ver.di drückt aufs Tempo

    Beschäftigte der Uniklinik Gießen und Marburg wollen die Tarifverhandlungen für Entlastung schnell zu einem guten Abschluss bringen. Bis es soweit ist, wird der Streik fortgesetzt.
    06.04.2023

     
    UKGM-Beschäftigte demonstrieren am 31. März 2023 für Entlastung und Beschäftigungssicherung.
    © Eren Gültekin
    UKGM-Beschäftigte demonstrieren am 31. März 2023 für Entlastung und Beschäftigungssicherung.


    »Der Streik ist unser letztes Mittel«, stellt Nina Ickler aus der Pädiatrie des Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) bei einer ver.di-Pressekonferenz am Donnerstag (6. April 2023) klar. Doch solange die Klinikleitung am Verhandlungstisch keinen Tarifvertrag akzeptiert, der für alle Bereiche wirksame Entlastung bringt, soll der am 27. März begonnene Arbeitskampf fortgesetzt werden. »Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir nicht mehr so weitermachen können, und an dem wir auch nicht so weitermachen wollen«, betont die Kinderkrankenpflegerin. Die Arbeitsbedingungen seien sowohl für Beschäftigte als auch für Patient*innen und Angehörige unerträglich. Nina Ickler und ihre Kolleg*innen aus allen Bereichen des Universitätsklinikums wollen das nicht länger hinnehmen. Sie streiken bis ein guter Entlastungstarifvertrag steht.

     
    Die Überlastung betrifft alle Bereiche - auch die Labore.
    © Eren Gültekin
    Die Überlastung betrifft alle Bereiche - auch die Labore.

    Geht es nach ver.di, kann das sehr schnell gehen. »Wir sind bereit, jeden Tag zu verhandeln – auch an den Osterfeiertagen«, erklärt der ver.di-Sekretär Fabian Dzewas-Rehm. Einige Knackpunkte hätten beide Seiten bereits ausgeräumt. So soll es auch für die rund 300 Beschäftigten der UKGM Service GmbH einen Schutz vor Kündigungen und weiteren Ausgliederungen geben – eine Regelung, die es für die restlichen UKGM-Beschäftigten aufgrund einer Vereinbarung mit dem Land Hessen bereits gibt. Grundsätzliche Einigkeit besteht zwischen Klinikleitung und ver.di auch darüber, dass es feste Personalschlüssel und einen Belastungsausgleich geben soll, falls diese nicht eingehalten werden. Im Konkreten bestehen allerdings weiterhin Differenzen: So darüber, für welche Bereiche die Personalschlüssel gelten und wie hoch der Belastungsausgleich in Form zusätzlicher Freizeit genau sein soll.

    Fabian Dzewas-Rehm ist zuversichtlich, dass auch in diesen Punkten Kompromisse gefunden werden. Wie schnell das geht, hängt vor allem am Management der deutschlandweit einzigen privatisierten Uniklinik. Und das nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich: Zur Überraschung der ver.di-Delegation kündigte der Arbeitgeber am Dienstagabend an, die Verhandlungen erst am 14. April fortsetzen zu wollen. »Diese unnötige Verzögerung verlängert den Streik, das ist unverantwortlich«, kritisierte die Gewerkschaft. Letztlich besann sich die Klinikleitung eines Besseren und stimmte zu, am Donnerstag kurzfristig weiter zu verhandeln. Ende offen.

     

    Personalnot hat existenzielle Folgen

    Wie dringend die geforderte Entlastung ist, macht die Kinderkrankenpflegerin Nina Ickler bei der Pressekonferenz deutlich: »Es ist oft nicht genug Zeit, ein Kind mal zu trösten, das alleine auf der Station ist. Oder in Ruhe mit besorgten Eltern zu sprechen, die hilflos sind. Oder ein schwerstmehrfachbehindertes Kind zu versorgen, das geschwitzt und mit nassen Windeln im Bett liegt – das ist für uns alle eine große Belastung und für die Patienten dramatisch.« Doch nicht nur in der Pflege hat die Überlastung existenzielle Folgen. So betont die Medizinisch-Technische Radiologie Assistentin Samira Brimah: »Die meisten Therapien hängen von der Bildgebung ab, doch die Befunde verzögern sich oft, weil in der Radiologie Personal fehlt.« Ihre Kollegin Martina Goldberg aus dem Zentrallabor berichtet ähnliches: »In Notfällen arbeiten wir ständig gegen die Uhr, Verzögerungen und schon kleine Fehler können die Patientinnen und Patienten gefährden.« Dennoch müsse eine Laborantin zum Teil an zwei Arbeitsplätzen gleichzeitig arbeiten.

     
    Die Mehrheit der UKGM-Beschäftigten steht hinter den ver.di-Forderungen. Hier bei einer Demonstration am 31. März 2023
    © Eren Gültekin
    Die Mehrheit der UKGM-Beschäftigten steht hinter den ver.di-Forderungen. Hier bei einer Demonstration am 31. März 2023


    Derartige Zustände herrschen in allen Bereichen des Uniklinikums. Um sie zu beenden, hat sich die Mehrheit der betroffenen Beschäftigten in ver.di organisiert. »Wir haben den Streik nicht gewollt, aber es bleibt uns keine andere Wahl«, sagt die Medizinisch-Technische Laborassistentin Martina Goldberg. Ihre Kollegin Samira Brimah betont, dass die gesamte Belegschaft hinter dem Streik steht – auch diejenigen, die wegen der Notversorgung weiterarbeiten müssen. »Es gibt überhaupt keine Spaltung zwischen den Streikenden und den Nichtstreikenden oder zwischen den Bereichen«, so die Radiologie-Assistentin. »Wir stehen füreinander ein.« Das wollen die Beschäftigten und ihre Unterstützer*innen auch am Mittwoch (12. April 2023) bei einer großen Streikdemonstration in Gießen (ab 11 Uhr UKGM-Haupteingang) deutlich machen.


    veröffentlicht am 6. April 2023

     

    Weiterlesen

    1/12

    Kontakt

    Immer aktuell informiert

    Schon abonniert? Der Newsletter Gesundheit und Soziales hält dich immer auf dem Laufenden.

    Exklusiv für Mitglieder

    Im ver.di-Mitgliedernetz findet ihr alle Materialien zur Bewegung. In der Gruppe "Klinikpersonal entlasten" findet ihr die Handlungsleitfäden.

    Mitglied der Gruppe werden

    ver.di-Mitglied werden