Affront gegenüber Beschäftigten

Zweite Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder ohne Angebot – ver.di ruft zu Warnstreiks auf
03.11.2023
Beschäftigte aus dem Sozial- und Erziehungsdienst beim Protest am 2. November 2023 in Potsdam

Pressemitteilung. Berlin, 3.11.2023. Die zweite Verhandlungsrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder ist heute (3. November 2023) in Potsdam ohne Ergebnis geblieben. „Die Arbeitgeber haben auch in der zweiten Runde kein Angebot vorgelegt und alle wesentlichen Forderungen und Erwartungen rundweg abgelehnt. Das betrifft beispielsweise die Themen nach Schaffung von Tarifschutz für studentisch Beschäftigte und einer Regelung für eine Stadtstaatenzulage. Insbesondere aber verweigern sie einen Abschluss in Höhe des TVöD. Das ist ein Affront gegenüber den Beschäftigten, die erwarten, dass ihre Forderungen ernsthaft diskutiert werden. Das haben die Warnstreiks mit mehreren tausend Demonstrantinnen und Demonstranten zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde deutlich gemacht. Die Arbeitgeber verschließen die Augen vor dem massiven Personalmangel im öffentlichen Dienst der Länder, der Belastungssituation der Beschäftigten und der unzureichenden Bezahlung. Wir werden die Warnstreiks deshalb in der Zeit vor der nächsten Runde massiv ausweiten“, betonte der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, am Freitag in Potsdam.

Besonders ärgerlich sei, dass die Arbeitgeber anstelle von ausreichend hohen Gehältern auf den möglichen Bezug von Wohngeld verweisen. „Damit schließen die Länderarbeitgeber für einen Teil ihrer Belegschaften von vornherein auskömmliche Gehälter aus. Das treibt die Beschäftigten auf die Barrikaden“, sagte Werneke.

Gleichzeitig betonte der ver.di-Vorsitzende die berechtigten Erwartungen der Länderbeschäftigten an die laufenden Verhandlungen. Der Unterschied bei der Bezahlung zu Bund und Kommunen betrage im Schnitt mehr als zehn Prozent, in Einzelfällen drohten Gehaltsunterschiede von mehreren hundert Euro, falls es keinen vernünftigen Abschluss gebe. In den Stadtstaaten beträgt die Differenz in den Bereichen, in denen kommunale Aufgaben unter dem Tarifvertrag der Länder durchgeführt werden, mehr als 300 Euro. 

Seit dem letzten Tarifabschluss im Herbst 2021 hätten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder Reallohnverluste im zweistelligen Prozentbereich erlitten: „Die Länderbeschäftigten bilden bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst das Schlusslicht“, betonte Werneke. Im gesamten öffentlichen Dienst seien zudem bundesweit mehr als 300.000 Stellen unbesetzt. In Hamburg beispielsweise sind 25 Prozent aller vorgesehenen Stellen akut nicht besetzt. Um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, Beschäftigte zu halten und neue Beschäftigte zu gewinnen, sei eine deutliche und nachhaltige Erhöhung der Gehälter dringend notwendig. 

Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder eine Einkommenserhöhung um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Nachwuchskräfte sollen 200 Euro mehr erhalten und Auszubildende unbefristet übernommen werden.

ver.di führt die Tarifverhandlungen gemeinsam mit den DGB-Gewerkschaften GdP, GEW und IG BAU sowie in einer Verhandlungsgemeinschaft mit dem dbb beamtenbund und tarifunion. Die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) werden für rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder (außer Hessen) geführt. ver.di fordert zudem die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die rund 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamten sowie auf rund eine Million Versorgungsempfänger (Angaben ohne Hessen).

Die Verhandlungen werden in der dritten Runde am 7. und 8. Dezember 2023 in Potsdam fortgesetzt.

 
Halloween-Aktion am 31. Oktober 2023 am ZfP Emmendingen

5.000 Landesbeschäftigte bei Aktionen und Streiks

Über 2.000 Beschäftigte haben am 2. November zur zweiten Runde der Länder-Tarifverhandlungen am Verhandlungsort in Potsdam demonstriert. Insgesamt beteiligten sich bereits rund 5.000 Landesbeschäftigte an Streiks und Aktionen. Doch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zeigte ihnen erneut die kalte Schulter. Schlimmer noch: Ihr Verhandlungsführer, Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), erklärte den Beschäftigten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst sogar, sie könnten ja Wohngeld beantragen, wenn das Einkommen nicht reicht. Diese Frechheit wird die Kolleg*innen sicher noch bestärken, sich für höhere Löhne und die Übernahme der Verbesserungen aus dem Tarifvertrag von Bund und Kommunen einzusetzen. Die Warnstreiks und Proteste dürften vor der nächsten, für Anfang Dezember geplanten Verhandlungsrunde nochmal deutlich zunehmen.

 

Die Aktionen der vergangenen Tage waren bereits vielversprechend. So reagierten zum Beispiel Kolleg*innen an den Zentren für Psychiatrie (ZfP) in Baden-Württemberg am 31. Oktober mit Halloween-Aktionen auf die gruselige Verhandlungstaktik der Arbeitgeber. Am ZfP Emmendingen, wo rund 150 Beschäftigte dabei waren, verwies die Personalratsvorsitzende und ver.di-Aktivistin Alice Bruder darauf, dass die Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro monatlich mehr nicht zufällig der Forderung bei Bund und Kommunen im Frühjahr entspricht. »Wir machen schließlich alle die gleiche Arbeit – egal welcher Dienstherr unter unserem Arbeitsvertrag steht. Wir haben alle die gleichen finanziellen Belastungen – nur mit dem Unterschied, dass wir seit Monaten hinterherhinken und nun endlich angemessen entlohnt werden wollen!«

 

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