Dieser Tage ist wieder viel vom Fachkräftemangel in der Pflege die Rede, als handle es sich um ein Naturereignis. Gerne würde man mehr Pflegefachkräfte beschäftigen, leider gebe der Markt sie nicht her. Alsbald wird eine Offensive für Pflegehilfskräfte gestartet, als könne man dadurch den Mangel beheben. Das Ganze wird dann noch wissenschaftlich unterlegt und als Aufwertung der Pflegefacharbeit verschleiert – obwohl es eigentlich eine Abwertung darstellt. Pflegefacharbeit soll von Pflegehilfskräften verrichtet werden, was dann zufällig auch noch billiger ist als Pflegefachkräfte auszubilden und ihnen nach der Ausbildung bessere Einkommen und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Dass es sich bei dem Fachkräftemangel nicht um ein Naturereignis handelt, beweist ein Blick in die jüngere Geschichte und auf die aktuellen Daten zur Ausbildungsentwicklung. An den Stellenabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser nach Aufhebung der Pflegepersonalregelung (PPR) im Umfang von 50.000 Vollkraftstellen sei hier nur erinnert. Der Stand von 350.000 Stellen ist bis heute nicht wieder erreicht, während die Verweildauer auf die Hälfte verkürzt und die Fallzahlen um rund 20 Prozent erhöht wurden. Der Personalabbau betraf überproportional Pflegehilfskräfte.
Im Zuge des Stellenabbaus wurden auch knapp 10.000 Ausbildungsplätze in der Krankenpflege abgebaut. Der Stand von 65.707 besetzten Ausbildungsplätzen im Jahr 1998 war mit 64.512 im Jahre 2018 noch nicht wieder erreicht.
Der stets beklagte Fachkräftemangel in Krankenhäusern ist also zu großen Teilen selbst verursacht. Die in den Krankenhäusern bestehenden Ausbildungspotenziale werden auch jetzt nicht ausgeschöpft. Von den etwa 2.000 Krankenhäusern verfügt nicht einmal die Hälfte über bewilligte Ausbildungsplätze. Von den 70.419 bewilligten Ausbildungsplätzen in der allgemeinen Krankenpflege waren 2018 gerade mal 60.557 besetzt.
Von 23.648 Auszubildenden, die nach sorgfältiger Auswahl in Bewerbungsverfahren ihre Ausbildung im Jahre 2016 begonnen haben, konnten drei Jahre später nur 16.107 ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Das entspricht einer Schwundquote von 31,89 Prozent – also fast einem Drittel. In der Altenpflege sieht es mit einem Anteil von 28,51 Prozent nicht besser aus. Selbst die Schwundquote von etwa 20 Prozent in der Kinderkrankenpflegeausbildung kann nicht zufriedenstellen.
Die Gründe für die vorzeitige oder nicht erfolgreiche Beendigung der Ausbildung sind unterschiedlich. Etwa die Hälfte dieser Gruppe darf die begonnene Ausbildung nach der Probezeit nicht fortsetzen oder bricht sie freiwillig während oder nach der Probezeit ab. Das kann an den Leistungsanforderungen liegen, oder auch an unbefriedigenden Bedingungen in der praktischen Ausbildung. Ein kleiner Teil bricht die Ausbildung ab, um ein bereits zuvor geplantes Studium aufzunehmen.
Von den Auszubildenden, die ihre Ausbildung erfolgreich zu Ende führen und zur staatlichen Prüfung zugelassen werden, blieben beispielsweise in Nordrhein-Westfalen noch einmal rund zehn Prozent in der Prüfung auf der Strecke.[1] Bundesweit sind genauere Zahlen hierzu nicht verfügbar. Der Anteil der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen, die vom Träger der Ausbildung übernommen wurden, lag in NRW nicht einmal bei 50 Prozent.[2]
Will man dem Fachkräftemangel ernsthaft begegnen, so werden neben einer Verbesserung der Vergütung und Arbeitsbedingungen auch größere Anstrengungen unternommen werden müssen, Auszubildende zu einem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung zu führen. Das gilt erst Recht für die neue Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz, bei der auf Grund einer verschärften Fehlzeitenregelung und ausgefeilterer Prüfungsverfahren mit Zwischenprüfung und Vornoten eher mit einer noch geringeren Erfolgsquote zu rechnen ist als bisher.
Gerd Dielmann
[1] Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2017. Situation der Ausbildung und Beschäftigung. Düsseldorf, Januar 2019, S. 258
[2] ebenda S. 259
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