Die Mogelpackung

Das Märchen von den Untergrenzen

16.07.2018
Das Märchen von den Untergrenzen

Es war einmal vor gar nicht so langer Zeit in einem Krankenhaus irgendwo in Deutschland. Es begab sich, dass viel zu wenig Pflegekräfte immer mehr Patientinnen und Patienten versorgen mussten. Sie waren sehr erschöpft und in großer Sorge um ihre eigene Gesundheit. Einige von ihnen taten sich zusammen und berieten, dass sich daran etwas ändern müsse. Sie wurden immer lauter und lauter und irgendwann hörte sie auch der Gesundheitsminister. „Ich habe verstanden“, rief er den Pflegekräften zu, und beauftragte andere, das Problem zu lösen. „Arbeitgeber und Krankenkassen“, befahl er, „leget mir ein Konzept vor.“

 
Krankenhausbeschäftigte fordern mehr Personal und Entlastung

Ein Jahr verstrich, die Pflegekräfte wurden unruhig. Doch eines Tages überreichte ihnen ein Bote ein großes Paket. Darauf stand „Mehr Personal“. Die Pflegekräfte konnten es kaum erwarten und öffneten es in großer Vorfreude und Hoffnung. Doch was war das? Ihre Hände durchwühlten nur Mengen von geknülltem Papier. „Soll das die Lösung für unser Problem sein?“, fragten sie den Boten. „Naja, es ist nicht wirklich mehr Personal drin“, antwortete dieser. „Aber immerhin Untergrenzen für die Personalausstattung.“ „Untergrenzen?“ wunderten sich die Pflegekräfte.

„Untergrenzen für das ganze Krankenhaus könnten uns vielleicht wirklich erst mal helfen.“ „Naja, sie gelten aber nicht für das ganze Krankenhaus, sondern nur für wenige Bereiche“, schränkte der Bote ein. „Für eure Station gelten sie nicht. Aber ihr könnt mithelfen, dass die Untergrenzen in der Station nebenan eingehalten werden. Ihr müsst dann einfach selbst mit weniger Personal auskommen. “ Eine der Pflegekräfte gab nicht auf: „Wenn die Untergrenzen gut gemacht sind, helfen sie wenigstens einigen Bereichen, oder?“ Der Bote lachte auf: „Gut gemacht? Eher nicht. Auch für diese Bereiche wird sich kaum etwas bessern. Dafür sind die Untergrenzen viel zu niedrig.“

 

Die anderen Pflegekräfte wühlten indes weiter. Immer mehr Papier zogen sie aus dem Karton. Die eine Pflegekraft, die die Hoffnung noch nicht verloren hatte, ließ nicht locker: „Aber dann müssen die Arbeitgeber doch wenigstens in jeder Schicht die Untergrenzen einhalten – so schlecht sie auch sein mögen.“ „Weit gefehlt“, entgegnete der Bote. „Die Einhaltung der Untergrenzen muss nur im Durchschnitt nachgewiesen werden.“ Ehrfürchtig hob eine der Pflegekräfte plötzlich ein kleines Kistchen in die Höhe. Sie hatte es zwischen all dem Papier erfühlt. Die Pflegekräfte erstarrten. Sollte sich nun doch noch alles zum Guten wenden?

Vorsichtig öffneten sie das Kistchen - erschraken fürchterlich. Heraus kam ein Springteufelchen und machte „Ätsch“! Die Pflegekräfte wunderten sich sehr. Sie berieten sich und sannen darüber nach, was die Botschaft des Gesundheitsministers bedeuten solle. War es ein Rätsel? War es ein Zauber? Die Hoffnungsfrohe küsste den Springteufel, eine andere nahm ihr das Kistchen aus der Hand und schleuderte es gegen die Wand, eine dritte hob es auf und setzte dem Teufel eine neue Hüfte ein – alles in der Hoffnung, das Teufelchen würde sich doch noch in die lang ersehnten zusätzlichen Pflegekräfte verwandeln. Aber nichts geschah.

Der Bote zuckte mit den Schultern. „Was dachtet ihr denn?“, fragte er. „Ihr habt zwar laut gerufen, aber eure Arbeitgeber sind viel mächtiger als ihr. Damit ihr endlich Ruhe gebt, hat der Minister doch immerhin das Päckchen aufwändig verpackt. Das hat schon oft geholfen.

Da warfen die Pflegekräfte den Springteufel, das Kistchen und das viele Papier zurück in die Kiste, klappten sie zu und gaben sie dem Boten zurück. „Nein danke“, sagten sie. „Das kannst du dem Gesundheitsminister zurückgeben. Sag ihm: Das ist eine Retoure. Die Pflegekräfte verweigern die Annahme.“  Dann berieten sie und machten einen Plan.

NOCH NICHT DAS ENDE

 
Die Pflegekräfte sind sich einig: So eine Mogelpackung brauchen wir nicht.

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