Tödliche Therapieliegen

18.01.2019

Beharrlichkeit der ver.di-Selbstverwalter*innen lohnt sich!
 
2016 und 2017 ereigneten sich zwei tragische Arbeitsunfälle von Reinigungskräften. Beide endeten tödlich, beide hatten mit elektrisch höhenverstellbaren Therapieliegen zu tun: beim Reinigen unterhalb der Liegen betätigten die Kolleginnen versehentlich den Auslöser für die Absenkung, wurden eingeklemmt und konnten sich nicht mehr befreien. Beide wurden erst am nächsten Morgen von den Betreibern der Praxen aufgefunden. Jede Hilfe kam zu spät.

 
Unfall bei Reinigungsarbeiten Achtung: Einklemmgefahr an Massageliegen

Sperrboxen

Die Liegen waren als Scherenhubtische konstruiert und sie waren teilweise mit einer sog. Sperrbox ausgestattet. Die Box soll durch eine Unterbrechung der Stromzufuhr das versehentliche Betätigen des Hubmechanismus verhindern. Ziel ist, dass ausschließlich autorisierte Personen die Höhenverstellung in Gang setzen können. Allerdings war der Schaltschlüssel nicht – wie vorgesehen – aus der Sperrbox entfernt, der Strom konnte fließen.

Maßnahmen der BGW

Natürlich hatte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bereits einige Maßnahmen ergriffen, um vor den Gefahren zu warnen und weitere Unfälle zu verhindern: Verstärkung der Betriebsbesichtigungen (ca. 1.000), Briefe und Mailings an ca. 150.000 einschlägige Betriebe, Webartikel, Pressemitteilungen, Veröffentlichungen in der Mitgliedszeitschrift, die Information anderer Unfallversicherungsträger und die Einbeziehung der obersten Landesbehörden, die die Aufsicht führen. Aus Sicht der Selbstverwalter*innen bei der BGW war das viel, aber nicht ausreichend.

 

Erste Erfolge

Daher drängten die Mitglieder der Selbstverwaltung – das sind vor allem Kolleg*innen von ver.di! – bei den Verantwortlichen der BGW auf weitere Maßnahmen. Hier sind nun erste Erfolge zu vermelden. Sie wurden bei einem „Runden Tisch“ erzielt, der alle wichtigen Akteur*innen rund um die Therapieliegen versammelte. Das Gespräch fand Anfang 2019 statt. Teilgenommen haben Betreiber, Hersteller, Aufsichtsbehörden, Politik, Unfallversicherungsträger und weitere Expert*innen. Die Moderation hatte die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN). Das Gespräch kam u.a. auf Initiative der ver.di-Kolleginnen und Kollegen zustande.

 

Welche Ergebnisse wurden erzielt?

  • Es war allein schon ein Erfolg, dass ein Gespräch mit einem so heterogenen Teilnehmerkreis stattgefunden hat.
  • Alle waren sich einig, dass die Sperrboxen nur die zweit- oder drittbeste Lösung darstellen.
  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat zugesagt, seine Empfehlung zu den Therapieliegen aus dem Jahr 2004 bis zur Jahresmitte 2019 zu überarbeiten und zu ergänzen – unter Beteiligung der BGW und der Länder (Aufsicht).
  • Unter Federführung der BGW wird eine Expert*innengruppe zu den Bestandsliegen gebildet, die alternative technische Lösungen erarbeiten soll. Hier sind auch die ver.di-Selbstverwalter*innen der BGW beteiligt.
  • Zur Verbesserung der technischen Anforderungen an neue Therapieliegen wird es eine Normungsinitiative auf europäischer/internationaler Ebene geben. Dazu findet bereits im Februar 2019 ein Vorbereitungstermin statt.
  • Um die Ziele bei der Beratungs- und Überwachungstätigkeit in Betrieben mit Therapieliegen enger abzustimmen, finden kurzfristig Gespräche zwischen BGW und den aufsichtführenden Länderbehörden statt.
  • Die gemeinsam verabredete Zielperspektive ist, im Lauf von 2019 wesentliche Fortschritte bei den Bestandsliegen und auch bei der Normungsinitiative (für neue Liegen) zu erzielen.

Die Moderation von Seiten der KAN hatte das interdisziplinäre Fachgespräch unter das Motto gestellt: „In eine gemeinsame Richtung reisen“. Die Umsetzung ist aus unserer Sicht gelungen. Jedenfalls sind die BGW und auch die Arbeitnehmerseite der Selbstverwaltung in der BGW mit den Ergebnissen sehr zufrieden!

von Dr. Herbert Deppisch
Alternierender Vorsitzender im Präventionsausschuss der BGW für ver.di

 

Kontakt

  • Dietmar Erdmeier

    Be­rufs­ge­nos­sen­schaft Ge­sund­heits­dienst und Wohl­fahrts­pfle­ge (BGW), Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz

    030/6956-1815