Eine gute Ausbildung ist der Schlüssel, Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen und im Beruf zu halten. Beschäftigte und Auszubildende erklären, was dafür nötig ist.
»Es braucht viel mehr Praxisanleitung. Auf meiner aktuellen Station gibt es keinen qualifizierten Praxisanleiter. Stattdessen habe ich zentrale Praxisstunden, die die strukturierte Anleitung im praktischen Einsatz aber nicht ersetzen können. Natürlich kann ich mir auch von anderen Examinierten etwas zeigen lassen, aber im Alltagsstress ist das oft schwierig. Generell finde ich, dass es uns Auszubildenden gegenüber zum Teil an Respekt fehlt. Man wird als Aushilfskraft behandelt und wenn man sagt, dass es in der Pflegeschule fachlich anders vermittelt wird, heißt es: ›Das war schon immer so – pass dich an.‹ Wegen solcher Bedingungen brechen manche ab, andere wegen sprachlicher oder individueller Probleme. Hier müsste es mehr Unterstützung geben. Von den 40 Leuten, mit denen ich im Kurs begonnen habe, sind nach einem Jahr weniger als 30 übrig.«
Franziska H. macht seit einem Jahr eine Ausbildung zur Pflegefachfrau.
»Entscheidend ist eine gute Anleitung. Bei uns hat sich da in den vergangenen Jahren einiges getan. In der Pflege wurde ein Team von zentralen Praxisanleitern aufgebaut, die zu uns in die Einsatzbereiche kommen und vor Ort anleiten. Auch die Stationen selbst haben Praxisanleiter, was aber leider nicht immer so gut funktioniert. Mal passen ihre Schichten nicht zu denen der Auszubildenden, mal macht uns die dünne Personaldecke einen Strich durch die Rechnung. Richtig gut finde ich, dass wir zwei Ausbildungsstationen haben, mit ganz normalen Patientinnen und Patienten. Sie werden interdisziplinär und weitgehend eigenständig von Auszubildenden und Studierenden geführt. Praxisanleiter sind dort immer vor Ort und man lernt sehr viel. Das ist wichtig, denn wer mit seiner Ausbildung zufrieden ist, bleibt eher da.«
Amelie B. ist studierte Pflegekraft und in der Jugend- und Auszubildendenvertretung aktiv.
»Die Pflegeausbildung ist sehr anspruchsvoll – sowohl im schulischen als auch im praktischen Teil. Manche unterschätzen das. Wichtig ist, Auszubildende individuell zu unterstützen, wenn sie zum Beispiel in bestimmten Fächern Schwierigkeiten haben. Und es braucht Zeit für strukturierte Praxisanleitung. Das kann nicht nur nebenher laufen. Es hilft, dass laut Pflegeberufegesetz zehn Prozent Praxisanleitung nachgewiesen werden müssen. Bei uns kommt der Tarifvertrag Entlastung hinzu, der 15 Prozent und die Freistellung der Anleiter*innen festschreibt. Dadurch können wir selbstbewusster einfordern, dass wir uns auch im hektischen Stationsalltag Zeit für die Auszubildenden nehmen. Das ist gerade bei denjenigen wichtig, die am Beginn ihrer Ausbildung stehen und oft noch überfordert sind. Wenn wir neue Fachkräfte gut ausbilden und sie bleiben, bringt das Entlastung für alle.«
Christine L. ist Krankenschwester und Praxisanleiterin auf einer Intensivstation.
»Mehr Planbarkeit würde die Ausbildung attraktiver machen. Ich erfahre erst donnerstags, wie ich in der nächsten Woche arbeite. Wie soll man so sein Privatleben organisieren? Die Lehrkräfte sollten pädagogisch fortgebildet sein – was leider oft nicht der Fall ist. Nicht jeder, der die fachlichen Kenntnisse hat, kann sie auch gut vermitteln. Gleiches gilt für die Praxisanleitung. Wenn einem nicht richtig gezeigt wird, wie es geht, dann hängt man in der Luft und macht Fehler. Das ist kein schönes Gefühl. Wie in der Pflege sollte auch in den Therapieberufen strukturierte Anleitung durch qualifizierte Anleiter*innen verpflichtend sein. Bei uns sind von den anfangs 22 Auszubildenden noch 17 übrig. Zwei sind einen Kurs runtergegangen, drei haben aus unterschiedlichen Gründen ganz aufgehört. Klare Ansprechpartner, an die man sich bei Problemen wenden kann, wären hilfreich.«
Eine Auszubildende in der Physiotherapie
Mehr als eine/r von drei Auszubildenden, die 2019 in Nordrhein-Westfalen ihre Ausbildung in der Kranken- oder Kinderkrankenpflege begonnen haben, haben diese 2022 nicht abgeschlossen. Die schon seit längerem wachsende Zahl der Ausbildungsabbrüche in der Pflege in NRW ist damit zuletzt nochmal deutlich gestiegen. Bundesweite Zahlen liegen nicht vor, ebenso wenig genaue Untersuchungen über die Ursachen. Zwar nimmt auch in anderen Ausbildungsberufen der Anteil der Abbrüche zu, doch liegt dieser mit durchschnittlich 29,5 Prozent weitaus niedriger als in der Pflege. Ein Alarmsignal!