Nach dem 2014 erfolgten Verkauf von mehr als 40 Rhön-Kliniken an Helios war das eigentlich zu erwarten. Und doch kam die Übernahme der bei Rhön verbliebenen Krankenhäuser durch den Konkurrenten und Anteilseigner Asklepios Anfang März überraschend – wieder einmal. Der Vorwurf trifft diesmal nicht den geschäftsführenden Vorstand, sondern die Gesellschafter von Asklepios und Rhön, Bernhard große Broermann und Eugen Münch. Statt die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen im Sinne einer vertrauensvollen Mitbestimmungskultur einzubeziehen, wurden sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Das schafft Verunsicherung und berechtigtes Misstrauen. Die offenbar ebenso überraschte Geschäftsführung versucht nun, Transparenz zu schaffen. Doch über die entscheidenden Punkte – ob ein Joint Venture oder eine Eigentümergesellschaft gebildet wird, wie die künftige Unternehmenspolitik aussieht etc. – sind nur die Gesellschafter auskunftsfähig.
In welche Richtung das Unternehmen geht, wird womöglich bei der Hauptversammlung Anfang Juni klar. Zuvor wählen die Beschäftigten auf einer Delegiertenversammlung im Mai ihre Vertreterinnen und Vertreter für den Aufsichtsrat. Wer die Eigentümer in dem Aufsichtsgremium vertritt, bestimmen diese auf der Hauptversammlung. Damit werden die Weichen für die künftige Unternehmensstrategie gelegt: Der Aufsichtsrat bestellt die Geschäftsführung, macht Vorgaben und setzt so die Leitplanken für die Zukunft.
Im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG wurde Mitbestimmung gelebt. Ob in den Ausschüssen oder bei den Sitzungen des Gremiums – die Stimme der Beschäftigten war gefragt und es wurde inhaltlich gearbeitet. Das kann Asklepios von Rhön lernen.
Die Eigentümer wollen mit der Übernahme »Synergien« realisieren. Allzu häufig bedeutet das den Verlust von Arbeitsplätzen. Doch falls Tätigkeiten wegfallen, muss das nicht der Rationalisierung und Profitmaximierung dienen. Es kann auch Personal für befriedigendere und besser bezahlte Tätigkeiten freigesetzt werden, oder um bisher unbesetzte Stellen zu besetzen. Dazu bedarf es einer beschäftigungsorientierten Personalentwicklung sowie gezielter Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Asklepios macht regelmäßig negative Schlagzeilen. Denn mehr als zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten zu niedrigen Löhnen, da sie keinen Tarifvertrag haben. Lohnverhandlungen auf Augenhöhe lehnt Asklepios bislang in weiten Teilen ab. In diesem Punkt kann Asklepios von Rhön lernen. Zwar gibt es auch bei Rhön nach wie vor Tochterfirmen, in denen ebenfalls ohne tarifvertraglichen Schutz gearbeitet wird. Doch insgesamt ist die Tarifbindung im Unternehmen deutlich höher als bei Asklepios. Das muss so bleiben und sich weiter verbessern, sonst wird die Personalnot wachsen.
Zwischen den Betriebsräten und Geschäftsführungen bei Rhön hat sich ein respektvolles Miteinander etabliert. Das Management vor Ort und auf Konzernebene weiß, dass es dem gesamten Unternehmen nützt, wenn es die Betriebsräte und damit die Anliegen der Belegschaften ernst nimmt. Natürlich gibt es auch bei Rhön diesbezüglich Luft nach oben. Aber zur in weiten Teilen unterentwickelten Mitbestimmungskultur bei Asklepios ist das kein Vergleich. Auch hier gilt also, dass der neue Großaktionär von Rhön lernen kann.
Die Rhön-Klinikum AG hat sich auf den Weg gemacht, bei der sektorenübergreifenden, digitalen Patientenversorgung zum innovativen Vorreiter zu werden. Viele Ideen wurden an einem neuerrichteten Campus in Bad Neustadt bereits baulich umgesetzt. An anderen Standorten ist die Umsetzung noch nicht so weit. Gerade an den beiden Universitätsstandorten Gießen und Marburg laufen Lehre, Forschung und Patientenversorgung noch nicht optimal. Gutes Zusammenspiel zum Wohle aller ist angesagt.
Wie beim Monopoly ging es in den vergangenen Jahren zu: Bereits 2012 versuchte Rhön-Eigentümer Eugen Münch, das Unternehmen an Fresenius mit seiner Klinikkette Helios zu verkaufen. Daraufhin stiegen Asklepios und der hessische Medizintechnikhersteller B. Braun bei Rhön ein und verhinderten die Übernahme zunächst. 2014 verkaufte Rhön dennoch 40 Krankenhäuser an den Branchenprimus Helios. Jetzt hat sich auch Asklepios seinen Anteil gesichert: Anfang März wurde bekannt, dass Asklepios die Mehrheit an der verbliebenen Rhön-Klinikum AG erworben hat. Mit dem Deal werde einmal mehr offensichtlich, dass Krankenhäuser durch Privatisierung zu Handelswaren werden, kritisierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. »Ist ein Krankenhaus einmal verkauft, hat die öffentliche Hand so gut wie keinen Einfluss mehr auf sein weiteres Schicksal.« Sie warnte davor, dass die Patientenversorgung darunter leiden und Löhne sowie Arbeitsbedingungen der Beschäftigten unter Druck geraten könnten.