Die Beschäftigten der hessischen Hochschulen drücken beim Thema Befristungen auf die Tube. »Tempo machen bei Entfristung« – unter diesem Motto gingen sie gemeinsam mit Studierenden am Dienstagmittag (17. Januar 2023) an den Hochschulstandorten Frankfurt, Kassel, Gießen, Marburg, Fulda und Darmstadt auf die Straße. Die politisch Verantwortlichen im Land müssten endlich ernst machen mit der deutlichen Ausweitung unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen, so der Tenor der von ver.di, GEW, unbefristet-Initiativen und Studierendenvertretungen organisierten Proteste, an denen sich insgesamt über 600 Menschen beteiligten. Bei einem zeitgleich in Frankfurt am Main stattfindenden Gespräch mit Vertreter*innen des hessischen Wissenschaftsministeriums wurde jedoch klar, dass die politisch Verantwortlichen aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf sehen.
»Die Landesregierung lobt sich für ihre bisherigen Maßnahmen. Dabei sind diese unverbindlich und völlig unzureichend, um das Problem der massenhaften Befristungen auch nur ansatzweise anzugehen«, erklärte Gabriel Nyc, der bei ver.di in Hessen für Hochschulen zuständig ist, im Anschluss an das Gespräch, das im Zuge der Tarifeinigung in Hessen 2021 vereinbart worden war. Zwar hat die schwarz-grüne Landesregierung einen »Kodex für Gute Arbeit« und »Zielvereinbarungen« mit den Hochschulen geschlossen, diese sind jedoch unverbindlich und würden auch bei voller Umsetzung das Befristungsunwesen kaum eindämmen.
»Trotz vieler warmer Worte hat sich an der skandalösen Befristungssituation in der Praxis nichts Grundlegendes geändert«, kritisierte der Sprecher der ver.di-Landesfachkommission Hochschulen, Mathis Heinrich. Weiterhin seien über 80 Prozent des wissenschaftlichen und rund 20 Prozent des administrativ-technischen Personals auf Zeit angestellt. »Freiwillige Selbstverpflichtung funktioniert offensichtlich nicht. Es braucht verbindliche Maßnahmen«, betonte der Gewerkschafter und Personalrat von der Universität Marburg.
Frauke Banse, die als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Uni Kassel arbeitet, machte deutlich, dass die Folgen der Befristungen alle treffen und der Qualität von Forschung und Lehre schaden. »Die Befristeten unter uns wissen nicht, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Freundschaften, Familie, Sorgearbeit leiden darunter«, berichtete sie. Auch Studierende hätten unter befristeten Arbeitsverträgen zu leiden, »weil die Betreuung von Haus- und Abschlussarbeiten wegbrechen, die Lehre vernachlässigt wird, sich Zuständigkeiten ständig verschieben und keine stabilen pädagogischen Beziehungen aufgebaut werden können.« Die hohe Quote an Studienabbrüchen sei vermutlich auch dadurch zu erklären.
Vor diesem Hintergrund schlossen sich auch die Vertreter*innen der Studierenden der Forderung nach Eindämmung der Befristungen beim Hochschulpersonal an. Zudem verwiesen sie auf die prekäre soziale Lage vieler Studierender, die die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten kaum noch decken könnten. Bereits 2021 hätten 40 Prozent der Studierenden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Armut gelebt. Infolge der Corona-Krise und der aktuellen Preisexplosion habe sich die Situation weiter verschärft. Die Landes-ASten-Konferenz, der Zusammenschluss der Studierendenvertretungen in Hessen, forderte die Landesregierung auf, Hochschulschließungen aufgrund gestiegener Energiekosten zu verhindern, Mensapreise und Mieten in Wohnheimen zu senken, ein günstiges landesweites Semesterticket einzuführen und den Verwaltungskostenbeitrag für Studierende abzuschaffen.
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Mehr als 1.000 Beschäftigte der Uni Göttingen haben per Unterschrift einen »Tarifvertrag Entfristung« gefordert. Die »ausufernde Befristungspraxis« sowohl in der Wissenschaft als auch in Technik und Verwaltung schaffe »unhaltbare Zustände«, heißt es in der von »Uni Göttingen Unbefristet« initiierten Petition. Die Unterzeichnenden fordern »eine verbindliche Regelung zur umfassenden Entfristung des wissenschaftlichen, technischen und administrativen Personals einschließlich sogenannter Qualifikationsstellen«. uni-goettingen-unbefristet.de
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