Urteil zeigt dringenden Handlungsbedarf

Nach erneutem Erfolg einer 24-Stunden-Betreuerin aus Bulgarien vor dem LAG Berlin-Brandenburg fordert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler Maßnahmen des Gesetzgebers.
05.09.2022


Der gesetzliche Mindestlohn gilt auch in der sogenannten 24-Stunden-Betreuung. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereit im Juni 2021 im Grundsatz bestätigt (5 AZR 505/20). Den konkreten Fall einer bulgarischen Beschäftigten, die als sogenannte 24-Stunden-Kraft in Privathaushalten pflegebedürftiger Menschen gearbeitet hat, wies sie dennoch an die Vorinstanz zurück, um die konkreten Zahlungsansprüche zu klären. Am Montag (5. September 2022) entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erneut klar zugunsten der Klägerin.

Das ver.di-Mitglied aus Bulgarien hatte mit gewerkschaftlicher Unterstützung auf Nachzahlung des ihr vorenthaltenen Mindestlohns geklagt und wurde dabei von der muttersprachlichen DGB-Beratungsstelle »Faire Mobilität« begleitet. Als Angestellte einer bulgarischen Agentur hatte sie pflegebedürftige Menschen in Deutschland in ihrem Zuhause versorgt. Dabei musste sie nahezu rund um die Uhr zur Verfügung stehen und auch nachts einsatzbereit sein. Bezahlt wurde sie jedoch nur für die im Arbeitsvertrag festgeschriebene Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche. Das Landesarbeitsgericht sprach ihr nun eine Lohnnachzahlung von mehr als 30.000 Euro zu (Aktenzeichen 21 Sa 1900/19).

 

Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, erklärt zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg:

„Das heutige Urteil ist für unsere Kollegin ein Erfolg auf ganzer Linie. Es zeigt erneut den dringenden Handlungsbedarf. Die 24-Stunden-Betreuung muss von der Politik endlich angegangen werden. Beschäftigte sind davor zu schützen, rund um die Uhr arbeiten zu müssen. Das System verstößt elementar gegen das Arbeitszeitgesetz und den Gesundheitsschutz, außerdem wird hier regelmäßig der gesetzliche Mindestlohn umgangen. Aber auch pflegebedürftige Menschen mit ihren Familien brauchen endlich Rechtssicherheit und vor allem ein offizielles bedarfsgerechtes Hilfesystem. Auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Tariflohnpflicht für nicht tarifgebundene Arbeitgeber ist es überfällig, die Pflegeversicherung zu einer „Solidarischen Pflegegarantie“ weiterzuentwickeln: jeder und jede zahlt ein und pflegebedingte Kosten werden vollständig von der Solidargemeinschaft getragen. Und es muss damit Schluss sein, dass deutsche und internationale Pflegekonzerne dem System mit hohen Renditen Geld entziehen. Die Pflege muss wieder gemeinwohlorientiert organsiert werden.“


veröffentlicht/aktualisiert am 5. September 2022

 

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