Eine verbindliche Vereinbarung mit der Gewerkschaft ver.di über mehr Personal und Entlastung – das haben die Vorstände der Unikliniken Düsseldorf und Essen monatelang kategorisch ausgeschlossen. Doch am Ende war der Druck zu groß. Angesichts des seit 44 bzw. 34 Tagen andauernden Streiks – der bis zuletzt keinerlei Anzeichen machte, abzubröckeln – gaben die Arbeitgeber schließlich nach und unterzeichneten in der Schlichtung eine Vereinbarung. Diese sieht unter anderem vor, in beiden Kliniken bis Ende Oktober 2019 schrittweise jeweils 180 neue Vollzeitstellen zu schaffen – 140 in Pflege und Funktionsdiensten, weitere 40 in anderen Bereichen.
Kurzfristig werden laut Vereinbarung Sollbesetzungen für alle Bereiche der Pflege festgeschrieben. Mittelfristig wird ermittelt, wie viel Personal für die anfallende Arbeit tatsächlich benötigt wird. Auf dieser Grundlage wird dann eine neue Regelbesetzung festgelegt. Werden die Vorgaben unterschritten, muss das Management Sofortmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel den Einsatz von Leasingkräften oder von Beschäftigten anderer Stationen, ohne dass dort deshalb Engpässe entstehen dürfen. Reicht das nicht und wird die vorgeschriebene Besetzung drei Schichten in Folge oder drei gleiche Schichtarten nacheinander (zum Beispiel Frühdienst Montag bis Mittwoch) nicht eingehalten, müssen Patient/innen verlegt, Betten geschlossen oder OP-Programme reduziert werden.
Zudem müssen nachts, mit Ausnahme weniger kleiner Stationen, künftig in allen Bereichen zwei Pflegefachkräfte anwesend sein. Zehn Prozent der Einsatzzeit von Auszubildenden – nicht nur in der Pflege, sondern in allen Gesundheitsberufen – muss für strukturierte Praxisanleitung zur Verfügung stehen. Die Praxisanleiter/innen müssen dafür freigestellt werden. Auch die Auszubildenden selbst dürfen nicht auf die Soll- bzw. Regelbesetzung angerechnet werden.
Zeitgleich mit den Klinikbeschäftigten haben die Kolleginnen und Kollegen der Servicegesellschaften dafür gestreikt, dass auch sie unter den Schutz eines Tarifvertrags auf dem Niveau der Uniklinik fallen. Hierzu heißt es in einer schriftlichen Erklärung: »Der Klinikvorstand wird auf die Tochterunternehmen einwirken, damit diese Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufnehmen, um tarifvertragliche Bindungen zeitnah herbeizuführen.« Mit dieser Verhandlungszusage ist ein Tarifvertrag für die Servicegesellschaften in Aussicht gestellt, aber noch nicht erreicht.
Der Vertrag, dem die ver.di-Mitglieder bei der Urabstimmung zugestimmt haben, gilt ab dem 1. Oktober 2018. Er kann bereits zum 30. Juni 2019 wieder gekündigt werden. Wenn die Klinikspitzen also trotz aller Zusagen keine Entlastung schaffen, könnte der Arbeitskampf bereits in neun Monaten wieder aufgenommen werden.
»Die Vereinbarung ist ein guter Anfang. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen an der Homburger Uniklinik und in anderen Krankenhäusern diesen Aufschlag nutzen können, um weiter für Entlastung Druck zu machen. Gut ist, dass der Arbeitgeber mit dem Vertrag verbindliche Verpflichtungen eingeht. Das wollte er bis zuletzt vermeiden. Wenn die Vorgaben bei der Personalbesetzung in der Pflege nicht eingehalten werden, folgen Konsequenzen. Leider ist uns das für die nicht-pflegerischen Bereiche nicht gelungen. Aber erstmals überhaupt gibt es auch für sie eine Vereinbarung zur Entlastung. Ich finde es absolut richtig, dass dies ein Vertrag zwischen dem Klinikvorstand und ver.di ist. Die Streikenden und ihre Gewerkschaft haben ihn durchgesetzt, nicht der Personalrat. Jetzt steht der Arbeitgeber unter Druck, die Arbeitsbedingungen konkret zu verbessern.«
Alexandra Willer ist Personalratsvorsitzende am Uniklinikum Essen.
