Die Beschäftigten der Frankfurter Uniklinik erhöhen den Druck. Am Donnerstag (29. September 2022) haben erneut Hunderte die Arbeit niedergelegt, um die Klinikleitung bei den Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung zu Zugeständnissen zu bewegen. Diese werden am Freitag fortgesetzt, zeitgleich geht der Warnstreik weiter.
Dass Tarifverträge für Entlastung eine Wirkung haben, hat die Gesundheits- und Krankenpflegerin Hayet Jeribi schon selbst erlebt. Bis vor Kurzem arbeitete sie an der Uniklinik Tübingen, wo ver.di schon vor einigen Jahren Tarifregelungen für bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt hat. »Das funktionierte gut«, sagt Jeribi – zumindest im Vergleich zur Situation in Frankfurt am Main, wo sie seit wenigen Monaten auf der Intensivstation arbeitet. »Wir müssen unsere Stimme laut erheben, sonst ändert sich nichts«, ist Hayet Jeribi überzeugt. Deshalb beteiligt sie sich am Warnstreik. Und deshalb ist sie nun auch bei ver.di eingetreten. Wegen des Streikgelds, aber auch wegen der vielen anderen Vorteile wie dem Rechtsschutz. Und weil sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen etwas bewegen will.
Das will auch der IT-Ingenieur Ralf Netzer, der mit einem knappen Dutzend seiner Kolleg*innen zum Warnstreik rausgekommen ist. Früher seien in der IT-Abteilung nur wenige gewerkschaftlich organisiert gewesen. »Das hat sich geändert«, berichtet Ralf Netzer, der das auf den massiv gestiegenen Arbeitsdruck zurückführt. »Die Leute sagen: Ich komme allein nicht mehr klar, ich muss mich organisieren.« Über Digitalisierung in den Krankenhäusern werde zwar viel geredet, doch in der Praxis fehlten die dafür nötigen Fachkräfte. Die Teamdelegierten und die ver.di-Tarifkommission fordern deshalb, dass in der IT des Frankfurter Uniklinikums 42,5 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen – und besetzt – werden. Andernfalls befürchten die Beschäftigten, dass der Bereich ausblutet und letztlich ausgegliedert wird. »Die Technik ist schon outgesourct. Wir müssen alle gut zusammenarbeiten, durch den Einsatz externer Firmen wird das viel schwieriger«, betont der IT-Fachmann.
Ebenfalls problematisch für die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in der Belegschaft ist der Einsatz von Leihbeschäftigten – zum Beispiel im Patiententransport. »Das sind über 40 Kollegen, die meist nur für neun Monate da sind und die immer wieder neu eingearbeitet werden müssen«, kritisiert Martin Baum, der im Patiententransport arbeitet. »Wir fordern, dass sie fest angestellt werden.« Insgesamt müsse die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um 18 erhöht werden, so die Gewerkschaftsforderung für den Patiententransport. Martin Baum und seinen Kolleg*innen ist klar, dass sie das nicht geschenkt bekommen. »Wenn ich in meinen 25 Jahren an der Uniklinik eins gelernt habe, dann ist es, dass gut Zureden und Argumente alleine nicht ausreichen.« Der Klinikvorstand brauche offenbar noch mehr Druck.
»Ich möchte, dass die Klinik gut läuft – aber das geht nur mit genug Personal«, betont die Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentin (MTRA) Iman Akdas. Das gelte auch für die Radiologie. »Eine gute Behandlung gibt es nur mit guten Diagnosen. Das Krankenhaus funktioniert als ganzheitliches System – aber das System geht kaputt.« In der Radiologie zeigt sich das unter anderem darin, dass die Zeit zur Einarbeitung neuer Kolleg*innen fehlt. »Das führt zu Überforderung und dann sind die Leute auch schnell wieder weg, wenn sie sehen, dass die Überlastung bei uns Dauerzustand ist«, berichtet Iman Akdas. In ihren sechs Jahren an der südhessischen Uniklinik hätten über 20 ihrer Kolleg*innen den Job aufgegeben – zum Teil noch während der Probezeit.
»Egal in welchem Bereich – überall fehlt Personal, überall gehen die Leute auf dem Zahnfleisch«, erklärt der Krankenpfleger Richard Ulrich, der sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. »Das ändern wir nur, wenn alle Berufsgruppen zusammenhalten und gemeinsam auf die Straße gehen.« Mehrfach sind die Beschäftigten in Frankfurt bereits in den Warnstreik getreten. Ob das ausreicht, könnte sich bei den Verhandlungen am Freitag entscheiden. »Ich hoffe sehr, dass der Klinikvorstand den Ernst der Lage jetzt endlich verstanden hat. Kommt er nicht deutlich auf uns zu, werden wir bei unseren Aktionen noch eine Schippe drauflegen.«
veröffentlicht/aktualisiert am 28. September 2022
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