An der Kampfbereitschaft der Beschäftigten des Jüdischen Krankenhauses Berlin besteht nach der ersten Streikwoche keinerlei Zweifel. Seit dem 8. Januar 2024 sind vier der zwölf Stationen komplett geschlossen. Viele weitere Betten können ebenfalls nicht belegt werden, sodass die Auslastung bei gerade noch 30 Prozent liegt. »Der Streik läuft sehr stabil an«, bilanziert Gisela Neunhöffer, die bei ver.di in Berlin und Brandenburg für das Gesundheitswesen zuständig ist. »Mit Rücksicht auf die Abschlussprüfungen der Auszubildenden und als Zeichen des guten Willens, werden wir in den nächsten Tagen zunächst keine weiteren Stationen schließen«, so die Gewerkschafterin. »Der Geschäftsführung muss aber klar sein: Wir können den Arbeitskampf jederzeit ausweiten und werden das auch tun, wenn sie nicht schleunigst in ernsthafte Verhandlungen einsteigt.«
Bereits im November haben die Beschäftigten der kleinen Klinik im Stadtteil Wedding ihre Forderungen vorgelegt. Demnach sollen auf den Stationen und in den Bereichen schichtgenaue Personalvorgaben gelten, die eine gute Versorgung und gesunderhaltende Arbeitsbedingungen ermöglichen. Werden diese unterschritten, sollen die betroffenen Kolleg*innen zusätzliche freie Tage als Belastungsausgleich erhalten. In Berlin hat ver.di solche Entlastungs-Tarifverträge bereits bei den großen öffentlichen Klinikträgern Charité und Vivantes erreicht. »Das Jüdische Krankenhaus muss nachziehen, sonst wandern die Kolleginnen und Kollegen in die Häuser mit besseren Arbeitsbedingungen ab«, warnt Neunhöffer.
In den bislang vier Verhandlungsrunden habe der Arbeitgeber lediglich allgemeine Absichtserklärungen gemacht, jedoch kein konkretes Angebot vorgelegt. Zudem wolle sie die Maßnahmen auf Pflegefachkräfte am Bett beschränken. »Für uns ist völlig klar: Auch Hilfs- und Servicekräfte, Physiotherapeut*innen und andere brauchen Entlastung«, stellt die Gewerkschafterin klar. »Krankenhaus ist Teamarbeit. Alle Beschäftigten haben gute Arbeitsbedingungen verdient.« Das Klinikmanagement müsse Schluss machen mit dem Zeitspiel. Diese Botschaft scheint nun anzukommen. Statt erst am 22. Januar werden die Verhandlungen womöglich schon in der kommenden Woche fortgesetzt.
Zugleich erhöht die Belegschaft den Druck auf die politisch Verantwortlichen. Bereits am ersten Streiktag besuchten Kolleg*innen das Landesparlament und führten Gespräche mit Politiker*innen verschiedener Fraktionen. Für kommenden Donnerstag (18. Januar 2024) ist um 8.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus geplant, das an diesem Tag zur Plenarsitzung zusammenkommt. »Das Land trägt für das Jüdische Krankenhaus unmittelbar Verantwortung«, erklärt Neunhöffer. Dieses ist als Stiftung bürgerlichen Rechts organisiert, im Kuratorium besetzt der Senat fünf von neun Sitzen. »Bund und Land müssen für eine Finanzierung sorgen, die es dem Jüdischen Krankenhaus und allen anderen Kliniken ermöglicht, konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen zu bieten.« Andernfalls sei deren Existenz gefährdet, noch bevor die viel diskutierte Krankenhausreform der Bundesregierung umgesetzt wird.
Die Beschäftigten im Jüdischen Krankenhaus jedenfalls wollen weitermachen, bis der Tarifvertrag Entlastung steht. »Wir wollen Patientinnen und Patienten versorgen und nicht streiken, aber wenn es notwendig ist, sind wir auch bereit, eine lange Auseinandersetzung zu führen«, sagt die Pflegerin Birgit Meyenburg, die sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. »Die Streikbereitschaft nimmt weiter zu. Wir sind bereit.«
ver.di Bundesverwaltung
Im ver.di-Mitgliedernetz findet ihr alle Materialien zur Bewegung. In der Gruppe "Klinikpersonal entlasten" findet ihr die Handlungsleitfäden.