Brasilien — Gesundheitsgewerkschaften klagen gegen Präsident Bolsonaro wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Bereits am 3. April 2020 wurde beim Internationalen Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag eine Klage gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht. Klägerin im Frühjahr war die Brasilianische Juristenvereinigung für die Demokratie (ABJD, Associação Brasileira de Juristas pela Democracia). In Brasilien begann sich zu diesem Zeitpunkt die Corona-Pandemie gerade rasant auszubreiten. Die Vereinigung warf Bolsonaro vor, das Leben der brasilianischen Bevölkerung zu gefährden. Bereits im November 2019 hatte ein Zusammenschluss von brasilianischen Anwälten und Menschenrechtsorganisationen den Internationalen Strafgerichtshof aufgefordert, Bolsonaro wegen Anstiftung zum Völkermord an der indigenen Bevölkerung Brasiliens anzuklagen.
Nun ist eine dritte Klage gegen Bolsonaro in Den Haag anhängig. Der Gewerkschaftsverband UNISaúde, der nach eigenen Angaben mehr als eine Million Beschäftigte im Gesundheitswesen vertritt, beschuldigt den als ultrarechts geltenden Präsidenten, "gravierende und tödliche Fehler" im Umgang mit der Corona-Pandemie gemacht zu haben.
Bolsonaro bezeichnete die Erkrankung, die der SARS-CoV-2-Virus auslöst, von Anfang an als "kleine Grippe", die Zahlen sagen etwas anderes: Brasilien verzeichnet mehr als 2,8 Millionen Infizierte sowie nahezu 96.000 Tote (Stand 5.8.2020) und ist damit nach den USA weltweit am zweitstärksten von der Pandemie betroffen. Unter den Toten sind laut Angaben der internationalen Gewerkschaftsföderation UNI Global Union rund 300 Pflegekräfte und 200 Ärzt*innen. Der klagende Verband der Gesundheitsgewerkschaften wirft Bolsonaro angesichts der Lage und seines Nichthandelns Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit vor. Beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gehen jährlich rund 800 Klagen ein. Der Strafgerichtshof entscheidet in jedem einzelnen Fall darüber, ob ein formelles Gerichtsverfahren eröffnet wird.
In Brasilien werfen mittlerweile auch 152 Bischöfe Bolsonaros Regierung Unfähigkeit vor. "Wir müssen einen wissenschaftsfeindlichen Diskurs miterleben, der die Tausenden von Toten als etwas Normales erscheinen lassen will, so als ob sie das Ergebnis eines Zufalls seien oder einer göttlichen Strafe", heißt es in einem gemeinsamen Brief, der Ende Juli zuerst in der Zeitung Folha de S. Paulo veröffentlicht wurde. In dem Brief heißt es weiter, dass die Regierung ebenso gleichgültig sei gegenüber dem aus der Pandemie folgenden wirtschaftlichen und sozialen Chaos. Ihr gehe es alleine um den Machterhalt.
Fakt ist, dass Bolsonaro die Pandemie von Anfang verharmlost und sich gegenüber Corona-Maßnahmen verweigert hat. In der Öffentlichkeit tritt er grundsätzlich ohne Schutzmaske auf. Bei ihm selbst wurde Covid-19 schließlich am 7. Juli festgestellt. Laut eigener Auskunft sei die Krankheit "milde" verlaufen. Doch obwohl er angeblich inzwischen wieder negativ getestet wurde, musste er zuletzt bekannt geben, dass seine Lunge noch schwächelt.
Petra Welzel
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
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