Wer kennt ihn nicht? Den Anruf: »Kannst Du nicht morgen zum Frühdienst kommen? XY hat sich krank gemeldet.« Wer kennt sie nicht? Die Frage: »Kannst Du morgen nicht in die Nacht wechseln? Die Nachtwache ist ausgefallen.« Und es ist so schwer, sich abzugrenzen. Man will ja die Kolleginnen und Kollegen nicht hängen lassen. Aber das gibt es auch: »Die Belegung ist so schlecht. Eigentlich brauchen wir dich morgen nicht. Bleib doch zu Hause und bau Überstunden ab.«
Die Folge: Wenn die Praxis so aussieht, haben Pflegende und Betreuende keine geregelte Freizeit. Sie sollen stets verfügbar sein. In ihrer Not rufen die für den Dienstplan verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen manchmal sogar jemanden an, der zwar Urlaub hat, aber nicht weggefahren ist.
Kein Ausweg: Wer nicht gestört werden will, lässt die Mailbox antworten. Aber das ist auch keine Lösung. Dann muss man später Ausreden erfinden. Viele wollen solche Tricks auch gar nicht anwenden und lassen sich immer breitschlagen. Aber selbst bei ihnen ist irgendwann Schluss, sind ihre Geduld und Kraft erschöpft.
Die Ursache: Die Personalbesetzung ist zu knapp. Jeder Ausfall führt ins Chaos. Die Arbeit ist nicht mehr zu schaffen. Wie soll da auch nur die Minimalbetreuung sichergestellt, wie der Anschein von Sauberkeit und Hygiene aufrechterhalten werden? Der Arbeitgeber weiß, dass es Krankheitsausfälle gibt. Aber er sorgt nicht vor. Die Schichtbesetzungen erhöhen? Das kostet Geld.
Manche Arbeitgeber argumentieren mit Fachkräftemangel – es sei einfach kein Personal zu bekommen. Aber: umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die schlechten Arbeitsbedingungen sorgen für die Flucht aus Pflege und Betreuung. Wenn die Bedingungen stimmen, klappt es auch wieder mit dem Fachkräftenachschub.
Mein Frei gehört mir! Es gilt klarzustellen: Ich brauche die Zeit zur Erholung, zum Abschalten, für alles, was mir sonst noch wichtig ist im Leben. Und wenn ich ausgeruht zur Arbeit komme, ist das auch gut für die Patient*innen, Klient*innen und Heimbewohner*innen.
Die Arbeitszeit ist im Dienstplan festgelegt. Dieser ist in der Regel verbindlich, wenn er unterschrieben ist oder den Beschäftigten ausgehändigt wird. Änderungen brauchen die Zustimmung der Betroffenen, einseitige Änderungen sind nicht rechtens. Der Arbeitgeber muss die Mitbestimmungsrechte der Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) beachten. Er ist nur während der geplanten Arbeitszeit weisungsberechtigt. In ihrer Freizeit bestimmt jede*r selbst, was sie tun will oder nicht. Das heißt: Anrufe in deiner Freizeit kannst du ablehnen.
Ist der Dienstplan erst einmal unterschrieben und ausgehängt, gegebenenfalls unter Einhaltung der Mitbestimmung, ist er verbindlich und kann nicht umstandslos wieder geändert werden.
Wende dich an deine Interessenvertretung! Und wenn’s hart auf hart kommt, hilft ver.di!
Vorgesetzte versuchen häufig, an das Gewissen zu appellieren: »Die Patient*innen und die Heimbewohner*innen müssen versorgt werden. Du kannst doch die Kolleginnen und Kollegen nicht hängen lassen.« Es hilft, zu wissen: Schuld ist die zu knappe Besetzung auf Station.
Niemand hindert die Geschäftsleitung daran, einen Springerpool einzurichten. Oder eine Rufbereitschaft. Oder eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung zum Thema »Holen aus dem Frei« abzuschließen (Interessenvertretungen können sich für die Verhandlung Unterstützung bei ver.di holen). Aber das würde Geld kosten. Das will der Arbeitgeber sparen. Auf deinem Rücken. Lass dir das nicht gefallen!
Sobald es eng wird, argumentieren Vorgesetzte und Arbeitgeber mit dem Notfall. Das ist nicht richtig. Echte Notfälle sind eng definiert. Richtig ist in aller Regel: Die Personaldecke ist zu dünn. Der Arbeitgeber hat so knapp geplant, dass ein Ausfall unweigerlich ins Chaos führt.
Dem Arbeitgeber stehen verschiedene Wege offen:
Auf dem Rücken der Beschäftigten zu sparen, ist unverantwortlich und geht auch zu Lasten von Patient*innen und Bewohner*innen. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht: Arbeit darf nicht krankmachen. Für die Personalbesetzung ist der Arbeitgeber verantwortlich. Die sogenannten Notfälle sind hausgemacht. Durch die knappe Besetzung.
Solange Beschäftigte sich ohne Widerstand die Freizeit oder gar die Gesundheit kaputt machen lassen, ändert sich nichts. Keine Leitung hat das Recht, den geltenden Dienstplan ohne deine Zustimmung zu ändern. Du hast ein Recht auf geregelte Freizeit. Der Arbeitgeber wird erst etwas ändern, wenn du – am besten gemeinsam mit deinen Kolleg*innen - darauf bestehst.
Es ist sehr hilfreich, gemeinsam zu handeln: Wenn alle klare Grenzen setzen, muss der Arbeitgeber reagieren und kann uns nicht gegeneinander ausspielen. Unser Frei gehört uns! ver.di unterstützt dabei, sich gemeinsam zu organisieren.
Gemeinsam ist es leichter, sich zur Wehr zu setzen: Solidarität erleben, Verbesserungen durchsetzen!
Neun Mal im Jahr kommt die ver.di-Mitgliederzeitung Publik, vier Mal die mittendrin, die Publik-Beilage des Fachbereichs Gesundheit und Soziales. Und es gibt zahlreiche Bildungsangebote.
ver.di stützt sich auf Betriebsgruppen und gewerkschaftliche Vertrauensleute. ver.di unterstützt sie bei der Wahl von Betriebs- und Personalräten sowie kirchlichen Mitarbeitervertretungen und berät diese in ihrer Arbeit. Zu Themen wie Dienstplan, Ausfallmanagement etc. gibt es zahlreiche Seminare und Materialien.
Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei. ver.di-Mitglieder erhalten Beratung in allen Fragen des Arbeitsrechts. Und wenn es vor Gericht geht, bietet ver.di einen umfassenden Rechtsschutz.
Alle Beschäftigten können sich an Arbeitskämpfen beteiligen. Doch ver.di-Mitglieder gehen sicher nicht leer aus. Die Gewerkschaft unterstützt sie mit Streikgeld.
Deshalb: Mitglied werden.