Glückwunsch zum Ergebnis. Wie kam es dazu?
Wir haben die ganze Nacht verhandelt und die Vereinbarung erst wenige Minuten vor dem geplanten Streikbeginn um 6 Uhr früh unterzeichnet. Parallel zu den Verhandlungen trieben wir die Streikvorbereitungen voran. Wir hatten 440 von etwa 1.300 Betten sowie acht komplette Stationen zur Schließung angemeldet. Diese Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, sich am Streik zu beteiligen, hat einen enormen Druck erzeugt. Das war die Basis dafür, dass die Klinikleitung sehr weit auf uns zugekommen ist.
Was hat ver.di herausgeholt?
Die Kolleginnen und Kollegen der Unikliniken Düsseldorf und Essen haben mit ihrem Abschluss eine tolle Vorlage geliefert. Auf dieser Grundlage konnten wir uns auch am Homburger Universitätsklinikum einigen. Vieles aus der Vereinbarung in Nordrhein-Westfalen haben wir übernommen: Mit 145 zusätzlichen Stellen – 15 davon in nicht-pflegerischen Bereichen – ist der Stellenaufwuchs anteilig sogar noch ein wenig höher als in NRW. Wie dort wird in den nächsten 18 Monaten flächendeckend eine Regelbesetzung berechnet, bis dahin gilt eine Sollbesetzung. Wird diese unterschritten, treten verschiedene Sofortmaßnahmen wie die Verlegung von Patient/innen, das Aussetzen elektiver Maßnahmen oder die Reduzierung von OP-Kapazitäten in Kraft. Wir konnten aber noch eine zusätzliche Konsequenz festschreiben: Bekommt der Arbeitgeber Überlastungssituationen innerhalb von drei Tagen nicht in den Griff, sammeln die betroffenen Beschäftigten »Belastungstage«. Wenn sie acht solcher Tage zusammen haben, erhalten sie im nächsten Monat einen zusätzlichen freien Tag. Das ist ein großer Erfolg.
Warum ist diese Regelung so wichtig?
Weil im Unterschied zu den bisherigen Entlastungs-Vereinbarungen ein individueller Anspruch auf Belastungsausgleich geschaffen wird. Tritt die vereinbarte Entlastung nicht ein, kann also nicht nur ver.di rechtlich dagegen vorgehen. Auch der einzelne Beschäftigte hat die Möglichkeit, sich Entlastung durch zusätzliche Freizeit zu verschaffen. Dieser Regelung gilt ab dem 1. April 2019. Übrigens bekommen auch Kolleg/innen, die im Bereitschafts- und Rufdienst einspringen, einen solchen »Belastungstag«.
Pressemitteilung, Berlin, 19.09.2018. In ihrem tarifpolitischen Kampf um Entlastung der Beschäftigten in Krankenhäusern verzeichnet die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen weiteren Erfolg. Am Mittwochmorgen haben Arbeitgeber und ver.di nach einem 20-stündigen Verhandlungsmarathon eine Vereinbarung zur Entlastung für die Beschäftigten am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) erzielt. Ohne diese Lösung wären die Beschäftigten mit Beginn der Frühschicht in einen unbefristeten Streik getreten. "Die Vereinbarung zur Entlastung ist ein Erfolg der Beschäftigten, die mit ihrer hohen Streikbereitschaft Druck gemacht haben. Sie wollen nicht länger ihre Gesundheit im Klinikalltag verschleißen lassen", sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. "Unsere Vereinbarungen mit Arbeitgebern zur Entlastung der Beschäftigten entbinden die Politik jedoch nicht von ihrer Pflicht, bundesweit gesetzliche Personalbemessungsvorgaben zu machen, um eine sichere Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten."
Ein Meilenstein der Vereinbarung am UKS ist die Einführung eines verbindlichen individuellen Belastungsausgleiches. Beschäftigte, die mehrere Schichten in Unterbesetzung leisten müssen, erhalten einen Anspruch auf eine Freischicht. Zudem verpflichtet sich das UKS, 145 zusätzliche Vollzeitstellen zu schaffen, davon 15 im nichtmedizinischen Bereich.
Zuletzt hatte ver.di nach wochenlangen Streiks Ende August an den Unikliniken Essen und Düsseldorf Vereinbarungen zur Entlastung durchgesetzt. Am Klinikum Augsburg haben Gespräche zur Entlastung bislang keine Einigung gebracht; deshalb bereitet ver.di dort Arbeitskampfmaßnahmen vor.
Inwiefern wurden die aktiven Kolleginnen und Kollegen in die Verhandlungen einbezogen?
Die Verhandlungskommission hat die Gespräche in der Nacht immer wieder unterbrochen und die Zwischenstände mit den Teamdelegierten diskutiert, die auch vor Ort waren. Das waren durchaus komplizierte und auch kritische Diskussionen. Letztlich gab es aber eine große Einigkeit: Bei einer Enthaltung wurde beschlossen, den Kompromiss anzunehmen und den Streik nicht zu beginnen. Ich bin beeindruckt von der großen Ernsthaftigkeit, mit der alle die Diskussionen geführt haben. Nicht nur unser Verhandlungsführer Frank Hutmacher, sondern auch die ehrenamtlichen Mitglieder der Verhandlungskommission haben eine hervorragende Rolle gespielt.
Welche Kritik gibt es am Kompromiss?
Naturgemäß konnten wir nicht alle unsere Wünsche durchsetzen. Die entscheidende Frage wird auch hier im Saarland sein, ob die Maßnahmen zur Entlastung vollständig umgesetzt werden und ob die Konsequenzen greifen, wenn das nicht der Fall ist. Dabei sind alle Akteure gefordert – der Arbeitgeber, ver.di und der Personalrat. Wir stehen der betrieblichen Interessenvertretung stets mit Rat und Tat zur Seite, damit sie die Regelungen im Interesse der Kolleginnen und Kollegen bestmöglich nutzen kann.
Wie geht es jetzt weiter?
In den nächsten Tagen müssen wir noch über einige kleinere Aspekte verhandeln, die wir in der Nacht nicht mehr bearbeiten konnten. Wir werden das Verhandlungsergebnis intensiv in der Belegschaft diskutieren und die ver.di-Mitglieder natürlich dazu aufrufen, in einer Urabstimmung darüber zu befinden. Mit dem Arbeitgeber haben wir zudem vereinbart, auch über die Frage des Tarifvertrags zu sprechen. Für die Uniklinik gilt der Tarifvertrag der Länder (TV-L), der für Beschäftigte von Krankenhäusern deutlich schlechter ist als der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Es ist kein Zustand, dass Pflegekräfte in einem Universitätsklinikum mit rund 5.000 Beschäftigten schlechter dran sind als ihre Kolleginnen und Kollegen im Kreiskrankenhaus nebenan. Darüber müssen wir sprechen.
Die für Samstag um 15:30 Uhr geplante »Care-Parade – Den Notstand wegbassen« werden wir trotz der Einigung durchführen. Wir machen klar: Mit der Vereinbarung am Homburger Uniklinikum ist das Thema Entlastung längst nicht erledigt. Die Regierenden in Bund und Ländern stehen in der Verantwortung, endlich verbindliche gesetzliche Personalvorgaben in allen Bereichen der Krankenhäuser zu beschließen. Bis das erreicht ist, machen wir weiter Druck.
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