Seit Herbst 2020 gibt es den neuen Studiengang der Psychotherapie. Nun kommen die ersten Absolvent*innen in die Betriebe. Das stellt eine wichtige tarifpolitische Frage: Wie werden die neuen Kolleginnen und Kollegen eingruppiert? Für die Aktiven der ver.di-Bundesfachkommission Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (PP/KJP) steht fest: Die Berufsgruppe muss so bezahlt werden, wie es ihrer hohen Qualifikation und Verantwortung entspricht – und darf gegenüber anderen approbierten Heilberufen nicht benachteiligt werden.
Der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) schwebt aber offenbar anderes vor. Sie empfahl 2023 in einem Rundschreiben, Psychotherapeut*innen, die sich zu Fachpsychotherapeut*innen weiterbilden, in die Entgeltgruppe (EG) 13 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) einzuordnen. »Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar und bedeutet eine deutliche Schlechterstellung gegenüber anderen approbierten Heilberufen, wie Human-, Zahn- und Tierärzt*innen oder Apotheker*innen«, kritisiert Margarete Störel, die als Psychologische Psychotherapeutin an der Uniklinik Dresden arbeitet und sich in der ver.di-Bundesfachkommission engagiert. Diese Berufsgruppen werden nämlich, sobald sie ihre Approbation in der Tasche haben, der EG 14 zugeordnet – ein Gehaltsunterschied von mehreren hundert Euro im Monat.
Psychotherapeut*innen mit Approbation sind, wie es im Gesetz heißt, »zur eigenverantwortlichen, selbstständigen und umfassenden psychotherapeutischen Versorgung von Patient*innen aller Altersgruppen befähigt«. Damit gehe eine ebenso hohe Verantwortung einher wie in der Humanmedizin, betont Margarete Störel. »Wenn man Fehler macht kann das fatale Konsequenzen haben – bis hin zum Suizid oder der Gefährdung anderer Menschen.« Für diejenigen, die mit Masterabschluss von der Uni kommen, ihr Staatsexamen aber noch nicht abgelegt haben und deshalb nicht eigenständig Heilkunde ausüben dürfen, gilt das freilich nicht. Die EG 13 wäre für sie daher angemessen.
Auch aus Sicht der Sprecherin der ver.di-Bundesfachkommission, Elisabeth Dallüge, entspricht die Systematik der Eingruppierung von Psychotherapeut*innen nicht ihren Kompetenzen und Leistungen. »Das ist ein Systemfehler, wir werden beim Gehalt falsch eingruppiert und systematisch benachteiligt«, so die Psychologische Psychotherapeutin, die im nordrhein-westfälischen Herne im Maßregelvollzug arbeitet. Nicht nur die Absolvent*innen des neuen Studiengangs, auch die auf dem alten Ausbildungsweg qualifizierten Fachkräfte müssten entsprechend ihrer Fähigkeiten eingruppiert werden. Aktuell ist trotz Approbation und Fachkunde in der EG 14 Schluss. »Nach zehn Jahren Studium und Weiterbildung muss mehr drin sein«, findet Elisabeth Dallüge. Ziel von ver.di ist eine facharztäquivalente Vergütung und damit die tarifliche Eingruppierung in die EG 15 für Fachpsychotherapeut*innen, Psychologische Psychotherapeut*innen (PP) sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (KJP).
Psychotherapeut*innen trügen in der Regel die Hauptverantwortung für den Behandlungsprozess, müssten den Überblick behalten und die Arbeit multiprofessioneller Teams koordinieren, betont die Gewerkschafterin. »Es hängt an uns, aber die Eingruppierung spiegelt die hochqualifizierte Arbeit nicht wider.« Ohnehin bestehe in der Berufsgruppe große Unsicherheit. Noch sei zum Beispiel völlig ungeklärt, wie die neue Weiterbildung der Psychotherapeut*innen finanziert werden soll. Für Elisabeth Dallüge ist klar: »Das können die erfahrenen Kolleg*innen nicht einfach zusätzlich machen. Es braucht genug Zeit und eine angemessene Honorierung.« Die ver.di-Bundesfachkommission fordert, dass Kolleg*innen, die für die Weiterbildung zuständig sind oder eine Leitungsfunktion ausüben, eine Zulage in Höhe von 20 Prozent der EG 15, Stufe 1 bekommen.
Eine angemessene Entlohnung sei auch für die Patientinnen und Patienten wichtig, meint Margarete Störel. Der bereits jetzt hohe Versorgungsbedarf wachse infolge der Corona-Pandemie und anderer Krisen, zugleich werden wegen der demografischen Entwicklung viele Psychotherapeut*innen in den kommenden Jahren aus dem Beruf ausscheiden. Schon jetzt bestehe in weiten Teilen eine Unterversorgung, müssten Patient*innen oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen. »Im stationären Bereich kann eine leitliniengerechte Behandlung angesichts der unzureichenden Personalausstattung in vielen Fällen nicht gewährleistet werden«, berichtet die Psychologische Psychotherapeutin. Deshalb müssten die Personalvorgaben der PPP-RL angemessen angepasst und endlich verbindlich eingehalten werden. In den Kliniken stünden für die psychiatrische Regelversorgung nur 49 Minuten pro Patient*in zur Verfügung – noch weniger als für die ambulante Behandlung, wofür es keine fachliche Erklärung gebe. Zur Sicherung einer guten psychotherapeutischen Behandlung müsse es attraktiver werden, als psychotherapeutische Fachkraft längerfristig in Kliniken zu arbeiten – auch durch eine angemessene Bezahlung.
Um das zu erreichen, davon ist Elisabeth Dallüge überzeugt, müssen sich die Betroffenen selbst aktiv einsetzen – und sich organisieren. »Dafür brauchen wir die Gewerkschaft. ver.di ist der Ort, an dem wir zusammenkommen und Solidarität organisieren.« Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie viel man gemeinsam bewegen kann. »Vor nicht allzu langer Zeit wurden Psychotherapeut*innen in Ausbildung (PiA) trotz eines abgeschlossenen Studiums noch wie Praktikant*innen behandelt und wurden erst gar nicht, mittlerweile mit nur 1.000 Euro im Monat vergütet. Die jetzige Situation ist dagegen ein enormer Fortschritt«, betont die Gewerkschafterin. ver.di habe an dieser Entwicklung einen großen Anteil. »Auch jetzt gilt es, gemeinsam für Verbesserungen einzutreten. Auf uns kommt es an.«
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