Mit einer Vielzahl betrieblicher Aktionen haben Krankenhausbeschäftigte am 14. und 15. November 2017 die künftigen Regierungsparteien an ihre Versprechen erinnert: Union, FDP und Grüne müssen rasch für mehr Personal und Entlastung in den Kliniken sorgen. Doch auch ihre Arbeitgeber lassen sie nicht aus der Verantwortung: Am Uniklinikum Düsseldorf und im KRH Klinikum Region Hannover legten Beschäftigte erneut die Arbeit nieder, um Druck zu machen für einen Tarifvertrag Entlastung.
»Es muss verbindliche gesetzliche Personalvorgaben für alle Bereiche des Krankenhauses geben – das muss die neue Regierung endlich umsetzen«, fordert der Krankenpfleger Philipp Berno, der in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau arbeitet. Er und seine Kolleg/innen haben – wie fast alle Teams in dem kleinen unterfränkischen Krankenhaus – beschlossen, zwei Tage lang nicht außerhalb des Dienstplans einzuspringen. Um ein Zeichen zu setzen. Damit sich endlich etwas ändert. Für den 31-Jährigen ist es das größte Problem, wenn Schichten nicht angemessen besetzt sind, wenn Pflegehelfer/innen statt examinierter Kräfte eingesetzt werden oder man seine Pause nicht nehmen kann. »Wenn es keine strikten Vorgaben gibt, wird das gnadenlos ausgenutzt – damit muss Schluss sein.«
Dass die beharrlichen Aktionen Eindruck machen, zeigt das Beispiel der Uniklinik Essen. Dort hat das Management der Aufnahme von Gesprächen über Entlastung zugestimmt. In den vergangenen Wochen hatten sich etliche Teams an allen bundesweiten Aktionstagen beteiligt – von korrekter Händedesinfektion über die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen bis hin zur kollektiven Verweigerung, aus dem Frei einzuspringen. Als ver.di die Uniklinik dann auch noch zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung aufforderte, stimmte das Management einem Sondierungsgespräch zu, das am 5. Dezember stattfinden soll. Seither läuft der Countdown: Jeden Tag wird im Kantinenaufgang ein weiteres Foto aufgehängt, auf dem ein Team Entlastung fordert. »Damit machen wir deutlich: Wenn bei dem Gespräch nichts herauskommt, sind die Kolleginnen und Kollegen aktionsbereit«, erklärt die Personalrätin Alexandra Willer. In allen Bereichen – auch außerhalb der Pflege – sei klar, dass Entlastung dringend nötig ist. »Es ist gut, dass die Klinikleitung das Problem erkennt und mit ver.di nach Lösungen suchen will«, so die Gewerkschafterin. »Klar ist aber auch: Dieses Problem werden wir nicht in einem Haus alleine lösen. Es braucht eine gesetzliche Personalbemessung, die für alle gilt.«
Als Angela Merkel von dem Auszubildenden Alexander Jorde im Wahlkampf mit den unmenschlichen Zuständen in der Pflege konfrontiert wurde, versprach sie, für »mehr Standards« in den Krankenhäusern zu sorgen. Mit der Foto-Aktion »Halte dein Versprechen, Kanzlerin« erinnern Krankenhausbeschäftigte sie und die angehenden Koalitionäre daran. Schickt bis zum 6. Dezember Fotos mit euren Forderungen an gesundheit-soziales@verdi.de Hier gibt es Sprechblasen, die ihr dafür verwenden könnt. Die Fotos werden gesammelt an die Parteien übergeben, die die neue Regierung bilden wollen. Damit sie nicht vergessen: Mehr von uns ist besser für alle.
Druckvorlagen für die Sprechblasen: ZIP-Datei runterladen und entpacken, PDF-Vorlagen auf A3 oder A2 ausdrucken, leere Sprechblasen beschriften, in die Kamera halten, fertig.
Anders als im nahegelegenen Essen weigert sich der Vorstand am Düsseldorfer Uniklinikum weiterhin beharrlich, mit der Gewerkschaft über Entlastung zu sprechen. Stattdessen versucht die Klinikleitung, Streiks mit juristischen Mitteln zu behindern. Am Montag erwirkte sie vor dem Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung, mit der fünf Stationsteams untersagt wurde, an der Arbeitsniederlegung teilzunehmen. »Darüber sind die Leute stinksauer. Offenbar hat der Arbeitgeber den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen«, kritisiert Denis Schatilow, der in der Radiologie des Uniklinikums arbeitet.
Am Dienstag zogen mehrere hundert Streikende über das Krankenhausgelände. Mit dabei waren erneut die Beschäftigten der Servicetöchter GKD und UKM, die seit Monaten für einen Tarifvertrag auf dem Niveau des Flächentarifs streiten. Auch viele Auszubildende beteiligten sich am Streik. »Es braucht mehr Personal, auch um die Ausbildungsqualität zu verbessern«, so Denis Schatilow, der auch Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist. »Praxisanleiter müssen für die praktische Anleitung der Auszubildenden von anderen Tätigkeiten freigestellt werden.«
Im KRH Klinikum Region Hannover haben Geschäftsleitung und ver.di immerhin miteinander gesprochen. Doch in reguläre Tarifverhandlungen will das Management nicht einsteigen, weshalb ver.di auch hier für Dienstag und Mittwoch zum Streik aufgerufen hat. »Die Kolleginnen und Kollegen sind aufgebracht, weil sie immer noch nicht den Eindruck haben, dass sie mit ihren Nöten ernst genommen werden«, beschreibt die ver.di-Sekretärin Brigitte Horn die Stimmung. »Sie weisen schon lange auf die Überlastung hin, jetzt muss endlich was passieren.« Entsprechend gut war die Beteiligung: Am Dienstag gingen fast 500 Beschäftigte auf die Straße, am Mittwoch diskutierten mehrere hundert Kolleginnen und Kollegen verschiedener Berufsgruppen auf einer Streikkonferenz über die Arbeitssituation und ihre Forderungen.
Unterstützung erhielten die Streikenden in Hannover aus Bremen. Teams des Klinikums Links der Weser dokumentierten ihre Solidarität mit ihren Hannoveraner Kolleg/innen auf Fotos und stellten diese ins Internet. »Die Probleme sind überall dieselben: Es fehlt an Personal«, erklärt der ver.di-Sekretär Jörn Bracker die Aktion. »Wenn in Hannover ein Tarifvertrag zur Entlastung durchgesetzt wird, wäre das eine gute Vorlage für Bremen und alle anderen Krankenhäuser.« Deshalb sei die Aktion bei den Bremer Pflegekräften sehr gut angekommen.
In der Hansestadt unterstützt auch ein Bündnis von Gewerkschafter/innen und andere Interessierten die Aktionen für mehr Personal im Krankenhaus. »Für die Kolleginnen und Kollegen ist es wichtig, zu sehen, dass sie nicht alleine stehen«, so Bracker. »Und: Eine gute Gesundheitsversorgung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, deshalb ist es gut, wenn sich gesellschaftliche Gruppen bei dem Thema einbringen.« Die politische Verantwortlichen stünden jetzt in der Pflicht, die Rahmenbedingungen rasch zu verbessern.
ver.di Bundesverwaltung
Im ver.di-Mitgliedernetz findet ihr alle Materialien zur Bewegung. In der Gruppe "Klinikpersonal entlasten" findet ihr die Handlungsleitfäden.