Die BGW ist die gesetzliche Unfallversicherung für nicht staatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege. Sie ist Teil der deutschen Sozialversicherungssysteme und führt ihre Aufgaben in eigener Verantwortung aber unter staatlicher Aufsicht durch.
Die Berufsgenossenschaften gehen zurück auf das ausgehende 19. Jahrhundert und stehen im Zusammenhang mit der Sozialgesetzgebung unter dem damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck. Die Sozialgesetzgebung sollte die Not und das Elend der Arbeiterinnen und Arbeiter lindern und damit sozialen Unruhen vorbeugen.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die kooperativen Genossenschaften wurden mit dem Unfallversicherungsgesetz geschaffen, das im Herbst 1885 in Kraft trat. Diese Genossenschaften waren als selbstverwaltete Zusammenschlüsse von Unternehmern, den so genannten Berufsgenossen, gedacht. Die Berufsgenossenschaften waren und blieben jedoch ausschließlich Träger der Unfallversicherung. Bereits 1886 erließen die Berufsgenossenschaften die ersten Unfallverhütungsvorschriften.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) entstand 1929 als die neunundsechzigste gewerbliche Berufsgenossenschaft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte in Westdeutschland der Gesetzgeber nach und nach das Aufgabengebiet der Berufsgenossenschaften. Unabhängig davon bemühten sich die Berufsgenossenschaften aber auch selbst, ihr System der Unfallverhütung weiter zu vervollkommnen und die Unternehmen durch eine Vielzahl von neuen, immer detaillierteren Unfallverhütungsvorschriften zu mehr Arbeitssicherheit anzuhalten.
Die Wiedervereinigung im Jahr 1990 brachte auch für die Berufsgenossenschaften Veränderungen mit sich: Die seit dem Zweiten Weltkrieg nur in Westdeutschland tätigen Berufsgenossenschaften dehnten ihre Zuständigkeit auf das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aus. Nach einer Organisationsreform der gesetzlichen Unfallversicherung ist die BGW nun eine der neun Berufsgenossenschaften in Deutschland.
Die vorrangige Aufgabe der BGW ist die Prävention. Wie andere Berufsgenossenschaften auch, richtet die BGW den Blick auf die Verhinderung von Arbeitsunfällen. Daneben stehen Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren im Fokus der BGW. Kommt es dennoch zu einem Unfall, sichert die BGW, dass der oder die Betroffene optimal medizinisch behandelt wird, dass er oder sie eine angemessene Entschädigung bekommt. Zudem sorgt die BGW dafür, dass ihre Versicherten wieder am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Daneben berät die BGW Unternehmen in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie erlässt zudem Vorschriften, die Unfälle verhüten sollen und überwacht, ob diese Vorschriften eingehalten und umgesetzt werden. Dazu gehört es auch, die Unternehmen und die Beschäftigten in allen Fragen der Unfallverhütung oder der Prävention von Berufskrankheiten zu schulen. Festgehalten sind die Aufgaben der BGW, wie die anderer Berufsgenossenschaften, im Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Die Berufsgenossenschaften sind nach Branchen gegliedert. Die BGW ist für über sieben Millionen Versicherte in fast 600.000 Unternehmen zuständig und gehört damit zu Deutschlands größten Berufsgenossenschaften.
Als gesetzliche Unfallversicherung ist die BGW zuständig für Unternehmen im Gesundheits- und Veterinärwesen sowie in der Wohlfahrtspflege; für Laboratorien, Forschungsunternehmen im medizinischen Bereich, für Pflegeeinrichtungen und Unternehmen, die Röntgeneinrichtungen verwenden; aber auch für Unternehmen des Friseurhandwerks und der Haarbearbeitung; Kosmetikunternehmen; Badeeinrichtungen und für Kindertageseinrichtungen, einschließlich solcher der dazugehörigen beruflichen Aus- und Fortbildung.
Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung kommt die BGW immer dann ins Spiel, wenn während der Arbeitszeit oder der Fahrt zur oder von der Arbeit ein Unfall geschieht und der Arbeitnehmer verletzt wird. Die Berufsgenossenschaft ist auch dann Ansprechpartner, wenn ein Beschäftigter als Folge seiner beruflichen Tätigkeit erkrankt, wenn zum Beispiel die Desinfektionsmittel, die im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen verwendet werden müssen, chronische Hautausschläge verursachen.
Wenn sich ein Arbeitsunfall ereignet oder wenn ein Versicherter an einer Berufskrankheit erkrankt, muss die Berufsgenossenschaft den Gesundheitsschaden beseitigen oder zumindest bessern, beziehungsweise dafür sorgen, dass die Krankheit sich nicht verschlimmert.