»Die Beschäftigten der Uniklinik und der Servicetöchter haben gemeinsam gestreikt. Sie haben deutlich gemacht, dass sie füreinander einstehen. Und das müssen sie auch in Zukunft tun. Denn ob die Zusage über Tarifverhandlungen bei den Tochterunternehmen am Ende zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt, bleibt abzuwarten. Die Klinikvorstände und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder haben in dieser Auseinandersetzung eine extrem harte Linie gefahren. Sie wollten unbedingt verhindern, dass die Beschäftigten mit darüber entscheiden, wie viele Menschen wo gebraucht werden und was geschieht, wenn die Vorgaben zur Mindestbesetzung nicht eingehalten werden. Diese Mitsprache haben wir durchgesetzt. Das ist ein großer Erfolg. Dass das Ganze "schuldrechtliche Vereinbarung" heißt und nicht Tarifvertrag, ist für uns nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass die Entlastung wirklich bei den Kolleginnen und Kollegen ankommt. Darauf werden wir pochen.«
Martin Koerbel-Landwehr ist Personalratsvorsitzender am Uniklinikum Düsseldorf.
»Am wichtigsten finde ich, dass nicht nur der Pflegedienst, sondern auch die nicht-pflegerischen Bereiche zusätzliche Stellen bekommen. Denn obwohl das in der Öffentlichkeit und in den Medien weniger diskutiert wird: Auch im Transportdienst, im Steri und anderswo gibt es eine enorme Arbeitsverdichtung. 40 zusätzliche Stellen sind da sicher nicht ausreichend, aber ein guter erster Schritt. Das haben wir durch unseren großen Zusammenhalt erreicht. Bei den Streikversammlungen wurde stets alles offen diskutiert und darüber abgestimmt. Das hat uns stark gemacht.«
Conny Swillus-Knöchel ist Medizinische Dokumentationsassistentin und Personalrätin am Uniklinikum Essen.
»Der Streik hat sich gelohnt. Der Arbeitgeber hat lange behauptet, er dürfe keinen Vertrag zur Entlastung mit ver.di unterzeichnen. Jetzt hat er es doch gemacht, weil die Streikbereitschaft einfach nicht nachgelassen hat. In Düsseldorf haben sich über 1.000 Beschäftigte am Streik beteiligt, jeden Tag waren rund 400 Leute draußen. Das war eine tolle Erfahrung. Die harte Haltung des Klinikvorstands hat die Kollegen nicht eingeschüchtert, sondern eher noch zusätzlich motiviert. Der Arbeitgeber sollte seine Zusage, über Tarifverträge in den Tochterunternehmen zu verhandeln, sehr ernst nehmen. Sonst machen wir weiter Druck.«
Erik Busse ist Krankenpfleger in der Zentralen Notaufnahme am Uniklinikum Düsseldorf.
»Wir haben eine gute Vereinbarung erreicht. Der Arbeitgeber kann in den kommenden Monaten beweisen, dass er es mit der Entlastung ernst meint. Wenn die Maßnahmen nicht umgesetzt werden, treffen wir uns Mitte nächsten Jahres im Streikzelt wieder, denn der Vertrag kann bereits zum 30. Juni 2019 wieder gekündigt werden. Wichtig für diesen Erfolg war die Solidarität von außen. Das Essener Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus hat uns hervorragend unterstützt. Aus etlichen Kliniken kamen Solidaritätsbotschaften. Das hat geholfen, gerade angesichts der Versuche des Arbeitgebers, die Streikenden moralisch unter Druck zu setzen.«
Timo Sefz ist Krankenpfleger und Personalrat am Uniklinikum Essen.
»Besonders erfreulich ist, dass künftig in allen Ausbildungsgängen geplante Praxisanleitung von mindestens zehn Prozent der Einsatzzeit stattfinden muss. Für die Krankenpflege ist das bereits gesetzlich geregelt, aber in anderen Gesundheitsberufen, zum Beispiel bei Medizinisch-Technischen Assistenten, gibt es dazu noch überhaupt keine Vorgaben. Von dieser Verbesserung der Ausbildungsqualität profitieren am Düsseldorfer Uniklinikum rund 150 Azubis. Wichtig ist auch, dass nicht nur die Auszubildenden, sondern auch die Praxisanleiter für ihre Tätigkeit aus der Mindestbesetzung herausgerechnet werden müssen. So wird sichergestellt, dass die praktische Anleitung tatsächlich strukturiert und mit genug Zeit stattfinden kann.«
Denis Schatilow ist Medizinisch-Technischer Radiologie-Assistent am Uniklinikum Düsseldorf.
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