In den letzten 20 Jahren hat sich in der Zahnmedizin viel verändert: Behandlungsmethoden und Instrumente haben sich rasant weiterentwickelt, digitale Medien prägen den Praxis- und Klinikalltag. Hinzu kommen neue Anforderungen bei Datenschutz, Qualitätsmanagement und Hygiene. „Deshalb war es höchste Zeit, auch die Berufsausbildung für Zahnmedizinische Fachangestellte zu modernisieren“, sagt die Zahnmedizinische Fach- und Verwaltungsangestellte Jana Schultz aus einer Praxis für Mund-, Kiefer-, Gesichts- und Oralchirurgie in Berlin. Zusammen mit Charlotte Galle-Zoehnel aus einer Zahnklinik in Erlangen hat sie sich für die neue Ausbildungsordnung stark gemacht. Ab 1. August werden die Auszubildenden danach ausgebildet. Die beiden Gewerkschafterinnen sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. „Dadurch wird der Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten attraktiver“, meint Charlotte. Allerdings sei es mit der Neuordnung auf dem Papier alleine nicht getan. Jetzt gelte es, die Qualität und die Bedingungen der Ausbildung im Berufsalltag auch tatsächlich zu verbessern.
Werden die Standards der dualen Berufsausbildung neu festgelegt, ist stets ver.di mit von der Partie. Schließlich weiß niemand besser als die Beschäftigten selbst, worauf es bei der Ausbildung im Berufsleben wirklich ankommt. Als vor drei Jahren die Frage nach einer Novellierung der Ausbildung für Zahnmedizinische Fachangestellte aufkam, suchte ver.di nach engagierten Gewerkschaftsmitgliedern, die sich ehrenamtlich in das sogenannte Neuordnungsverfahren einbringen wollten. Jana und Charlotte ließen sich von dem sperrigen Begriff nicht abschrecken, sondern hatten spontan Lust auf die neue Herausforderung. „Wenn man etwas verändern möchte, muss man auch was tun“, findet Jana. Und Charlotte betont: „Ich wusste, dass viel Arbeit auf uns zukommt, fand es aber auch total spannend.“
Die beiden ver.di-Mitglieder setzten sich zunächst in kleiner Runde mit hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär*innen aus dem Fachbereich und dem Bereich Bildungspolitik zusammen und erarbeiteten gemeinsam ihre Positionen: „Was ist uns wichtig?“ Anschließend wurde im großen Gremium ausgiebig über die Inhalte diskutiert. Unter Federführung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn waren außerdem Vertreter*innen der Arbeitgeberseite, des Kultus- und des Gesundheitsministeriums beteiligt. Einmal im Monat kam der Fachbeirat über Monate hinweg online zum Austausch zusammen. „Das war teilweise etwas trocken“, sagt Charlotte. „Wir kommen halt absolut aus der Praxis.“ Umso wichtiger sei es gewesen, immer wieder den Blick der Beschäftigten und der Auszubildenden in die Diskussion einzubringen. Beide loben den Austausch: „Es wurde sehr viel diskutiert.“
Jana arbeitet in einer Mund-, Kiefer-, Gesichts- und Oralchirurgie in Berlin, Charlotte in einer Zahnklinik in Erlangen. Von ihren Arbeitgebern wurden sie für die Sitzungen freigestellt, den Verdienstausfall übernahm das Bundesinstitut für Berufsbildung. Das Neuordnungsverfahren habe „ganz, ganz viel Zeit“ in Anspruch genommen, sagt Jana. „Aber es war auch eine super Abwechslung.“ Beide Gewerkschafterinnen sind stolz auf das Ergebnis. Wichtig ist ihnen zum Beispiel, dass die Abschlussprüfung künftig gestreckt wird. Bislang habe die Zwischenprüfung nur den Wissensstand zur Mitte der Ausbildung abgefragt, berichtet Jana. In Zukunft fließt die Note in die Abschlussnote ein. „Die Inhalte dürfen später nicht mehr geprüft werden“, sagt sie. „Das Thema ist mit der Zwischenprüfung abgeschlossen.“ Eine große Erleichterung für die Auszubildenden.
Auch wichtig: Künftig wird ein größerer Schwerpunkt auf Fremdsprachen gesetzt. Zudem legte Charlotte aufgrund ihrer eigenen Berufserfahrung viel Wert darauf, dass Nachwuchskräfte in Zahnkliniken nach den gleichen Standards ausgebildet werden wie in Praxen. So fällt es Zahnmedizinischen Fachangestellten leichter, die Stelle zu wechseln. Die Einsatz- und Karrieremöglichkeiten von Zahnmedizinischen Fachangestellten sind vielfältig und wurden von beiden Kolleginnen stets im Blick behalten. Neu als Inhalt in die Ausbildungsordnung kam zudem die Medizinprodukteaufbereitung hinzu.
Allerdings sind sich die Gewerkschafterinnen einig, dass es mit einer guten Ausbildungsordnung auf dem Papier alleine nicht getan ist. Seit Jahren beklagen Zahnmedizinische Nachwuchskräfte im DGB-Ausbildungsreport die schlechten Ausbildungsbedingungen. Zu oft werden Auszubildenden als billige Fachkräfte ausgenutzt. Zudem hapert es sowohl an Anleitung im Betrieb als auch an qualifiziertem Ausbildungspersonal. Die Ausbildungsqualität muss dringend steigen, damit der Beruf attraktiv bleibt und die Fachkräfte lange im Beruf arbeiten wollen. Jetzt kommt es also darauf an, dass die neue Ausbildungsordnung im Berufsalltag gut umgesetzt wird. Deshalb arbeitet Charlotte aktuell beim Bundesinstitut für Berufsbildung an einer Umsetzungshilfe mit. „Quasi eine Gebrauchsanweisung“, erklärt die Gewerkschafterin. Die Broschüre richtet sich in erster Linie an Ausbilder*innen und gibt konkrete Tipps. „Wir müssen Werbung für die neue Ausbildungsordnung machen.“
Eine gute Ausbildung erfordert allerdings auch eine gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. „Das ist der Knackpunkt“, sagt Charlotte. „Eine Familie lässt sich mit dem Einstiegsgehalt von Zahnmedizinischen Fachangestellten nicht ernähren“, meint Jana. Zumal gerade Angestellten in kleinen Zahnarztpraxen oft auch rechtliche Mindestansprüche bei Urlaub und Überstunden verwehrt werden. Charlotte kritisiert ebenfalls, dass Zahnmedizinische Fachangestellte für ihre qualifizierte Tätigkeit mit häufig langen Arbeitszeiten „definitiv zu wenig Geld“ verdienten. Das sei schade. „Der Beruf ist toll“, betont die Gewerkschafterin. „Die Arbeit macht viel Spaß, aber die äußeren Umstände stimmen nicht.“ Diese Missstände lassen sich nur gemeinsam beheben. Deshalb gilt: Je mehr Zahnmedizinische Fachangestellte sich bei ver.di zusammenschließen, desto bessere Arbeitsbedingungen lassen sich durchsetzen.
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