Laut, kämpferisch – und nass. So präsentierten sich die rund 4.500 Beschäftigten aller saarländischen Krankenhäuser, die zum Internationalen Frauentag am 8. März 2017 durch Saarbrücken demonstrierten. Auch strömender Regen konnte sie nicht davon abhalten, ihr Anliegen auf die Straße zu tragen: Entlastung und mehr Personal in den Kliniken.
»Hier steht ein Land auf«, sagte ver.di-Sekretär Michael Quetting zur Eröffnung der Kundgebung. »Weil die pflegerische Versorgung jede Bürgerin und jeden Bürger etwas angeht.« Neben den DGB-Gewerkschaften, Parteivertretern und sozialen Initiativen waren auch Delegationen von Krankenhausbeschäftigten aus Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern nach Saarbrücken gekommen, um ihre Solidarität zu zeigen.
Unterstützung kam auch von ungewohnter Seite: Außer ver.di hatten die Saarländische Krankenhausgesellschaft und die Gesundheitsministerin des Landes, Monika Bachmann (CDU), zur Demonstration für mehr Personal aufgerufen. ver.di-Landesfachbereichsleiter Frank Hutmacher nannte das »ein wichtiges Zeichen an die, die im Bund über die Finanzierung der Krankenhäuser entscheiden«. Die am Tag zuvor bekannt gewordene Ankündigung des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU), gesetzliche Untergrenzen für das Pflegepersonal in bestimmten Bereichen festzulegen, bezeichnete er als richtigen, wenn auch unzureichenden Schritt. »In der Politik ist offenbar angekommen, dass Entlastung nötig ist.« Allerdings dürfe man sich dafür nicht noch mehr Zeit lassen. »Wir brauchen Entlastung jetzt, nicht erst 2019.«
Auch ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler begrüßte die Ankündigung verbindlicher Untergrenzen beim Personal. »Anders als es vor allem Unionspolitiker lange glauben wollten, regeln Markt und Wettbewerb es nämlich nicht.« Dass dies nun von der Regierung und allen Parteien anerkannt werde, sei ein Paradigmenwechsel. »Wir ruhen uns aber auf diesem Teilerfolg nicht aus«, betonte Bühler. Nicht nur auf Intensivstationen oder im Nachtdienst sei Entlastung nötig. Alle Bereiche im Krankenhaus bräuchten genug Personal. Dafür werde ver.di den Druck aufrecht erhalten, versprach die Gewerkschafterin.
Sie kündigte an, die bundesweite Bewegung für mehr Personal und Entlastung auch auf betrieblicher Ebene, in den Krankenhäusern, voranzutreiben. »Wir müssen jetzt Politik, Arbeitgebern und Krankenkassen zeigen, wie groß die Personalnot wirklich ist, damit Untergrenzen nicht auf falschen Annahmen festgesetzt werden.«
Saarlands Gesundheitsministerin Monika Bachmann sieht ihre Landesregierung als »Impulsgeberin« für die bundesweite Diskussion. Diese Rolle wolle sie auch in Zukunft spielen, so die Politikerin bei der Kundgebung. Das Saarland wolle über die bundesweit veröffentlichten Pläne hinausgehen und Personalvorgaben für alle Bereiche der Krankenhäuser machen. Die Ministerin bekräftigte ihr Vorhaben, entsprechende Regelungen im nächsten Landeskrankenhausplan zu verankern und das Krankenhausgesetzes des Landes zu ändern. »Die Pflege darf nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden«, sagte die CDU-Politikerin.
Manfred Klein, stellvertretender Vorsitzender der Saarländischen Krankenhausgesellschaft, attestierte der »im Wahlkampfmodus befindlichen Landesregierung«, eine »hervorragende Arbeit«. Unter anderem begrüßte er die Ankündigung, 1.000 zusätzliche Pflegestellen und 60 neue Stellen für die Praxisanleitung zu schaffen. Er sagte zu, jede Stelle, die refinanziert wird, auch einzurichten. »Die Politik hat geliefert, wir nehmen das ernst. Und wenn es finanziert ist, werden wir auch liefern.« Nun müssten allerdings auch die Kostenträger in die Pflicht genommen werden.
Zuvor hatte Sandra Kiefer-Schmidt, ver.di-Aktivistin und Krankenpflegerin im Klinikum Saarbrücken, die Erwartung ihrer Kolleginnen und Kollegen auf den Punkt gebracht: »Wir wollen Taten«. Unter den jetzigen Bedingungen könnten selbst grundlegende Hygieneregeln nicht mehr eingehalten werden. »So können und so wollen wir nicht mehr weiter arbeiten – das macht uns krank.«
»Auf unserer Station sind wir im Dauerstress. Wir haben einfach nicht genug Zeit, um die 38 Patienten so zu versorgen, wie es sein sollte. Darauf wollen wir die Öffentlichkeit aufmerksam machen. Ich habe Hoffnung, dass sich dadurch etwas ändert. Vielleicht nicht von jetzt auf gleich, aber in den nächsten Jahren. Es ist gut, dass die Politiker jetzt ankündigen, das Problem anzugehen. Klar, das hat was mit den Wahlen zu tun, aber auch mit unseren Aktionen. Ich verlasse mich nicht darauf. Wir machen weiter klar: Mehr von uns ist besser für alle!«
»Auch die kirchlichen Häuser sollten mit ver.di verhandeln. Schließlich ist es bei uns genauso schlimm wie anderswo. Nachts ist man zum Teil allein mit 30 Patienten. Das geht nicht. Ich meine: Mit der Gewerkschaft kann man einfach mehr bewegen als auf dem kircheneigenen Dritten Weg. Bei uns hat sich in den vergangenen Wochen viel getan. Viele haben sich ver.di angeschlossen – vom Unterkursschüler bis zur Kollegin, die kurz vor der Rente steht. Fast 80 Pflegekräfte sind in der von ver.di gestarteten Whatsapp-Gruppe. Zu unserem wöchentlichen Entlastungs-Stammtisch kommen regelmäßig 15 bis 20 Leute – in der Freizeit. Das zeigt, wie wichtig ihnen das Thema ist.«
»Wir sind um fünf Uhr früh losgefahren, um an der Demo teilzunehmen. Insgesamt sind 80 Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen nach Saarbrücken gekommen, um ihre Solidarität zu zeigen. Ich finde super, was hier im Saarland los ist. Das ist sehr motivierend. Wir wollen auch in NRW-Kliniken eine solche Bewegung auf die Beine stellen. Wir brauchen aber noch ein bisschen Anschub. Wir haben zwei Schwesterkliniken der Knappschaft hier im Saarland. Wenn sie einen guten Abschluss machen, hoffe ich, dass die Häuser in Dortmund, Recklinghausen, Bochum, Bottrop und Gelsenkirchen nachziehen.«
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