungen müssen wir immer auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens beachten. Die Arbeitgeberseite hat sehr deutlich gemacht, dass sie die Verhandlungen lieber scheitern lassen würde, als über die in Tippelschritten verbesserten Angebote hinauszugehen. Das langfristige Ziel der Gewerkschaften bleibt aber, für alle Beschäftigtengruppen eine Angleichung an den TV-L! Dafür müssen wir in der nächsten Tarifrunde noch mehr Druck aufbauen, wenn nötig auch mit Arbeitsniederlegungen. Ich hoffe, dass die erreichte Bonusregelung für Gewerkschaftsmitglieder noch mehr Kolleg*innen zum Eintritt bewegt und wir gemeinsam zukünftig noch mehr herausholen.

Warum gibt es die Lohnerhöhungen, außer in AMDL, erst im nächsten Jahr?

Der Arbeitgeber hat sich auf Grund der Refinanzierungssituation vieler Maßnahmen eine Karenzzeit erbeten. In den Verhandlungen war das für uns ein ganz schwieriger Moment. Natürlich wollten wir für alle Kolleg*innen bereits im ersten Jahr der Laufzeit eine Entgeltsteigerung erreichen. Der Arbeitgeber begründete seine Forderung damit, dass er in dieser Zeit die Kosten durch die Entgeltsteigerungen an die Kostenträger weitergegeben bzw. Verhandlungen entsprechend führen kann. Das braucht einfach Zeit. Das heißt aber auch: In diesem Jahr sind keine weiteren Kostensteigerungen – als über die Stufensteigerungen möglich. Für uns war es daher umso wichtiger und ein elementarer Bestandteil der weiteren Verhandlungen, für unsere Mitglieder einen Ausgleich für diese Karenzzeit zu erreichen. Nach zähem Ringen und nachdem der Arbeitgeber mehrfach sehr deutlich gemacht hatte, dass er die Gehaltserhöhungen unter keinen Umständen vor dem 1. Januar 2021 in Kraft setzen würde, konnten wir uns schließlich auf einen zusätzlichen freien Tag (IB Südwest: 2 freie Tage) als Ausgleich für alle Beschäftigten verständigen, die im Jahr 2020 keine lineare Gehaltssteigerung bekommen.

Der IB hat doch finanzielle Probleme, kann der sich das überhaupt leisten, sprich können wir denn damit rechnen, dass er die Erhöhungen dann auch bezahlen kann?

Ein klares Ja. Davon können wir ausgehen. Der Arbeitgeber kann und muss zahlen! Er kann, weil er sich mit der Karenzzeit genug Zeit verschafft hat, die Tariferhöhungen mit den Kostenträgern zu verhandeln und somit in voller Höhe erstattet zu bekommen. Er muss aber auch, weil sobald die Tarifverträge unterschrieben sind, die Beschäftigten – jedenfalls sofern sie Mitglied einer vertragsschließenden Gewerkschaft sind – einen einklagbaren Anspruch auf die vereinbarten Gehaltssteigerungen haben. Das gilt auch für die Mitgliedervorteilsregelung, den Ausgleich für die Karenzzeit und die Einführung einer weiteren Entgeltstufe für die AMDL-Beschäftigten. Dafür schließen wir Tarifverträge, damit die Arbeitgeber daran gebunden sind. Gewerkschaftliches Engagement lohnt sich!

 

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