Klare Mehrheit für Entlastung

Berlin: Bei Sana Lichtenberg unterstützen 84 Prozent den Tarifvertrag Entlastung. Im Jüdischen Krankenhaus sind 94 Prozent bereit, dafür zu streiken.
15.12.2023

Die Beschäftigten im Jüdischen Krankenhaus Berlin und bei Sana in Berlin-Lichtenberg stehen hinter der Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung. Das haben sie mit beeindruckenden Voten deutlich gemacht. In Lichtenberg wird der Geschäftsführung des kommerziellen Klinikbetreibers am Montag (18. Dezember 2023) bei einer aktiven Mittagspause ein großes Transparent mit hunderten Unterschriften überreicht. 84 Prozent der betroffenen Beschäftigten unterstützen damit die Tarifforderung von ver.di. Die Kolleg*innen im Jüdischen Krankenhaus sind schon einen Schritt weiter: 94 Prozent haben sich per Urabstimmung dafür ausgesprochen, in einen unbefristeten Streik zu treten, falls der Arbeitgeber in den Verhandlungen um Entlastung keine Angebote macht.

 
Schon bei der Lohnrunde im Frühjahr 2023 spielten die Arbeitsbedingungen und die Versorgungssituation für die Sana-Kolleg*innen in Lichtenberg eine große Rolle.

Als die Belegschaften von Charité und Vivantes 2021 wochenlang für mehr Personal und Entlastung streikten, verfolgte der Krankenpfleger Rolf Meier vom Sana-Klinikum Lichtenberg das genau. »Ich war als Unterstützer bei einigen Veranstaltungen dabei und dachte schon damals: Das brauchen wir auch. Denn Arbeitshetze und Personalnot gibt es überall – unabhängig von der Trägerschaft.« Klar war allerdings: Um eine solche Auseinandersetzung zu bestehen, braucht es viel Kraft und eine aktive Belegschaft. Dass bei Sana in Lichtenberg viele bereit sind, sich zu engagieren, machten sie bei der konzernweiten Tarifrunde im Herbst 2022 deutlich. Mehrere hundert Kolleg*innen beteiligten sich jeweils an insgesamt fünf Warnstreiktagen. Auf dieser Basis begannen die ver.di-Aktiven, die Bewegung für Entlastung vorzubereiten.

 

Sana kann sich bessere Arbeitsbedingungen leisten

»Wir haben uns die Teams aufgeteilt und viele Gespräche geführt. Dass 84 Prozent für die Forderung unterschrieben haben, ist ein toller Erfolg«, meint Rolf Meier, der seit acht Jahren im Lichtenberger Klinikum arbeitet. »Die Gefährdungsanzeigen stapeln sich schon länger. Und die aktuelle Krankheitswelle hat die Situation in allen Bereichen noch dramatisch verschärft«, erklärt der Krankenpfleger. »Alle wissen: Es kann so nicht weitergehen.« Das müsse eigentlich auch das Unternehmen einsehen, denn etliche Fachkräfte seien bereits in Krankenhäuser mit Entlastungs-Tarifvertrag abgewandert. Dennoch befürchten Rolf Meier und seine Mitstreiter*innen, dass sich der Sana-Konzern aus betriebswirtschaftlichen Gründen gegen den Tarifvertrag sperren könnte.

Dabei kann sich das Unternehmen bessere Arbeitsbedingungen durchaus leisten. »Lichtenberg ist die Cashcow bei Sana. Hier wird richtig Geld verdient.« Auch insgesamt hat der Konzern in den vergangenen Jahren Gewinne eingefahren, wenn auch nicht ganz so hohe wie vor der Pandemie. Dennoch werden von der Münchner Konzernzentrale sicher keine Wohltaten verteilt. »Wir müssen uns selbst einsetzen und wir haben die Kraft, auch eine härtere Tarifauseinandersetzung durchzustehen«, ist Rolf Meier überzeugt. Eine Alternative gebe es ohnehin nicht. »Wir haben nur dieses Instrument, den Tarifvertrag, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Und das nutzen wir jetzt.«

 

»Die Zustände spitzen sich tagtäglich weiter zu«

Das haben auch die Kolleg*innen im zehn Kilometer entfernten Jüdischen Krankenhaus vor, wo sich die Mehrheit der Belegschaft ver.di angeschlossen hat. Von den Gewerkschaftsmitgliedern haben 94 Prozent per Urabstimmung für einen Erzwingungsstreik votiert. Denn die Klinikleitung zeigt sich zwar verhandlungsbereit, hat aber trotz mehrerer erfolgreicher Warnstreiks bislang keine substanziellen Angebote auf den Tisch gelegt. »Das Ergebnis der Urabstimmung stärkt uns in der Tarifkommission den Rücken«, sagt die Medizinische Fachangestellte Alexandra Schüler, die seit elf Jahren im Herzkatheterlabor arbeitet. Sie ist selbst erst im Frühjahr 2023 bei ver.di aktiv geworden, als sie und ihre Kolleg*innen während der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes das erste Mal überhaupt die Arbeit niederlegten. »Ich fand es toll, dass sich Leute mit uns stark machen, da bin ich ver.di beigetreten und auch Teamdelegierte geworden.«

 
Warnstreik für Entlastung im November am Jüdischen Krankenhaus Berlin

Jetzt engagiert sich die 34-Jährige auch in der Tarifkommission, die die ver.di-Mitglieder gewählt haben, um die Verhandlungen für Entlastung zu führen. »Wir wollen endlich über konkrete Inhalte verhandeln, da hat sich bislang überhaupt nichts bewegt«, berichtet Alexandra Schüler. »Dabei muss sich dringend etwas tun. Die Zustände spitzen sich tagtäglich weiter zu.« Das Ergebnis der Urabstimmung findet die Medizinische Fachangestellte »phänomenal«. Nun sei klar, dass die große Mehrheit der Beschäftigten bereit ist, notfalls auch länger zu streiken. Doch der Arbeitgeber scheint daraus bislang nicht die richtigen Schlüsse zu ziehen. Am Freitag (15. Dezember 2023) brach er die Verhandlungen nach nur einer Stunde ab. ver.di-Verhandlungsführer Ben Brusniak kritisierte: »Seit Wochen weigert sich die Geschäftsführung, auch nur eine inhaltliche Kommentierung unserer Forderungen vorzulegen. Jetzt wird die Verzögerungstaktik eskaliert und unter fadenscheinigen Vorwänden die Verhandlungen abgebrochen, auf die wir uns gemeinsam verständigt hatten.« Die Beschäftigten wollen sich das nicht gefallen lassen. Am 19. und 20. Dezember wollen sie erneut streiken.

 

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