Brigitte Schero ist Sozialarbeiterin in einer psychiatrischen Klinik. Sie ist seit über 40 Jahren Gewerkschaftsmitglied, seit acht Jahren Mitglied im Gewerkschaftsrat von ver.di und freigestelltes Personalratsmitglied in ihrem Betrieb. Darüber hinaus engagiert sie sich im Sozialen Dialog Krankenhäuser in Brüssel.
Den Sozialen Dialog Krankenhäuser gibt es seit dem Jahr 2006 und Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber aus ganz Europa sind dort paritätisch vertreten. Wir treffen uns zwei bis dreimal im Jahr, darüber hinaus gibt es noch Treffen in speziellen Arbeitsgruppen. Es gibt zwei Bereiche, auf die wir uns bei diesen Treffen besonders konzentrieren. Das sind zum einen »Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Krankenhäusern« und zum anderen »Einstellung und Bindung von Gesundheitspersonal«.
Wir arbeiten im Sozialen Dialog Krankenhäuser sehr konkret an den Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Aktuell befassen wir uns mit Muskel-Skelett-Erkrankungen und mit psychischen Risiken für Kolleg*innen in Krankenhäusern. Dann steht auch noch das lebenslange Lernen auf unserer Agenda und die Frage, welche Qualifizierungen und Weiterbildungen Beschäftigte in den Krankenhäusern brauchen.
Das Besondere am Sozialen Dialog ist der gemeinsame Blick von Beschäftigten und Arbeitgebern auf die betriebliche Wirklichkeit. Ich finde es gut, dass wir uns mit den Arbeitgebern sehr nah an der Realität der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern treffen. Wir identifizieren also gemeinsam Risiken und empfehlen, natürlich nach Diskussionen, auch gemeinsame Maßnahmen. Diese sollen dazu dienen, die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.
Es gibt da ein gutes Beispiel. In ganz Europa setzen Pflegepersonal und Ärzt*innen Spritzen und immer wieder kommt es dabei zu Nadelstichverletzungen. Im Sozialen Dialog kam die Frage auf, wie man darauf vorbeugend Einfluss nehmen kann. Nachdem das Thema im Sozialen Dialog bearbeitet wurde, hat die EU-Kommission aus diesen Ergebnissen im Jahr 2010 die sogenannte Richtlinie zu Nadelstichverletzungen gemacht. Und diese EU-Richtlinie musste in der Folge in nationales Recht umgesetzt werden. Man fängt also klein an, in diesem Fall mit einer Stichverletzung, und über mehrere Etappen wird daraus dann nationales Recht für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Fast jeder zehnte Arbeitnehmer in den EU27-Staaten ist direkt im Gesundheitswesen beschäftigt. Das ist irre viel. Somit ist das Gesundheitswesen einer der bedeutensten Sektoren in der EU-Wirtschaft. Und ver.di ist für die Kolleg*innen im Gesundheitswesen die gewerkschaftliche Interessenvertretung in dem Bereich. Insofern haben wir als ver.di im Sozialen Dialog Krankenhäuser einen Stand als anerkannter Partner. Sowohl auf gewerkschaftlicher Seite, wie auch auf Arbeitgeberseite. Das gilt natürlich auch für andere Soziale Dialoge, in denen ver.di sich engagiert. Über den Sozialen Dialog Krankenhäuser kann ich noch sagen, dass wir als ver.di dort von Anfang an dabei waren und ihn geprägt haben.
Wir haben national große Herausforderungen zu stemmen: Fachkräftemangel, alternde Belegschaften, zunehmende Digitalisierung und daraus resultierende Qualifikationsbedarfe, Entlohnung und vieles mehr. Diese Themen berühren uns ja nicht nur in Deutschland als ver.dianer, sondern diese Probleme findet man in ganz Europa. Und um dafür Lösungen zu finden, muss man sich zusammen setzen. Für Deutschland nehmen mit mir noch vier weitere ehrenamtliche Kolleginnen und Kollegen am Sozialen Dialog Krankenhäuser teil. Wir versuchen unsere Probleme von der Basis nach oben zu transportieren, sozusagen bei den Entscheidungsträgern zu platzieren. Im Sozialen Dialog habe ich also eine zusätzliche Möglichkeit, die Dinge, auf die ich in meiner betrieblichen Arbeit als Personalrätin ohnehin achte, weiterzutragen.
Für uns als Gewerkschafter, und auch für ver.di, wird es eine zentrale Aufgabe sein, die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Gesundheitsleistungen zurückzudrängen. Soziale Dienste und Gesundheitswesen dürfen nicht den Wettbewerbsregeln der EU unterstellt werden. Derzeit wird das im Gesundheitswesen durch Privatisierung, Deregulierung und Ökonomisierung des Leistungsgeschehens begünstigt, bei einer gleichzeitigen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen werden zunehmend von großen privaten Konzernen aufgekauft. Und da geht es nicht darum, den Bürger*innen eine gute Behandlung oder eine gute Versorgung im Lebensalter zu gewährleisten. Sondern es geht ausschließlich darum, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Dem müssen wir unbedingt einen Riegel vorschieben.
Dann brauchen wir in Europa die Weiterentwicklung von sozialen Grundrechten und die Gleichstellung der Geschlechter. Außerdem sollten wir uns für eine stärkere Einbeziehung von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in die europäischen Rechtssetzungsprozesse einsetzen. Und zwar um ein Gegengewicht zum Lobbyismus der großen wirtschaftlichen Interessen zu bilden. Diese Herausforderungen haben es schon in sich. Um ihnen begegnen zu können, müssen wir als Gewerkschaft auch Bündnisse bilden. Im Krankenhausbereich zum Beispiel könnte man die Patienten in Aktionen und Kampagnen für eine bessere und sichere Versorgung miteinbeziehen.
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