Weil trotz aller Vorsicht jederzeit ein Unfall geschehen oder trotz aller Vorbeugungsmaßnahmen eine Berufskrankheit entstehen kann, ist die Berufsgenossenschaft für jeden Beschäftigten der Branche da und von immenser Bedeutung.
Allerdings: Oft ist unter den Beschäftigten nur wenig darüber bekannt, wie die Berufsgenossenschaften sich für die Gesundheit der Beschäftigten der jeweiligen Branche stark machen. Umfragen haben zwar ergeben, dass die Mehrzahl der Versicherten, die eine Berufsgenossenschaft kennen, mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Allerdings geht die Zufriedenheit durchaus zurück, wenn die Berufsgenossenschaft die beantragten Leistungen nicht gewährt – zum Beispiel, wenn die Berufsgenossenschaft eine Erkrankung nicht als Berufskrankheit anerkennen kann.
Leistungen: Bei einem Arbeitsunfall kommt die Berufsgenossenschaft nicht nur für die medizinische Rehabilitation, sondern auch für die berufliche und soziale Rehabilitation auf. Das heißt: Die Berufsgenossenschaft muss dem Versicherten einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben sichern. Sie stellt Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens, zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sowie zur Unterstützung eines möglichst selbständigen Lebens bereit. Ist der Versicherte auf Grund eines Unfalls oder einer Berufskrankheit pflegebedürftig, so erbringt die Berufsgenossenschaft die gleichen Leistungen wie die Pflegeversicherung.
Während der unfall- oder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unterstützen die Berufsgenossenschaften die Versicherten mit Verletztengeld. Sind Versicherte auf Grund des Unfalls oder der Berufskrankheit dauerhaft und erheblich in ihrer Gesundheit geschädigt, erhalten sie von der Berufsgenossenschaft eine einkommensabhängige Rente. Dabei gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“.
Die Berufsgenossenschaft darf erst dann eine Rente zahlen, wenn eine weitere medizinische Behandlung keinen Erfolg verspricht. Verstirbt ein Versicherter infolge des Unfalls oder der Berufskrankheit, zahlen die Berufsgenossenschaften auch Rente, Sterbegeld und gegebenenfalls Überführungskosten an seine Hinterbliebenen.
Die BGW finanziert sich über Beiträge der Unternehmen. Die Versicherten zahlen keinen Beitrag. Somit unterscheiden sich die Berufsgenossenschaften zum Beispiel von der Krankenversicherung, der Rentenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung, die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erheben.
Im Gegenzug haften die Unternehmer bei Arbeitsunfällen oder arbeitsbedingten Erkrankungen nicht gegenüber den Beschäftigten. Die Beschäftigten haben somit keine Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer. Sie müssen sich an die Berufsgenossenschaft wenden. Dieser Grundsatz besteht seit Inkrafttreten des ersten Unfallversicherungsgesetzes im Jahr 1885. Er ist kennzeichnend für die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland.
Die Berufsgenossenschaften erheben die Beiträge im Umlageverfahren. Die Unternehmer werden dabei jeweils zu Beginn eines Jahres für die im vergangenen Jahr entstandenen Kosten in Anspruch genommen. Es ist allerdings üblich, dass die Berufsgenossenschaften zur Zwischenfinanzierung Beitragsvorschüsse erheben.
Die Höhe der Beiträge richtet sich dabei unter anderem nach der durchschnittlichen Unfallgefahr in der jeweiligen Branche. Die Berufsgenossenschaften setzen dazu Gefahrtarife fest, in denen die einzelnen Gewerbezweige so genannten Gefahrklassen zugeordnet werden. Die Gefahrklassen spiegeln das Versicherungsrisiko wider, das in dem jeweiligen Gewerbezweig besteht. So ist beispielsweise die Gefahrklasse für Dachdecker höher als die für Büroangestellte.
Ein weiterer Faktor bei der Beitragsberechnung ist die so genannte Lohnsumme, das heißt die Summe der vom Unternehmer an seine Beschäftigten gezahlten Arbeitsentgelte. Branchen mit geringen Arbeitsentgelten zahlen auch geringere BG-Beiträge, während lohnintensive Gewerbezweige höhere Beiträge entrichten müssen.
Einige Berufsgenossenschaften erheben darüber je nach Schadensentwicklung auch Beitragsaufschläge oder gewähren Beitragsnachlässe. Die Unternehmer sollen durch diese Maßnahmen dazu bewegt werden, die Arbeitssicherheit in ihrem Unternehmen zu verbessern.
Die Berufsgenossenschaften – und damit auch die BGW – basieren auf dem Prinzip der Selbstverwaltung und verfügen über drei Organe: Die Vertreterversammlung, den Vorstand und den hauptamtlichen Geschäftsführer.
