Erstmals beteiligt sich ein katholisches Krankenhaus an den Streiks für mehr Personal und Entlastung. Am 11. Oktober 2017 legten Pflegekräfte der Marienhausklinik im saarländischen Ottweiler die Arbeit nieder. Sie wollen nichts anders als ihre Kolleginnen und Kollegen in öffentlichen und privaten Krankenhäusern: Arbeitsbedingungen, die eine gute Pflege ermöglichen und die Beschäftigten nicht krank machen.
»Es fühlt sich sehr gut an«, sagt Anne Schmidt über den ersten Streik ihres Lebens. Seit über 20 Jahren arbeitet die Krankenschwester in der Ottweiler Marienhausklinik. Einen Arbeitskampf hat es in dem katholischen Haus noch nie gegeben. Bis heute. »Wir haben jede Menge Aktionen gemacht, eine aktive Mittagspause, Briefe an den Bischof geschrieben, doch es hat alles nicht gefruchtet«, erklärt Anne Schmidt. »Deshalb greifen wir jetzt zum letzten Mittel, das uns bleibt: Streik.« Die 59-Jährige möchte sich nicht länger mit den Zuständen abfinden. »Wir wollen, dass menschenwürdige Pflege wieder möglich ist, wir wollen mehr Menschlichkeit.« Dass ausgerechnet eine Klinik, die sich auf christliche Nächstenliebe beruft, das verhindern wollte, ist ihr unverständlich.
»Im Saarland sagen die Menschen: Großes entsteht im Kleinen«, erklärt Anne Schmidt. Das erhofft sie sich auch von diesem Streik. Die Ottweiler Klinik ist ein kleines Haus mit 121 Betten. Und dennoch schreibt ihre Belegschaft Geschichte – als erste eines katholischen Krankenhauses, die ihr Grundrecht auf Streik wahrnimmt. »Die Resonanz darauf ist absoluter Wahnsinn«, freut sich die Krankenpflegerin über die vielen Medienberichte und Solidaritätsbekundungen. »Das stärkt uns den Rücken.«
Auch ihr Kollege Tim Umhofer ist voller Hoffnung, dass sich die Situation in der Pflege verbessern lässt. »Wir freuen uns sehr, dass wir Teil der bundesweiten Bewegung für Entlastung sind«, sagt der 24-Jährige. »Unser Streik könnte die Kollegen bei anderen katholischen Arbeitgebern motivieren, sich sowas in Zukunft auch zuzutrauen.« Das Management habe im Vorfeld massiv versucht, die Beschäftigten vom Streik abzuhalten. Manche habe das verunsichert. Doch bei der Gruppe von Pflegekräften, die sich seit einem Jahr regelmäßig trifft und über Themen wie Krankenhausfinanzierung und kirchliches Arbeitsrecht diskutiert, hätten die Einschüchterungsversuche überhaupt nicht verfangen. »Wir wissen, dass das Streikrecht auch für uns gilt. In ganz, ganz vielen Gesprächen haben immer wieder unsere Argumente vorgebracht und versucht, den Leuten die Angst zu nehmen«, berichtet der Krankenpfleger. »Das hat gewirkt.«
Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand betonte auf der Streikversammlung, es sei »großartig, dass sich auch die Beschäftigten konfessioneller Krankenhäuser nicht mehr moralisch erpressen lassen und für ihre Rechte eintreten«. Kirchliche Träger seien wie alle anderen Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Arbeit nicht krank macht. Die Gewerkschafterin äußerte »Hochachtung« vor dem Mut der Streikenden, die sich nicht einschüchtern ließen. »Es ist toll, dass sie in der großen Auseinandersetzung um mehr Personal mit vorangehen.« In vielen kirchlichen Häusern seien die Arbeitsbedingungen ebenso dramatisch wie in den meisten anderen Kliniken. »Die Kolleginnen und Kollegen setzen heute ein Zeichen, dass sie nicht länger bereit sind, die Personalnot auf ihrem Rücken auszutragen«, betonte Bühler.
Aus dem ganzen Bundesgebiet erreichten die Streikenden Solidaritätsbotschaften. So schickten die rund 50 Teilnehmer/innen einer Fachtagung diakonischer Mitarbeitervertretungen ein Solidaritätsfoto ins Saarland. Christian Dehmel, Kinderkrankenpfleger im Uniklinikum Essen, reiste die rund 300 Kilometer nach Ottweiler, um die Streikenden vor Ort zu unterstützen. »Wenn sich die Pflegekräfte in diesem kleinen katholischen Krankenhaus so etwas trauen, verdient das unser aller Unterstützung«, betonte er. Die Bewegung für Entlastung könne nur trägerübergreifend erfolgreich sein. »Wir brauchen diese Kollegen – gemeinsam können wir etwas verändern.«
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