Lautstark zogen am Donnerstag (23. Februar 2023) gut 1.000 streikende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch Darmstadt. Sie machten deutlich, dass sie vom Bund und von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in der nächsten Verhandlungsrunde endlich ein substanzielles Angebot erwarten. In Sprechchören bekräftigten sie die ver.di-Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro monatlich mehr. Zugleich zeigten sie Solidarität: Der Demonstrationszug endete am Darmstädter Elisabethenstift. Denn die Beschäftigten des diakonischen Krankenhauses haben sich auf den Weg gemacht, einen Tarifvertrag einzufordern.
»Wir sind keine Lohnsparschweine«, hallte es am Donnerstagvormittag durch die Darmstädter Innenstadt. »Wir brauchen im öffentlichen Dienst eine ordentliche Bezahlung – allein schon, um im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt mithalten zu können«, erklärte Jan Regler vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Er hält insbesondere den Mindestbetrag von 500 Euro monatlich für wichtig, von dem Geringverdiener*innen überproportional profitieren würden. »Die Kolleginnen und Kollegen in den unteren Lohngruppen machen sich wirklich große Sorgen wegen der steigenden Preise und Energiekosten«, berichtete Regler, der sich als Vorsitzender des Betriebsrats und in der ver.di-Betriebsgruppe bei der GSI engagiert. Sauer ist er über die Drohung der Arbeitgeber, Stellen abzubauen, falls ver.di deutliche Lohnerhöhungen durchsetzt. »Das Geld ist da«, ist der Gewerkschafter überzeugt. »Statt alles auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen, sollte die Regierung lieber die Krisengewinnler zur Kasse bitten.«
Auch der Krankenpfleger Christian Stöveken pocht auf eine ordentliche Lohnerhöhung, die den Verlust durch die Inflation dauerhaft ausgleicht. Der Sprecher der ver.di-Vertrauensleute am Klinikum Darmstadt betonte, dass die Laufzeit des Tarifvertrags bei den geforderten zwölf Monaten liegen sollte. Die Inflation werde vermutlich hoch bleiben, bei einer kurzen Laufzeit könne die Gewerkschaft dann erneut aktiv werden.
Zum Abschluss der Demonstration kam es zu einem besonderen Zusammentreffen: Vor dem Elisabethenstift applaudierten Dutzende Beschäftigte der diakonische Klinik ihren Kolleg*innen aus dem öffentlichen Dienst – und umgekehrt. »Wir fühlen höchste Solidarität mit euch und euren berechtigten Forderungen«, erklärte der Pflegefachmann Thomas Fischer. Er verwies darauf, dass die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Betrieben zumeist nicht per Tarifvertrag, sondern auf dem kircheneigenen »Dritten Weg« festgelegt werden. So auch am Elisabethenstift, das zum diakonischen Agaplesion-Konzern gehört.
»Die unteren Lohngruppen in der Diakonie Hessen liegen gerade so über dem Mindestlohn. Zum Erreichen des Pflegemindestlohns müssen Zulagen gezahlt werden – das ist mehr als beschämend für die Diakonie«, kritisierte Fischer, der in der ver.di-Betriebsgruppe am Elisabethenstift aktiv ist. Statt des »Dritten Wegs« müsse Agaplesion mit ver.di Tarifverhandlungen aufnehmen. »Wir wollen selbst entscheiden, was wir fordern, uns dafür einsetzen können und auch darüber entscheiden, welches Ergebnis wir annehmen«, betonte der Pflegefachmann.
Die erste konkrete Forderung der Gewerkschafter*innen am Elisabethenstift ist ein Inflationsausgleich von einmalig 3.000 Euro. Zugleich bauen sie Durchsetzungskraft auf, um einen Tarifvertag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Viele Beschäftigte haben sich bereits mit ihrer Unterschrift hinter diese Forderungen gestellt. Der Unterstützung ihrer Kolleg*innen in öffentlichen Krankenhäusern können die Beschäftigten des »E-Stifts« gewiss sein. »Man kann die Pflege nicht auf so einem niedrigen Niveau bezahlen«, meint Christian Stöveken. Für den Krankenpfleger vom Städtischen Klinikum ist klar: »Wir stehen solidarisch an ihrer Seite.«
Daniel Behruzi
veröffentlicht/aktualisiert am 23. Februar 2023
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