Union Busting

»Krachend gescheitert«

13.12.2017

Das war ein deutliches Signal an die Arbeitgeber: Rund 1.200 Beschäftigte haben am Mittwoch (13. Dezember 2017) an der Uniklinik Tübingen für einen Tarifvertrag Entlastung gestreikt. Hunderte weitere Kolleginnen und Kollegen konnten wegen der Versorgung von Notfällen, lebensnotwendiger Maßnahmen wie Tumor-Operationen oder der Behandlung schwerer Fälle in den Kinderkrankenstationen ihr Streikrecht nicht wahrnehmen. Auf 85 von 96 Stationen wurde nur im Wochenendmodus gearbeitet, die Hälfte der Operationen musste verschoben werden. Am Donnerstag soll es in Freiburg weitergehen. Dann sind die Beschäftigten der dortigen Uniklinik zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen.

Vorausgegangen waren Versuche des Arbeitgeberverbands der vier baden-württembergischen Unikliniken Tübingen, Freiburg, Heidelberg und Ulm, die Streiks per einstweiliger Verfügung zu verhindern. Nachdem ihnen das Reutlinger Arbeitsgericht am Dienstagmittag eine Abfuhr erteilte, versuchten sie, in einem »Turboberufungsverfahren« den Streik in zweiter Instanz doch noch zu verhindern. Erst als klar absehbar war, dass sie vor dem Landesarbeitsgericht scheitern würden, zogen die Arbeitgeber ihre einstweilige Verfügung am Dienstagabend zurück – und vermieden so eine endgültige rechtliche Klärung zu ihren Ungunsten.

Vertreten ließen sich die landeseigenen Kliniken dabei ausgerechnet von der Kanzlei Allen & Overy. Diese rühmt sich in ihrem Internetauftritt damit, schon zahlreiche Streiks verhindert zu haben. So erwirkte die Kanzlei beispielsweise im September 2015 ein Urteil des hessischen Landesarbeitsgerichts, das eine bedeutende Einschränkung des Grundrechts auf Streik nach sich ziehen könnte: Die Richter verboten den Lufthansa-Piloten einen Streik, weil diese angeblich nicht für ihre offiziellen Streikziele, sondern gegen den Ausbau der Lufthansa-Billigtochter Eurowings streiken wollten, was eine »unternehmerische Entscheidung« sei und damit illegal sei. Es war das erste Mal, dass sich Arbeitsrichter anmaßten, die »eigentlichen« Streikziele einer Gewerkschaft zu bestimmen – ein Erfolg der gewerkschaftsfeindlichen Methoden des »Union-Busting« von Allen & Overy.

Die Kanzlei ist ebenso an dem Versuch beteiligt, die kleine Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) wegen eines vermeintlich unkorrekten Streikaufrufs zu horrenden Schadensersatzzahlungen von fünf Millionen Euro zu verdonnern – und sie damit in ihrer Existenz zu gefährden. Auch für Helios war Allen & Overy bereits aktiv. Anfang Dezember 2017 halfen sie dem privaten Krankenhausbetreiber dabei, einen Streik in den Helios Amper Kliniken in Dachau und Indersdorf zu verhindern, weil für einen Teil der Tarifforderungen angeblich Friedenspflicht bestehe. Letztlich musste Helios dort dennoch ein weitreichendes Angebot zur Entlastung der Beschäftigten machen, das derzeit geprüft wird.

»Krachend gescheitert«

Auch in Baden-Württemberg sind die Arbeitgeber mit ihrem Vorgehen »krachend gescheitert«, wie der ver.di-Landesbezirksleiter Martin Gross feststellte. Die Leiterin des ver.di-Landesfachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen in Baden-Württemberg, Irene Gölz, erklärte: »Das bisherige Agieren der Arbeitgeber, in den Monaten, bis es endlich zu Gesprächen kam, in den Verhandlungen selbst, und vor allem vor den Gerichten, haben unser Vertrauen in die bisherige konstruktive Sozialpartnerschaft massiv erschüttert.« Die Beschäftigten hätten dafür »keinen Millimeter Verständnis mehr«. ver.di erwarte, dass die Arbeitgeber am Montag (18. Dezember) wieder zu vertrauensvollen Verhandlungen zurückkehren, andernfalls sei eine Ausweitung der Streiks auf die Standorte Ulm und Heidelberg nicht ausgeschlossen.

Für die Tübinger Personalratsvorsitzende Angela Hauser ist es »ein Politikum«, dass öffentliche Kliniken mit Hilfe einer einschlägig bekannten Kanzlei versuchten, das Grundrecht auf Streik ihrer Beschäftigten zu beschneiden. »Ich bin seit 2005 bei den Tarifverhandlungen dabei und so etwas habe ich noch nicht erlebt«, so die Gewerkschafterin. »Es fehlt an Personal, die Leute werden krank, können ihre Pausen nicht nehmen, müssen aus dem Frei einspringen. Doch darauf gehen die Arbeitgeber nicht ein, sondern brechen eine juristische Auseinandersetzung vom Zaun, die uns keinen Schritt weiterbringt.« Allein die Kosten der Gerichtsprozesse vom Dienstag reichten schätzungsweise aus, um eine examinierte Pflegekraft ein ganzes Jahr zu bezahlen. »Statt hohe Honorare für eine gewerkschaftsfeindliche Anwaltskanzlei zu bezahlen, sollten die Unikliniken das Geld lieber zur Entlastung der Beschäftigten verwenden.«

 

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