Richtig stark

Beschäftigte wollen die Dynamik der Tarifrunde nutzen – und aktiv bleiben.
03.04.2024

Viele neue ver.di-Mitglieder, viele Aktionen, viel Solidarität. Die Tarifrunde der Länder hat für kräftig Schwung gesorgt. Jetzt gilt es, die neue Stärke zu nutzen.

 
Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität Berlin

»Mich hat die Riesenbeteiligung in der Tarifrunde total überrascht. Sehr begeistert hat mich der große Zusammenhalt quer durch alle Beschäftigtengruppen. Beim Warnstreik war unser gesamtes Institut einen ganzen Tag lang geschlossen. Die Profs haben ihren Studis angeboten, mit zur Kundgebung zu gehen. Ich bin selbst in der Tarifrunde neu bei ver.di eingetreten. Von null auf hundert sozusagen. Weil ich toll finde, wie in der Gewerkschaft alle zusammenhalten. Jetzt sind wir im Institut gut gewappnet. Die Universität hat bereits angekündigt, dass Geld eingespart werden soll und große Umstrukturierungen anstehen. Wir fürchten, dass auch Stellen davon betroffen sein werden. Doch wenn es hart auf hart kommt, werden wir die Kürzungen nicht einfach hinnehmen. Wir haben bewiesen, dass wir sehr kämpferisch sind.«

Daniela W., Sekretariat, Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität Berlin

 
Lisa Z. und das Team von der Mensa Langemarckplatz des Studierendenwerks Erlangen-Nürnberg

»Für uns war es eine absolute Premiere: Wir haben zum allerersten Mal so stark zusammen gestreikt, dass an zwei Streiktagen jeweils eine der beiden Hauptmensen der Universität Erlangen-Nürnberg schließen musste. Auch weitere Bereiche blieben geschlossen, darunter die Cafeteria in der Unibibliothek und die Kitas des Studierendenwerks. Wir haben uns vorher besprochen und sind alle zusammen bei den großen Demos mitgelaufen, mit gelben ver.di-Westen und Fahnen. Auf diesen gemeinsamen Erfolg sind wir stolz. So etwas gab es vorher noch nie. Für uns alle stand fest, dass endlich etwas passieren muss. Wir machen unsere Jobs gerne. Aber viele von uns wissen nicht mehr, wie sie mit dem Geld über die Runden kommen sollen. Wir leisten schwere körperliche Arbeit, mit immer weniger Personal, und sind in den Stoßzeiten total im Stress. Dafür haben wir ein Gehalt verdient, von dem wir gut leben können. Ohne uns läuft schließlich nichts – keine Wohnheimplatzvergabe, keine Bearbeitung von BAföG-Anträgen, keine Kinderbetreuung an der Hochschule, keine Essensversorgung und kein Kaffee.«

 
Peter S. wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

»Sonst haben an der Uni die einzelnen Berufsgruppen nicht viel miteinander zu tun. Doch in der Tarifrunde haben wir uns zum ersten Mal alle zusammengeschlossen. Zur Mobilisierung sind wir je zu zweit als Tandem durch die Häuser gezogen und haben auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Mensen und Cafeterien geredet. Bei den Streiks sind wir mit Beschäftigten der Hochschule, dem Uniklinikum und dem Studierendenwerk auf die Straße gegangen. Das war richtig gut. Wir waren mehr, aber auch die Stimmung war ganz anders als sonst. Wir haben erfahren, wie es anderen geht – und uns kennengelernt. Das ist viel wert. Der Tarifabschluss wird von manchen positiv, von anderen negativ bewertet. Jetzt geht es vor allem darum, den Zusammenhalt aufrechtzuerhalten! Wir planen, uns weiterhin regelmäßig zu treffen und gemeinsam konkrete Verbesserungen durchzusetzen.«

 
Leah B. studentische Hilfskraft, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld

