In allen Teilen der Republik haben Krankenhausbeschäftigte am Dienstag (12. September 2017) auf fehlendes Personal und Überlastung hingewiesen. Beim »Aktionstag Händedesinfektion« machten sie klar: Wenn nicht genug Pflegekräfte auf den Stationen sind, bleiben notwendige Tätigkeiten auf der Strecke – zum Beispiel die vorgeschriebene Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt.
Jede Händedesinfektion ein Klick – auf den 13 »Aktionsstationen« des Essener Uniklinikums hielten die Pflegekräfte am Dienstag penibel fest, wie oft sie sich an diesem Tag 30 Sekunden lang die Hände desinfizierten. Die ver.di-Aktiven hatten zuvor Klickzähler verteilt und in den Teams Diskussionen darüber angestoßen, wie viel Personal nötig ist, um gut zu pflegen und alle Aufgaben ohne Hektik zu erledigen. »Die Kolleginnen und Kollegen waren sehr zurückhaltend, dennoch kam heraus, dass je nach Station eine ein- bis zweistellige Zahl von Pflegekräften fehlt«, berichtete der Kinderkrankenpfleger Christian Dehmel. In einem »Teamversprechen« versprachen sich die Beschäftigten der betreffenden Stationen, an den Aktionstagen zur Händedesinfektion und zur Einhaltung der Pause (am 19. September 2017) teilzunehmen. Zudem wollen sie Grenzen setzen, indem sie sich im Oktober zwei Wochen lang kollektiv weigern, außerhalb des Dienstplans einzuspringen.
Im städtischen Klinikum Brandenburg haben sich vier Stationen am Aktionstag Händedesinfektion beteiligt. »Auf einer gab es genug Personal, so dass die Arbeit so gemacht werden konnte, wie es sein soll«, sagte der Krankenpfleger Andreas Kutsche von der ver.di-Betriebsgruppe. »Das zeigt, wie es gehen kann.« Doch auf den drei anderen Stationen staute sich die Arbeit: Essen wurden später ausgeteilt, Patient/innen mit Verzögerung zu Untersuchungen gebracht, Blutzuckerwerte verspätet gemessen. Zudem konnte mehrfach keiner ans Telefon gehen, weil er oder sie die 30sekündige Händedesinfektion sonst hätte unterbrechen müssen.
Auf einer Station des Brandenburger Klinikums musste die Aktion abgebrochen werden, weil sich zu viel Arbeit angestaut hatte. Hier dokumentieren die Pflegekräfte die Situation in einer Überlastungsanzeige. Welche Stationen die Aktion durchgeführt haben und welche sie abgebrochen hat, möchten die ver.di-Aktiven nicht veröffentlichen. Denn als eine Krankenpflegerin vor zwei Jahren darauf hinwies, dass die Händehygiene wegen der Überlastung teilweise nicht vorschriftsmäßig durchgeführt werden kann, erhielt sie eine Abmahnung. »Mit einem solchen Vorgehen wird eine offene Diskussion über das Problem verhindert«, kritisiert der Brandenburger ver.di-Sekretär Torsten Schulz. »Die Klinikleitungen sollten stattdessen endlich für mehr Personal auf den Stationen sorgen.« Mit dem »Das-Soll-ist-voll-Rechner« haben Teams errechnet, dass das vorhandene Personal oft nur bis zum 20. des Monats reicht, wenn man eine angemessene Schichtbesetzung zugrunde legt.
Abgebrochen wurde die Aktion auch im städtischen Klinikum Köln. Zuvor war der Leitende Pflegedirektor über die Stationen gelaufen und hatte den Kolleginnen und Kollegen untersagt, sich am Aktionstag zu beteiligen, weil dieser einen »ungerechtfertigten Eingriff in die Ablauforganisation des Krankenhauses« darstelle. Die zuständige ver.di-Sekretärin Astrid Rogge-Musall reagierte empört. »Den Beschäftigten zu untersagen, an einem gewerkschaftlichen Aktionstag teilzunehmen, ist schon ein starkes Stück und ein ungerechtfertigter Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Kolleginnen und Kollegen.« Zumal ver.di die Pflegekräfte lediglich dazu aufgefordert hatte, ihre Arbeit streng nach Vorschrift zu machen.
Als einen »traurigen Erfolg« bezeichnete der saarländische ver.di-Sekretär Michael Quetting den Aktionstag. In dem kleinen Bundesland hatten sich 78 Stationen in 16 Kliniken beteiligt. Doch schon um 8 Uhr hatten 34 Teams kollektiv beschlossen, die Aktion zu beenden. »Die Personalsituation in den Krankenhäusern ist so angespannt, dass eine Arbeit nach Vorschrift zum Zusammenbruch führt«, kommentierte Quetting. Nach nicht einmal zehn Stunden beendete ver.di-Landesfachbereichsleiter Frank Hutmacher die Aktion, an der sich in Rheinland-Pfalz 130 Teams aus 27 Kliniken beteiligt hatten. »Wir sind erschüttert, dass jetzt schon Situationen auftreten, in denen die Pflegekräfte an die Grenze des Vertretbaren kommen«, sagte er. Das belege erneut, wie dringend notwendig verbindliche gesetzliche Personalvorgaben für die Krankenhäuser seien.
In den meisten baden-württembergischen Krankenhäusern, wo sich Teams von 60 Stationen in 15 Kliniken beteiligten, musste der Aktionstag ebenfalls frühzeitig beendet werden, weil kein zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wurde. Gleiches gilt für Hamburg. »Die Beschäftigten hätten ihre Patienten sonst nicht ordentlich versorgen können«, begründete ver.di-Sekretär Arnold Rekittke den Schritt. »Es ist bitter, dass für eine ordnungsgemäße Hygiene keine Zeit ist. Mit noch so viel Einsatz kann nicht ausgeglichen werden, dass an allen Ecken und Enden Personal fehlt.«
Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand betone in einer Pressemitteilung: »Hier geht es nicht um individuelles Fehlverhalten, sondern um ein vorsätzliches Versagen von Arbeitgebern.« Ausreichend Personal sei eine notwendige Voraussetzung für ein hygienisches Krankenhaus.
Materialien für den Aktionstag zum Runterladen und Ausdrucken auf Seite 2
Psychiatrie, Servicebetriebe
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