»200 Euro – jetzt oder nie«

Tausende Auszubildende und dual Studierende gehen für einen guten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst auf die Straße, darunter viele aus Gesundheitseinrichtungen.
02.03.2023


Starkes Signal der ver.di-Jugend: Am 1. März 2023 gehen insgesamt rund 5.000 Auszubildende und dual Studierende auf die Straße, um für einen guten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu demonstrieren. Mit dabei: etliche junge Kolleg*innen aus Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen. Zentrale Forderungen der Demonstrationen in Esslingen, Mannheim, Kassel, Nürnberg, Hannover, Berlin, Gelsenkirchen, Kiel und Hamburg sind die Erhöhung der Ausbildungsvergütung um monatlich 200 Euro sowie die unbefristete Übernahme nach erfolgreicher Abschlussprüfung.

 
Jugendstreiktag am 1. März 2023 in Kassel

»Auszubildende und dual Studierende trifft die hohe Inflation besonders«, betont der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. »Sie haben in der Regel kein finanzielles Polster, auf das sie zurückgreifen können, um Nachzahlungen und die hohen Preissteigerungen aufzufangen.« Gute Ausbildungsbedingungen und eine anständige Vergütung seien das beste Rezept gegen den Fachkräftemangel. »Wir brauchen ein Gesamtpaket, das die jungen Kolleginnen und Kollegen finanziell entlastet und durch die unbefristete Übernahme eine langfristige Perspektive im öffentlichen Dienst bietet.«

 

Das von den Arbeitgebern in der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegte Angebot ist davon noch meilenweit entfernt. Die angebotene tabellenwirksame Erhöhung betrage bei einer Laufzeit von 27 Monaten maximal 68 Euro, rechnet die ver.di-Bundesjugendsekretärin Julia Böhnke vor. Dies wäre »für Nachwuchskräfte bei der aktuellen Inflation ein dickes Minusgeschäft«. Die Arbeitgeber müssten in der dritten Verhandlungsrunde Ende März dringend nachbessern.

Streikparade in Mannheim

Ihren Unmut über das Arbeitgeberangebot machen in Mannheim rund 700 Demonstrierende bei einer »Streikparade« lautstark deutlich. Jugend- und Auszubildendenversammlungen werden genutzt, Unterrichtet fällt aus, weil sich die Klassen absprechen. Mancher Bus wird gemietet, zum Beispiel, um Auszubildende aus Rheinland-Pfalz zur schon traditionsreichen Streikparade nach Mannheim zu bringen.

 
Jugendstreiktag am 1. März 2023 in Mannheim

Alle Bereiche des öffentlichen Dienstes sind vertreten. Von der Altenpflege über die Stadtverwaltung bis zur Bundeswehr – eine bunte Truppe, im wahrsten Wortsinn. »Es ist eine Frechheit, was uns da angeboten wird«, findet Amelie Biegel, dual Studierende in der Pflege. »Als billige Arbeitskräfte sind wir noch willkommen. Wir werden beklatscht, die Aufwertung der systemrelevanten Krankenhausbeschäftigten wird uns versprochen – und jetzt ist alles wieder vergessen. Ich bin wirklich enttäuscht und streikbereit.«

»Auch wenn das hier aussieht wie Party – es ist uns ernst«

Die Demonstrant*innen ziehen begleitet von lauter Musik durch die Straßen. Immer wieder werden zwischendrin Ansagen zu den Tarifverhandlungen gemacht. Am Straßenrand stehen Neugierige. Handys werden gezückt, viel wird gefilmt und »geliked«. »Die Arbeitgeber sollen sich nicht täuschen lassen: Auch wenn das hier aussieht wie Party – es ist uns ernst«, betont Merle Käfer, die an der Uniklinik Mannheim eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Radiologie Assistentin macht. »Wir sind die Zukunft, die ihr dringend braucht. Ohne eine ordentliche Bezahlung gibt es bald niemanden mehr, der im öffentlichen Dienst arbeiten will.« Der Brass der Auszubildenden ist spürbar. »Wenn man nicht gerade zu Hause wohnt, kann man sich eine Ausbildung kaum leisten«, sagt Nils Schajor, der ein duales Studium in Betriebswirtschaft/Gesundheitsmanagement macht. »Und wenn ich irgendwann mal fertig bin mit meiner Ausbildung, will ich von dem Gehalt dann auch leben können. Darum gehe ich mit auf die Straße, sobald ich gerufen werde.«

 
Azubis aus hessischen Krankenhäusern zeigen Flagge im Tarifstreit.

»Pflegt euch ins Knie! 200 Euro – jetzt oder nie«, steht auf einem Transparent, das Auszubildende in Kassel in die Höhe halten. Aus den kommunalen Krankenhäusern in Darmstadt und Frankfurt-Hoechst, den Lahn-Dill-Kliniken und anderen Einrichtungen sind junge Kolleg*innen nach Nordhessen gereist, um in der Tarifauseinandersetzung gemeinsam Flagge zu zeigen. Auf dem Altmarkt kommen sie mit Auszubildenden des Kasseler Klinikums zusammen und setzen sich unter dem Motto »Pflege am Boden« demonstrativ aufs Straßenpflaster. Busse, Straßenbahnen und Autos müssen warten. Die Botschaft: »Wenn wir nicht arbeiten steht alles still.« Nach einigen Minuten knallen Konfettikanonen und alle springen auf. Auch das wird heute deutlich: Gewerkschaftsdemos machen Spaß!

Bernd Gräf/Daniel Behruzi


veröffentlicht/aktualisiert am 3. März 2023

 

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