Die Bundesländer haben sich in Sachen Personalbemessung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen klar positioniert. Am 23. März 2018 sprach sich der Bundesrat für Personalschlüssel in Kliniken aus, die in allen Bereichen der Pflege sowie für Hebammen gelten und »eine bedarfsgerechte Versorgung und Pflege der Patientinnen und Patienten« sicherstellen. Diese müssten rund um die Uhr eingehalten werden und dürften »ausschließlich durch die Zählung von Fachpersonal als erfüllt gelten«. Sollte die mit der Entwicklung von Personaluntergrenzen beauftragte Selbstverwaltung – die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen – keine entsprechende Vereinbarung treffen, müsse das Bundesgesundheitsministerium selbst »sachgerechte Pflegepersonaluntergrenzen zeitnah in einer Rechtsverordnung (…) festlegen«.
Für stationäre Pflegeeinrichtungen fordert die Länderkammer gesetzliche Personalschlüssel, »die bundeseinheitlich gleich sind, und sicherstellen, dass überall gleich hohe Maßstäbe verbindlich gelten«. Damit die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen dadurch nicht zusätzlich belastet werden, seien die Sachleistungen der Pflegeversicherung »kontinuierlich an die Personalentwicklung anzupassen«.
Die Folgen von Personalengpässen seien für die Menschen sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Pflegeeinrichtungen dramatisch, begründete Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) die von Berlin und Hamburg eingebrachte Entschließung. Es bestehe flächendeckend dringender Handlungsbedarf, nicht nur – wie bislang vorgesehen – in einigen »pflegesensitiven« Bereichen. Personaluntergrenzen dürften nicht einfach den Status Quo festschreiben, betonte Kolat. »Mit "verbindlicher Personalschlüssel" meinen wir schon, dass es mehr Personal im System geben muss, damit sich eine verbesserte Versorgungssituation ergibt«.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) erklärte, der Staat müsse angesichts alarmierender Meldungen aus Krankenhäusern und Pflegeheimen einschreiten. »Die unternehmerische Freiheit, mit dem Geld, das man bekommt, frei zu wirtschaften, endet dort, wo die Patientensicherheit gefährdet ist.« An die Adresse der Kliniken – die behaupten, sie könnten solche Vorgaben wegen des Fachkräftemangels nicht erfüllen – sagte sie: »Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Personalvorgaben in der Pflege sorgen für bessere Arbeitsbedingungen und sind damit die Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft in unserer älter werdenden Gesellschaft genug Pflegepersonal haben.«
Die SPD-Politikerin kritisierte das Vorgehen von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft bei der Entwicklung von Personaluntergrenzen. »Alles, was man aus den Beratungen der Selbstverwaltung hört, deutet darauf hin, dass der Auftrag nicht umfassend und nicht rechtzeitig erfüllt wird«, sagte sie. In diesem Fall müsse die Bundesregierung selbst Untergrenzen einführen. »Ich appelliere an Sie, den erweiterten Auftrag für alle Abteilungen eines Krankenhauses sehr schnell in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen und in diesem Fall auch auf den Umweg über die Selbstverwaltung zu verzichten.«
Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) monierte, aus der Selbstverwaltung sei ein »Selbstblockadeinstrument« geworden, weshalb die Politik handeln müsse. Er warnte davor, Personaluntergrenzen könnten faktisch zu Höchstgrenzen werden. Sein Kollege Heiner Garg aus Schleswig-Holstein gab zu, dass er in Bezug auf verpflichtende Personaluntergrenzen lange skeptisch war. »Skepsis oder auch lehrbuchmäßige Krankenhausökonomie werden aber die Situation der Patientinnen und Patienten sowie der Pflegerinnen und Pfleger mit Sicherheit nicht verbessern«, so der FDP-Politiker. Welche Folgen der Pflegenotstand heute schon hat, habe die aktuelle Grippewelle demonstriert. Diese habe eine »akute Krise« ausgelöst: »Flurbetten, Schließung von OPs, Verschiebung von elektiven Eingriffen, überlaufende Notaufnahmen und erschöpfte Intensivkapazitäten.« Werde nicht gegengesteuert, drohe dies »in Zukunft eher der Normalzustand als der Ausnahmezustand« zu werden.
Grit Genster, Bereichsleiterin Gesundheitspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, nannte den Beschluss der Länderkammer »ein richtungsweisendes Signal an die Große Koalition im Bund«. Diese müsse nun schnellstens den erweiterten Auftrag für Personaluntergrenzen in allen Krankenhausbereichen auf den Weg bringen, die sich am Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Die Gewerkschafterin begrüßte auch die Forderungen des Bundesrats nach bundesweit einheitlichen Personalvorgaben in der stationären Pflege und zur Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung an die Personalentwicklung. »Allerdings müssen die Länder auch selbst ihre Hausaufgaben machen«, fügte Genster hinzu. Das gelte insbesondere für die ausreichende Finanzierung von Krankenhausinvestitionen, die in der Bundesratsdebatte nicht zur Sprache kam.
»Ich finde es hervorragend, dass Berlin diese Entschließung durch den Bundesrat gebracht hat«, sagt Dana Lützkendorf, ehrenamtliche Fachbereichsvorsitzende im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. Die Intensivpflegerin aus der Charité führt das auch auf die vielen Aktivitäten der Klinikbeschäftigten und ihre Unterstützer/innen in der Hauptstadt zurück. »Doch auch vor Ort sollte die Landesregierung ihrer Verantwortung nachkommen und für bessere Bedingungen in den Krankenhäusern sorgen.« Um das zu erreichen, hat das »Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus« einen Volksentscheid auf den Weg gebracht, der vom ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg und vom ver.di-Bezirk Berlin unterstützt wird. Der Gesetzentwurf schreibt verbindliche Personalschlüssel für die Pflege und andere Berufsgruppen in Krankenhäusern fest und ergänzt die Hygiene-Vorschriften für Reinigungskräfte. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, folgen Konsequenzen. Zudem soll das Land dazu verpflichtet werden, eine Mindestquote von Investitionen zu finanzieren.
»Mit dem Volksentscheid haben wir es geschafft, dass die ganze Stadt über die Situation in den Krankenhäusern diskutiert«, bilanziert Lützenkendorf. Innerhalb weniger Wochen haben schon mehr als 20.000 wahlberechtigte Berlinerinnen und Berliner unterschrieben. »Gerade jetzt ist es wichtig, weiter Druck auf die politisch Verantwortlichen zu machen – auch auf Landesebene«, betont die Krankenpflegerin. »Damit es nicht bei Scheinlösungen bleibt und sich endlich etwas ändert.«
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