Wer ist nachts schon gern allein? Die Pflegekräfte der SHG-Kliniken im saarländischen Völklingen haben dieses Problem jetzt nicht mehr: ver.di und die Geschäftsführung der Saarland Heilstätten GmbH erklärten Völklingen am 1. März in einer Vereinbarung »zum ersten Krankenhaus in Deutschland, in dem keine Pflegekraft nachts allein arbeitet«. In dem bei einer Auftaktveranstaltung zum »Monat der Pflegeberufe« unterzeichneten Papier heißt es weiter: »Wir beauftragen die Betriebsparteien der SHG-Kliniken in Völklingen, eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen.«
Wie wichtig diese Vereinbarung ist, machte die alte und neue saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) deutlich, indem sie unmittelbar nach ihrer erneuten Vereidigung im Landtag – quasi als erste Amtshandlung – in die Saarbrücker Congresshalle eilte, um der Unterzeichnung beizuwohnen und durch ihre Unterschrift zu unterstützen. Sie sprach sich dafür aus, dass bald auch andere Krankenhäuser diesem Beispiel folgen sollten. Sie meinte, sie denke jeden Morgen an ver.di, denn sie stimme der Losung zu: »Aufstehn für die Pflege«.
Der Kontrakt ist das erste Ergebnis der Verhandlungen über Entlastung, die ver.di seit dem Spätherbst vergangenen Jahres mit den SHG-Kliniken führt. Anders als andere Krankenhäuser, die dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) angehören, war die Klinikleitung in Völklingen der Aufforderung von ver.di zu Verhandlungen gefolgt. Im Oktober hatten beide Seiten eine Prozessvereinbarung über Schritte in Richtung Entlastung geschlossen. Die nun getroffene Vereinbarung über die Besetzung der Nachtdienste ist das erste konkrete Ergebnis.
»Das ist ein wichtiges Signal an alle anderen Krankenhäuser der Republik, die Alleinarbeit in der Nacht endlich zu beenden«, so ver.di-Landesfachbereichsleiter Frank Hutmacher. SHG-Geschäftsführer Alfons Vogtel forderte eine Refinanzierung, um solche Regelungen überall einführen zu können. Laut »Nachtdienstcheck« sind beinahe zwei von drei Pflegekräften nachts allein auf der Station. Sie betreuen dabei im Durchschnitt 26 Patientinnen und Patienten. »Das gefährdet Menschenleben«, machte ver.di-Sekretär Michael Quetting deutlich. 60 Prozent der allein arbeitenden Pflegekräfte hatten in der Befragung angegeben, in den vorangegangenen vier Wochen mindestens eine gefährliche Situation erlebt zu haben, die mit mehr Personal vermeidbar gewesen wäre. Auf großen Stationen mit 41 und mehr Patient/innen lag dieser Wert gar bei 78 Prozent. »Damit muss Schluss sein«, forderten die Gewerkschafter.
Auch in Völklingen ist allerdings noch einiges zu tun. »Die Vereinbarung ist ein erster Schritt, weitere müssen folgen«, stellte Quetting am ver.di-Informationstand im Saarbrücker Congresscentrum klar. Hunderte Jugendliche hatten sich bei der Auftaktveranstaltung zum „Monat der Pflegeberufe“ auch bei ver.di informiert. Aktuell gehe es bei den Verhandlungen insbesondere um die Einrichtung eines Pools von Pflegekräften, der Ausfälle kompensieren soll. Vertreter der Geschäftsführung, von ver.di und des Betriebsrats haben dafür kürzlich eigens die Uniklinik in Mainz besucht, um sich Anregungen für eine praxisnahe Umsetzung zu holen. »Wichtig ist, dass die Beschäftigten im Pool ihre Arbeitszeiten nach den eigenen Bedürfnissen gestalten können«, erläuterte Quetting die Anforderungen der Gewerkschaft. »Zudem muss es für sie einen angemessenen finanziellen Ausgleich geben. Und es müssen neue Stellen für den Pool geschaffen werden.«
Zusätzliche Stellen soll es auch für die bessere Besetzung der Nachtdienste geben. »Darauf haben wir vom Betriebsrat bestanden«, stellte die Betriebsratsvorsitzende Sandra Bollinger-Drudi klar. »Generell sollte auf keiner Station in keinem Krankenhaus mehr nachts allein gearbeitet werden«, betonte sie. Ohne eine zweite Pflegekraft sei es zum Beispiel nicht möglich, die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen einzuhalten. Auch haftungsrechtlich sei Alleinarbeit bedenklich. Deshalb könne die Völklinger Vereinbarung durchaus als Vorbild für anderen Kliniken dienen.
Auf Seiten der SHG unterzeichneten die Geschäftsführer Bernd Mege und Alfons Vogtel die Vereinbarung, für ver.di unterschrieben Hutmacher und Quetting. Unterstützung erhielten sie durch die Unterschriften der Ministerin Monika Bachmann, des Verwaltungsdirektors Rudolf Altmeyer und der Betriebsratsvorsitzenden Sandra Bollinger-Drudi.
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