Klinikpersonal entlasten

Entlastung oder Streik

Warnstreiks an Krankenhäusern in Düsseldorf, Essen, Homburg und Brandenburg demonstrieren Entschlossenheit der Beschäftigten, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.
21.06.2018
Aktive aus Jena, Düsseldorf, Essen, dem Saarland und Bad Langensalza beim Protest anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz in Düsseldorf, 20. Juni 2018

»Wir lassen keinen aus der Verantwortung«, stellte Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand bei der Demonstration am 20. Juni 2018 in Düsseldorf klar. 4.000 wütende Beschäftigte aus Kliniken und Pflegeeinrichtungen erinnerten die Gesundheitsminister/innen des Bundes und der Länder lautstark daran, dass sie allesamt im Wahlkampf Verbesserungen versprochen haben. Doch auch die Arbeitgeber stünden in der Pflicht, die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen, betonte Bühler. »Es darf nicht sein, dass die unternehmerische Freiheit mehr zählt als die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten.« Deshalb mache ver.di die Entlastung auch zum Thema von Tarifverhandlungen.

»Die Kolleginnen und Kollegen der Charité haben angefangen, für einen Tarifvertrag Entlastung zu kämpfen – mit Erfolg«, sagte die Leiterin des ver.di-Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. Auch am Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie an den vier baden-württembergischen Unikliniken konnte ver.di Tarifregelungen durchsetzen. Und nun haben die Beschäftigten der Unikliniken in Düsseldorf, Essen und Homburg sowie des Städtischen Klinikums Brandenburg den Staffelstab übernommen und sind für Entlastung in den Warnstreik getreten.

Gute Streikbeteiligung

 
Streiks an den Unikliniken Düsseldorf (19./20.6.) und Essen (20.6.)

»Die Tarifbewegung für Entlastung trifft den Nerv – nichts brennt den Kollegen mehr unter den Nägeln als dieses Thema«, berichtete Gerd Küpper, der im Krankentransport des Uniklinikums Essen arbeitet. Das zeigte sich auch daran, dass sich am ersten Warnstreik am 20. Juni in Essen gleich 400 Beschäftigte beteiligten. Den Grund sieht Küpper darin, dass die Arbeitgeber »den Bogen überspannt« haben. »Die Personaldecke ist so kurz, dass es gleich zur Katastrophe kommt, wenn nur ein einziger ausfällt.« Die Kolleginnen und Kollegen seien fest entschlossen, das nicht länger hinzunehmen.

Im nahgelegenen Düsseldorfer Uniklinikum haben die Pflegekräfte schon sieben Mal für Entlastung gestreikt – zumeist gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Servicegesellschaften, die einen Tarifvertrag auf dem Niveau des Ländertarifs fordern. Am Dienstag und Mittwoch beteiligten sich jeweils rund 450 Beschäftigte am Warnstreik. »Sollte der Klinikvorstand auch diese Warnung ignorieren, werden wir die Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik vorbereiten«, kündigte ver.di-Verhandlungsführer Jan von Hagen an. Julian Winter, der zusammen mit 13 Kolleginnen und Kollegen seiner Intensivstation zur Streikkundgebung gekommen ist, sagte: »Auf meiner Station haben wir uns alle in ver.di organisiert, denn es reicht uns jetzt.« Die Arbeitsbedingungen müssten sich dringend verbessern, weil sonst immer mehr Pflegekräfte ihrem Beruf den Rücken kehrten.

Der OP-Pfleger Thomas Zmrzly kritisierte das Vorgehen der Klinikleitung gegen den Streik: »Wir werden permanent mit arroganten und unglaublichen Vorwürfen belegt, dieses Auftreten nach Gutsherrenart gegenüber der Belegschaft geht gar nicht.« Die Düsseldorfer Klinikdirektoren hatten in der Woche vor dem Warnstreik in einer großflächige Anzeige einen »offenen Brief« an die ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Stephanie Peifer veröffentlicht. Darin behaupteten sie, ein Streik gefährde »das Wohlergehen, die Gesundheit und im Extremfall das Leben unserer Patienten«. In ihrer Antwort erklärte Peifer: »Statt in ernsthafte Verhandlungen über Entlastung mit ver.di einzusteigen und die eklatante Personalsituation an der Uniklinik zu verbessern, machen Sie mit dieser PR-Aktion Stimmung gegen die Beschäftigten des Uniklinikums Düsseldorf, weil sie von ihrem demokratischen Recht auf Streik Gebrauch machen und darauf hinweisen, dass der Pflegenotstand am UKD krank macht.« Nicht der Streik gefährde die Patientinnen und Patienten, sondern der tägliche Normalzustand.

Streikverbot gescheitert

 
Streiks für Entlastung in Krankenhäusern. Banner an einer Brücke in NRW

Mit harten Bandagen wird auch am Uniklinikum des Saarlandes gekämpft. Dort versuchte das Management, den Warnstreik durch Anträge auf eine einstweilige Verfügung zu verhindern – eingereicht beim Arbeitsgericht im 700 Kilometer entfernten Berlin. Doch ohne Erfolg, das Gericht wies sämtliche Anträge der Klinikleitung zurück. Während des zweitägigen Ausstands wurde eine Station in der Frauenklinik ganz geschlossen, etliche Betten konnten nicht belegt werden, die meisten Operationen fielen aus. Auch nach dem planmäßigen Ende des Warnstreiks wird an der Homburger Uniklinik keine Ruhe einkehren. Für Freitagnacht ist eine »Lichterprozession« unter dem Motto »Wir leuchten für unser Krankenhaus« geplant. Damit wollen die Beschäftigen um Punkt Mitternacht das Ablaufen ihres 100-Tage-Ultimatums begehen, das sie den politisch Verantwortlichen und der Klinikleitung gesetzt haben. Danach soll die Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik vorbereitet werden.

Am anderen Ende der Republik, am Städtischen Klinikum Brandenburg, waren die ver.di-Aktiven mit der Warnstreikbeteiligung am Mittwoch und Donnerstag ebenfalls zufrieden. Am Mittwoch legten über 100 Kolleginnen und Kollegen die Arbeit nieder, wodurch die Versorgung deutlich eingeschränkt wurde. So konnten sechs der zehn OP-Säle nicht genutzt werden; Neuaufnahmen mussten von Ärzt/innen statt von Pflegekräften vorgenommen werden. Am Donnerstag demonstrierten rund 80 Streikende durch Brandenburg an der Havel.

Einen für denselben Tage geplanten Verhandlungstermin sagte die Klinikleitung wegen des Warnstreiks ab. Zuvor hatte sie 40 bis 60 zusätzliche Stellen angeboten – die aus Sicht von ver.di mit Fachkräften besetzt werden müssten. Doch in der Frage, was geschieht, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden, gibt es bislang keine Annäherung. »Dieses Konsequenzenmanagement ist der Knackpunkt«, erklärte der Krankenpfleger Andreas Kutsche von der ver.di-Tarifkommission. »Für uns ist klar: Wenn weniger Personal da ist als nötig, müssen Betten oder auch ganze Stationen geschlossen werden. Alles andere gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten und die Versorgung der Patienten.«

 

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