»Am besten ist das Gefühl: Hey, wir sind nicht alleine! Ich war sehr happy, wie viele Beschäftigte sich am Streik in Bielefeld beteiligt haben. Die Forderung nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen vereint uns alle. Deshalb ist toll, dass sich die Bewegung für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte – kurz TVStud – so gut mit den anderen Beschäftigten vernetzt hat. Zusammen können wir viel mehr bewirken. Diese Botschaft darf nicht verloren gehen. Viele von uns sind im Sommer mit der Uni fertig, wir müssen zusehen, dass die neuen Hilfskräfte nicht wieder bei null anfangen. Deshalb wollen wir jetzt schon anfangen, uns systematisch auf die Tarifrunde 2025 vorzubereiten. Und als Ergebnis der Tarifrunde wurden für studentische Beschäftigte in einer schuldrechtlichen Vereinbarung erstmals Mindestvertragslaufzeiten und Mindeststundenlöhne festgelegt. Da müssen wir Druck machen, dass die Regelungen auch in der Praxis umgesetzt werden.«

 
Heiko W. Küchentechniker, Studentenwerk Leipzig

»Wir haben zum ersten Mal seit 15 Jahren gestreikt. Viele Mensen und Cafeterien blieben geschlossen. Mir persönlich ging es vor allem um die studentischen Hilfskräfte. Weil sie keinerlei tarifliche Absicherung haben, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und immer nur ganz kurze Verträge. Vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem Studentenwerk fiel es nicht leicht zu streiken. Sie hatten ein schlechtes Gewissen. Die Preise sind bei uns in den letzten Jahren so gut wie nicht gestiegen. Wenn die Einrichtungen geschlossen sind, müssen die Studis notgedrungen in der Stadt teures Essen kaufen. Aber letztlich sind wir ja auch für sie auf die Straße gegangen. Ich hätte mir gewünscht, dass für sie mehr rauskommt. Und auch für die Kolleginnen und Kollegen aus den unteren Lohngruppen. In den Spülküchen wird die unterste Entgeltgruppe, E1, bezahlt, nur knapp über dem Mindestlohn. Bei einem Vertrag über 20 Stunden pro Woche eine Katastrophe. Deshalb ist wichtig, jetzt weiterzumachen. Bei uns im Studentenwerk sind viele Bereiche noch nicht gut organisiert. Da arbeiten wir jetzt dran.«

 

Kommentar

Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und Leiterin des Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft

Wir lassen nicht locker

von Sylvia Bühler

Streiks am Campus – so klare Botschaften gab es lange nicht an den Hochschulen. Wie kraftvoll sie sein können, zeigt das vergangene Semester. An mehr als 80 Hochschulen und Studierendenwerken legten Beschäftigte am Hochschulaktionstag am 20. November die Arbeit nieder. Rund 14.000 Kolleg*innen gingen auf die Straße und die Proteste waren erfolgreich. In der Tarifrunde mit den Ländern konnten wir zusammen mit anderen Beschäftigten, für die der TV-L gilt, zweistellige Lohnsteigerungen durchsetzen. Darüber hinaus haben wir es geschafft, Mindeststandards für studentische Beschäftigte zu vereinbaren. Das ist ein wichtiger Schritt und wir lassen nicht locker, bis es auch für sie einen Tarifvertrag gibt.

Die Beschäftigten am Campus erkennen zunehmend, wie wichtig es ist, sich zusammenzuschließen und sich in ver.di gewerkschaftlich zu organisieren. Sie streiten für bessere Arbeitsbedingungen. Sie wehren sich, damit der Spardruck in den öffentlichen Haushalten nicht auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Auch beim Thema Befristung ist die Bundesregierung gefragt, sie muss endlich liefern. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes – kurz WissZeitVG – versprochen, um die Planbarkeit in der Wissenschaft zu erhöhen. Bisher aber liegt nichts Brauchbares auf dem Tisch. Deshalb haben wir mit Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien bei einer ver.di-Veranstaltung unsere Forderungen zum WissZeitVG diskutiert. Auch hier gilt: Wir lassen nicht locker.

 

 
Wir sagen: Herzlich Willkommen!

Mehr von uns ist besser für alle: In der Tarifrunde sind ganz viele Beschäftigte bei ver.di eingetreten. Alleine 20.000 in unserem Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft. Mit einem Plus von fast 12 Prozent führen Hochschulen die Hitliste an. Mit anderen Worten: Mehr als jedes achte ver.di-Mitglied an Hochschulen ist neu dabei. Auch ganz vorne mit dabei sind die Studierendenwerke mit einem Plus von 7,3 Prozent. Wir sagen: Herzlich willkommen! Schön, dass ihr dabei seid. Gemeinsam können wir viel bewegen!

 

Kontakt

Mitgliederberatung

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