Ausbildungen in den Sozialen Berufen

Mehr Qualität braucht mehr Qualifikation

02.09.2021

„Bundeseinheitliche Standards in den Ausbildungen zu Erzieher*innen und zu Heilerziehungspfleger*innen sind längst überfällig und müssen in der nächsten Wahlperiode zügig umgesetzt werden“ So lautete die klare Botschaft auf der Veranstaltung zu den sozialen Berufen anlässlich des Thementages Gute Bildung, der am 31. August 2021 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ver.di wählt“ stattfand.

 
Thementag Gute Bildung: Tina Groll (Moderatorin), Sylvia Bühler (Mitglied im ver.di- Bundesvorstand), Anne-Marie Thies (Heilerziehungspflegerin)

In 90 spannungsgeladenen Minuten diskutierten Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, und ehrenamtliche ver.di-Kolleg*innen aus der Praxis mit Vertreter*innen der demokratischen Parteien. Thema der hybriden Veranstaltung war die Frage, wie die Ausbildungen in den sozialen Berufen attraktiv gestaltet werden können. Während um die 100 Teilnehmer*innen das Gespräch online verfolgten und sich über den Chat beteiligten, saßen die Erzieherin Janine Mion, die Heilerziehungspflegerin Anne-Marie Thies und der Lehrer Bernhard Friedsam live vor Ort, um den Politiker*innen von den Anforderungen im Arbeitsalltag zu berichten und ihre Forderungen für mehr Qualität zu unterstreichen.

Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl 2021 schienen sich die Vertreter*innen aller anwesenden Parteien einig darüber, dass die Kostenfreiheit der Ausbildung für Erzieher*innen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen muss, wenn die Attraktivität der Ausbildung gesteigert werden soll. Dazu bekennen sich auch die Parteien in ihren Wahlprogrammen. Für eine entsprechende Regelung in der Ausbildung zur Heilerziehungspflege zeigten sich die Parteienvertreter*innen in der Diskussion ebenfalls offen.

 

Während auf Bundesebene das Berufsbildungsgesetz (BBiG) die Rahmenbedingungen der klassischen dualen Ausbildungsgänge regelt, sind für die sozialen Berufe die einzelnen Bundesländer zuständig. Hier herrsche ein föderales Wirrwarr an Zuständigkeiten und Verordnungen, sagte Cansel Kiziltepe (SPD). Daher fordert ihre Partei „für die Erstausbildung grundsätzlich eine Kostenfreiheit, sei es für die duale Ausbildung, die sozialen Berufe oder für das Studium.“ Um die sozialen Berufe schnell aufzuwerten, forderte Norbert Müller (Die Linke) neben der Kostenfreiheit der Ausbildung auch eine Ausbildungsvergütung und wies gleichzeitig auf Probleme mit dem Bafög-System hin. Ein weiteres Konzept brachte Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) in die Diskussion ein. Für sie wäre alternativ zu einer Ausbildungsvergütung auch „eine nicht rückzahlbare Ausbildungsförderung“ denkbar. Und auch Matthias Seestern-Pauly (FDP) sprach sich für die Abschaffung des Schulgelds und eine Ausbildungsvergütung in den sozialen Berufen aus. Die Frage, wie Kostenfreiheit und Ausbildungsvergütung in den sozialen Berufen finanziert werden können, wurde lebhaft diskutiert, blieb im Gespräch mit den Parteivertreter*innen aber weitgehend offen. In der Frage der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern verwies Seestern-Pauly auf das Gute-Kita-Gesetz. „Dort gibt es einen Punkt, bei dem es um die Fachkräftegewinnung geht. Darüber könnten eventuell Mittel freigesetzt werden.“

 

Heftig diskutiert wurde darüber hinaus die Frage, wo die sozialen Berufe einzuordnen seien. Während sich Norbert Müller (Die Linke) ganz klar für eine Akademisierung der Erzieher*innenausbildung als langfristige Aufwertungsstrategie aussprach, um einer De-Professionalisierung vorzubeugen, hielt die Erzieherin Janine Mion dagegen. Unterstützung bekam sie hierbei von Nina Stahr. „Wir müssen Bildungspolitik immer von den Kindern aus denken und eine akademische Ausbildung ist nicht automatisch Garant für Qualität“, sagte die Grünen-Politikerin. Cansel Kizilitepe von der SPD sprach sich hingegen für eine Überführung der sozialen Berufe in das duale Ausbildungssystem aus, die Matthias Seestern-Pauly (FDP) wiederum nicht für „zielführend“ hielt. An diesem Punkt der Diskussion machte auch Sylvia Bühler deutlich, dass die sozialen Ausbildungen derzeit nicht eins zu eins in das Berufsbildungsgesetz (BBiG) zu überführen seien. ver.di hat daher zusammen mit Beschäftigten aus der Praxis und Ehrenamtlichen ein Positionspapier zum Bundeseinheitlichen Ausbildungsgesetz für den Beruf staatlich anerkannte*r Erzieher*in entworfen. „Das ist unser Plan, bis das Berufsbildungsgesetz umfassend reformiert wird,“ sagte das Mitglied aus dem ver.di-Bundesvorstand.

Im Verlauf der Veranstaltung wies die Heilerziehungspflegerin Anne-Marie Thies darauf hin, dass der Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe ihr in der Diskussion um die Ausbildungen in den sozialen Berufen fehle. „Um Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung zu gestalten, brauchen wir Heilerziehungspfleger*innen“, stellte sie klar. Und sie richtete eine klare Botschaft an die Politiker*innen: „Wir haben als HEP immer das Gefühl, dass wir nicht gesehen werden. Aber wir gehören auf die Prioritätenliste.“ ver.di hat bereits ebenfalls ein Diskussionspapier zu den Anforderungen an eine Reform der Ausbildung in der Heilerziehungspflege vorgelegt, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) antwortete, sie wolle diese Kritik mitnehmen und zukünftig ein stärkeres Augenmerk auch auf die Heilerziehungspfleger*innen richten.

 

Am Ende der Veranstaltung, bei der Sylvia Bühler und die ehrenamtlichen ver.di-Kolleg*innen ihre Anforderungen für gute Ausbildungsbedingungen in der Sozialen Arbeit gegenüber den Vertreter*innen der Politik deutlich gemacht haben, hatte die Gewerkschafterin noch eine Bitte: „Hört genau hin, was die Parteien sagen und geht wählen,“ wandte sie sich an die Teilnehmer*innen.

Der Livestream zum gesamten Thementag Gute Bildung ist auf YouTube abrufbar. Die Veranstaltung „Mehr Qualität braucht mehr Qualifikation - Ausbildungen in sozialen Berufen attraktiv gestalten“ fand am 31. August 2021, von 16:30h – 18:00h statt und ist im YouTube-Video ab Stunde 2:33h zu sehen.

 

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