Die Vertreterversammlung ist sozusagen das Parlament der BGW. Sie ist zuständig für die Satzung, die Unfallverhütungsvorschriften, die Dienstordnung, den Gefahrtarif und den Haushaltsplan.
Die Vertreterversammlung ist paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und Vertretern der versicherten Beschäftigten besetzt. Die Mitglieder der Vertreterversammlung sind ehrenamtlich tätig. In der Regel werden sie von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften entsandt.
Die Vertreterversammlung wählt aus ihrer Mitte den Vorstand. Der Vorstand ist die Verwaltungsspitze. Er erlässt Richtlinien für die Führung der Verwaltungsgeschäfte, unterstützt die Geschäftsführung und vertritt die Berufsgenossenschaft nach außen. Wie die Vertreterversammlung ist auch der Vorstand paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt.
Der hauptamtlich tätige Geschäftsführer leitet die laufenden Verwaltungsgeschäfte. Ihm untersteht unmittelbar der gesamte Verwaltungsapparat.
Selbstverwaltung ist das Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger bei der Erfüllung von Staatsaufgaben. Für die Berufsgenossenschaften bedeutet dies, dass gewählte, ehrenamtlich tätige Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten die generellen Angelegenheiten des Versicherungsträgers in eigener Verantwortung erfüllen. Sie entscheiden zum Beispiel, was in der Prävention auf der Agenda ganz oben steht. Und sie entscheiden über den Haushalt und überprüfen die Ausgaben.
Eine der wichtigsten Kontrollfunktionen der Selbstverwaltung zeigt sich beispielsweise in der Mitarbeit in den Widerspruchsausschüssen. Wird von einem Versicherten gegen einen Bescheid Widerspruch eingelegt, prüfen die ehrenamtlich tätigen Arbeitgeber- und Versichertenvertreter die getroffenen Verwaltungsentscheidungen.
Die Selbstverwaltung in der Berufsgenossenschaft wird alle 6 Jahre im Rahmen der sogenannten Sozialwahlen neu gewählt. Die rechtlichen Einzelheiten zu den Sozialwahlen stehen in den § 43 ff. des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV).
Die Sozialwahl soll den Versicherten und Arbeitgebern die Mitbestimmung über die Arbeit der Berufsgenossenschaft ermöglichen. Die Wahl ist frei und geheim und erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Das ist aus den Bundestagswahlen bekannt. Es handelt sich also um eine Listenwahl. Die Wähler wählen dann primär oder ausschließlich zwischen diesen Listen.
Die Sitze werden möglichst genau im selben Verhältnis zugeteilt, wie abgestimmt wurde. Zur Wahl stellen sich bei der als Listenwahl durchgeführten Sozialwahl in der Regel Gewerkschaften, andere Arbeitnehmervereinigungen und Einzelbewerber.
Gesetzlich unterschieden wird zwischen einer Wahl mit Wahlhandlung, bei der die Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben können und einer Wahl ohne Wahlhandlung, der sogenannten „Friedenswahl“.
Zu dieser kommt es, wenn nur eine Vorschlagsliste eingereicht wird oder wenn auf mehreren Vorschlagslisten insgesamt nicht mehr Kandidaten benannt werden, als Mitglieder für die Selbstverwaltung zu wählen sind. In diesem Fall gelten die vorgeschlagenen Kandidaten und Kandidatinnen ohne weitere Wahlhandlung mit Ablauf des Wahltages als gewählt.
Über das Wahlverfahren wacht der beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angesiedelte Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen. Er erlässt die Durchführungsbestimmungen für die Wahl, kontrolliert und informiert in geeigneter Weise die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Sozialwahlen.
Die BGW hat in den vergangenen Jahren das Thema Haut auf ihre Agenda gesetzt. Sie machte sich dafür stark, dass Beschäftigte, die immer wieder mit Chemikalien umgehen müssen – wie Schwestern und Pfleger in den Kliniken, aber auch Friseure und Friseurinnen – bei der Arbeit Handschuhe tragen. Sie machte sich zudem dafür stark, dass die Handschuhe aus hautverträglichen Materialen hergestellt werden, damit die Handschuhe einerseits von den Beschäftigten akzeptiert und getragen werden. Und andererseits, damit die Handschuhe nicht selbst wieder Unverträglichkeiten hervorrufen.
Über die Friedenswahl schickt ver.di Kolleginnen und Kollegen in die Vertreterversammlung. Über das Engagement der Kolleginnen und Kollegen trägt ver.di damit dazu bei, dass die Beschäftigten bei einem Unfall oder bei einer Berufskrankheit Hilfe erhalten. Und ver.di und die Kolleginnen und Kollegen sorgen dafür, dass in Prävention investiert wird – damit es erst gar nicht zu einem Unfall kommt.
Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Arbeits- und Gesundheitsschutz
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