Einen Monat nach Beginn des unbefristeten Arbeitskampfs für einen Tarifvertrag Entlastung an den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken haben die Arbeitgeber immer noch kein Angebot vorgelegt. In bislang vier Verhandlungsrunden hätten die Klinikleitungen sich die Forderungen der Beschäftigten lediglich angehört, selbst aber keine Vorschläge gemacht, kritisierte die ver.di-Landebezirksleiterin Gabriele Schmidt am Mittwoch (1. Juni 2022) bei einer Pressekonferenz in Köln. »Das ist enttäuschend.«
Statt ein Ende des Streiks durch ein verhandlungsfähiges Angebot zu ermöglichen, erweckten die Arbeitgeber in der Öffentlichkeit zuletzt den Eindruck, dieser gefährde die Patientinnen und Patienten. Schmidt wies das entschieden zurück. Es gebe an allen Standorten Notdienstvereinbarungen, kein einziger Notfall bleibe unbehandelt. »Es ist der normale Alltag, der Patientinnen und Patienten gefährdet, nicht unser Streik«, stellte die Gewerkschafterin klar. Der Ausstand könne rasch beendet werden – unter zwei Bedingungen: Wenn die Klinikleitungen einen akzeptablen Tarifvertrag unterschreiben und die Landesparteien die nötige Finanzierung zusagen. Letzteres hatten sowohl die CDU als auch die Grünen, die aktuell über die Bildung einer neuen Landesregierung verhandeln, im Wahlkampf versprochen.
»Wir wollen keine Ausreden mehr hören«, sagte die Reinigungskraft Berna Kocak vom Uniklinikum Essen. »Wir machen unseren Job – unter extremen Bedingungen. Wir werden so lange streiken, bis auch die Vorstände und Politiker ihren Job machen und das Geld für mehr Personal auftreiben.« Nicht nur die Pflege brauche Entlastung, sondern alle Berufsgruppen – ob in Service, Küche, Reinigung, Einkauf, Betriebskita, den therapeutischen oder anderen Bereichen. Alle Beschäftigten seien wichtig für eine gute Versorgung.
Das betonte auch Katharina Wesenick, die bei ver.di in NRW für das Gesundheitswesen zuständig ist. Anders als für die Pflege am Bett würden andere Personalausgaben im Krankenhaus nicht automatisch von den Krankenkassen refinanziert. Deshalb müsse die Landespolitik rasch zusagen, durch den Tarifvertrag entstehende Zusatzkosten zu übernehmen. Konkret fordert ver.di beispielsweise, dass im Stationsservice eine Beschäftigte für höchstens zehn Patient*innen zuständig ist. Im Transportdienst sollen maximal 25 Touren pro Schicht gefahren werden. Nach Operationen bei Kindern soll im Aufwachraum eine Pflegekraft für höchstens zwei Patient*innen zuständig sein. Im Kreißsaal soll jede gebärende Frau von einer Hebamme betreut werden. Für diese und viele weitere Bereiche haben die Delegierten der Teams Forderungen entwickelt, die sie nun selbst in die Verhandlungen einbringen. »Wir sind die Expert*innen auf unserem Gebiet«, erklärte die Krankenpflegerin Kira Hülsmann, die auf einer Intensivstation der Kölner Uniklinik arbeitet. »Wir wissen, worüber wir reden und was wir brauchen.« Die Beschäftigten täten das nicht allein für sich, sondern auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Von diesen zeigen sich viele solidarisch, auch wenn sie persönlich vom Streik betroffen sind. Eine Patientin, deren Tumoroperation verschoben werden musste, machte auf der Pressekonferenz deutlich, dass sie hinter den Gewerkschaftsforderungen steht. »Wenn ich aus dem OP-Saal komme, will ich, dass mich jemand versorgt. Wenn ich ein Baby bekomme, möchte ich, dass die Hebamme für mich da ist. Das sind ja keine utopischen Forderungen«, sagte sie. Es sei ihr völlig unverständlich, warum nach vier Wochen Streik immer noch kein ernsthafter Dialog mit den Beschäftigten geführt werde. »Ich hoffe sehr, dass mein nächster OP-Termin stattfinden kann.«
Dieser Appell richtet sich vor allem an die Arbeitgeber, die sich jetzt bewegen müssen. Das forderten am Mittwochnachmittag auch rund 1.500 Streikende bei einer Demonstration in Köln. Sie machten lautstark deutlich: Ihre Geduld ist aufgebraucht. Bereits im Januar hatten die Belegschaften der sechs Unikliniken den Arbeitgebern und der Landesregierung ein 100-Tage-Ultimatum gestellt. Doch diese blieben untätig und provozierten damit den Arbeitskampf. Selbst nach vier Wochen Streik liege immer noch kein Arbeitgeberangebot auf dem Tisch, kritisierte die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Katharina Wesenick. »Wir brauchen greifbare Ergebnisse.« Bis zum 22. Juni haben die Tarifparteien insgesamt neun Verhandlungstermine vereinbart. Für den 9. Juni wird ein erstes Angebot erwartet.
veröffentlicht/aktualisiert am 2. Juni 2022
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