Mehr von uns ist besser für alle

Gutachten zur Personalbemessung

22.04.2016
Sylvia Bühler

1. Die hohe Arbeitsbelastung in der Altenpflege ist allseits bekannt. ver.di hat nun ein Gutachten zu einer gesetzlichen Personalbemessung in der Altenpflege veröffentlicht. Was will ver.di damit erreichen?

ver.di will  eine bedarfsorientierte bundeseinheitliche Personalbemessung in der stationären Altenpflege. Aber zurzeit entscheiden noch die Bundesländer darüber, wie viele Pflegekräfte für die stationäre Versorgung vorgegeben werden. Aus keinem Bundesland ist bekannt, dass ein wissenschaftliches Personalbemessungs-verfahren angewendet wird. Verhandelt wird auf der Basis von Personalkorridoren und Personalanhaltszahlen. Das Resultat ist ein bundesweiter Flickenteppich unterschiedlicher Personalschlüssel und -kennzahlen. ver.di fordert dessen Vereinheitlichung! Richtschnur ist dabei der Bedarf der pflegebedürftigen Menschen an qualifizierten Pflegekräften für eine gute Pflege.  

Mit der jüngsten Pflegereform, dem Pflegestärkungsgesetz II, ist diese ver.di-Forderung ins Gesetz aufgenommen worden. Das ist ein großer Erfolg. Allerdings soll frühestens im Jahr 2020 das einheitliche Personalbemessungssystem kommen. So lange können wir nicht warten, die Kolleginnen und Kollegen sind längst an ihren Belastungsgrenzen. 

Mit dem Gutachten der Professoren Greß und Stegmüller zeigen wir der Politik den dringenden Handlungsbedarf. Wir machen deutlich, dass es für eine gute Versorgungsqualität auf die richtigen Kriterien ankommt. Die Qualität lässt sich steigern, wenn vor allem Pflegefachkräfte neu eingestellt werden. Denn der Einsatz von mehr Pflegehilfskräften kann sogar zu einer Verschlechterung der Versorgungqualität führen. In der Pflege ist es wie in anderen Branchen auch – gute Qualität gibt es nur durch gut ausgebildetes Personal.  

Doch ein Personalbemessungsverfahren allein wird weder die Personalausstattung noch die Pflegequalität verbessern können. Die Behörden in den Bundesländern müssen den Personalbedarf auch überprüfen und falls nötig sanktionieren. Die verschärften Personalbemessungsstandards müssen zudem in Pflegeersatz-verhandlungen zwischen Einrichtungen und Kostenträgern berücksichtigt werden.

2. Sieht ver.di Chancen, dass sich bald für die Kolleg/innen in der Altenpflege etwas verbessert?


Das Arbeiten in der Altenpflege muss attraktiver werden. Am dringlichsten sind eine deutlich bessere Bezahlung und mehr Personal. Zum 1. Januar 2017 wird der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff wirksam – endlich. Dafür hat ver.di sich seit Jahren stark gemacht. Die neuen Pflegekonzepte können aber nur ihre Wirkung entfalten, wenn entsprechend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Mehr Leistung mit jetzt schon viel zu wenig Personal kann nicht funktionieren. Hier sind neben den Ländern, die die gesetzlichen Vorgaben machen, auch die Kostenträger, die Pflegekassen und Sozialhilfeträger, sowie die Einrichtungsträger in der Pflicht. Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen müssen darauf einwirken, dass ihre Arbeitgeber regelmäßig Pflegesatzverhandlungen führen. Denn das zusätzliche Geld von der Pflegeversicherung kommt nicht automatisch am Pflegebett und bei den Beschäftigten an. 

3. Wie können Kolleginnen und Kollegen die Selbstverwaltung in der BGW nutzen, um ver.di hierbei zu unterstützen?

ver.di setzt sich für Gute Arbeit in den Pflegeeinrichtungen ein. Diese ist dringend nötig: 77 Prozent der hier Beschäftigten können sich nicht vorstellen, in ihrem Beruf bis zur Rente zu arbeiten. In den Betrieben finden sich überdurchschnittlich hohe Krankenstände. Burn out und psychische Erkrankungen sind ein häufiger Grund für Arbeitsausfälle. Und nicht zuletzt Nacht-/Schichtarbeit lässt schlechter schlafen und früher sterben. 

Solche belastenden Arbeitsbedingungen zu verbessern, ist ein Kernpunkt gewerkschaftlicher Arbeit im Betrieb. Schließlich sind die Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, für den Gesundheitsschutz zu sorgen. Wir wissen aber auch, dem kommen sie nur unzureichend nach. Gesetzliche Personalbemessung und Gute Arbeit sind wichtige Rahmenbedingungen.

Aber schon jetzt geht auf der Grundlage des Gesundheits- und Arbeitsschutzes im Betrieb eine Menge. Hier kommt die Berufsgenossenschaft für Gesundheits- und Wohlfahrtspflege ins Spiel. Sie kann die Interessenvertretungen bei der Durchsetzung von Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb beraten und unterstützen. Die BGW hat das nötige Wissen und Aufsichtspersonen zur Überprüfung – Verstöße im Arbeitsschutz können sogar mit Bußgeldern geahndet werden. Aber das müssen wir, ver.di und die Interessenvertretungen in den Betrieben in Angriff nehmen und durchsetzen. Wie überall im Betrieb – Gute Arbeit fällt nicht vom Himmel. Aber mit den Berufsgenossenschaften, in unserem Fall der BGW, haben wir einen starken Partner an unserer Seite!

 

Kontakt

  • Dietmar Erdmeier

    Be­rufs­ge­nos­sen­schaft Ge­sund­heits­dienst und Wohl­fahrts­pfle­ge (BGW), Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz

    030/6956-1815