Tarifvertrag Entlastung

    Der Westen fordert Entlastung

    Starker Start der Tarifbewegung für mehr Personal und Entlastung an den sechs Unikliniken in NRW: Rund 700 Aktive beschließen Ultimatum an Landesregierung und Arbeitgeber.
    21.01.2022
    Viele kleine Fotos mit Beschäftigten, die Schilder hochhalten. "100 Tage - die Zeit läuft"
    © ver.di
    Beschäftigte der Unikliniken in NRW beschließen 100-Tage-Ultimatum

    Es war ein machtvoller Auftakt – wenn auch vor dem Bildschirm. Über 700 Beschäftigte der Universitätskliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster kamen am Mittwoch (19. Januar 2022) zu zwei Videokonferenzen zusammen, um den Start ihrer Tarifbewegung für mehr Personal und Entlastung zu beschließen. Mit einem 100-Tage-Ultimatum fordern sie die Klinikleitungen und politisch Verantwortlichen auf, noch vor der Landtagswahl am 15. Mai einen Tarifvertrag mit ver.di abzuschließen. Inhalt sollen verbindliche Regelungen zur Entlastung in allen Arbeitsbereichen und sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität sein – und wirksame Konsequenzen, wenn diese nicht eingehalten werden.

    Die Beschäftigten der Unikliniken im Westen folgen damit dem Vorbild ihrer Kolleg*innen von Charité und Vivantes in Berlin, die im vergangenen Jahr mit wochenlangen Streiks Tarifregelungen zur Entlastung und zur besseren Bezahlung in den Tochtergesellschaften durchsetzten. Insgesamt hat ver.di Entlastungsvereinbarungen bislang an 17 Großkrankenhäusern erreicht. Auch an den Unikliniken in Düsseldorf und Essen hatten die Beschäftigten bereits 2018 mehrere Wochen lang gestreikt und sich am Ende durchgesetzt. Doch die erzielte Vereinbarung erwies sich als nicht wirksam genug. Deshalb starten die ver.di-Aktiven nun einen neuen Anlauf – gemeinsam mit allen Unikliniken in dem größten deutschen Bundesland.

     
    Frau mit Schild "Station geschlossen"
    © Dave Kittel
    Sommer 2018: Streik an den Unikliniken Düsseldorf und Essen

    Sollbesetzungen und Belastungsausgleich

    »Wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt und das Instrument der Entlastungsverträge immer weiter verbessert«, erläuterte Katharina Wesenick, die bei ver.di in Nordrhein-Westfalen für das Gesundheitswesen zuständig ist. Nun sollen nicht nur konkrete Sollbesetzungen für alle Bereiche festgeschrieben werden, die dem Versorgungsbedarf entsprechen. Es soll auch einen automatisch wirksamen Belastungsausgleich in Form zusätzlicher freier Tage geben, wenn Beschäftigte dennoch in unterbesetzten Schichten arbeiten müssen. An der Berliner Charité ist nach fünf solcher Schichten ein zusätzlicher freier Tag fällig. Dieser Mechanismus entlaste die Betroffenen und erhöhe den Druck auf die Arbeitgeber, mehr Personal einzustellen, um immer neue Belastungsausgleiche zu vermeiden, erklärte Wesenick.

     
    Logo mit Aufschrift: Notruf NRW: Gemeinsam für Entlastung
    © ver.di
    Notruf NRW: Gemeinsam für Entlastung

    Wie dringend die Entlastung ist, machte Lisa Schlagheck deutlich, die in der Chirurgischen Notaufnahme der Uniklinik Münster arbeitet. Man müsse ständig nur »Feuer löschen«, Patient*innen müssten oft stundenlang warten, weil dringende Fälle priorisiert werden. »Das laugt einen aus und macht auf Dauer kaputt.« Doch die Erfolge der Berliner Krankenhausbewegung haben der Gesundheits- und Krankenpflegerin Hoffnung gemacht, dass sie und ihre Kolleg*innen selbst an dieser Situation etwas ändern können. Im vergangenen Jahr ist Schlagheck in ver.di eingetreten, jetzt präsentiert sie gemeinsam mit ihren Mitstreiter*innen bei einer Pressekonferenz den Plan für Entlastung, mit dem die Betroffenen die Verantwortlichen in Politik und Management in die Pflicht nehmen wollen.

     
    Text des Ultimatums
    © ver.di
    Ultimatum der Uniklinik-Beschäftigten in NRW

    Entlastung für alle Bereiche und Berufsgruppen

    »Die Landesregierung steht in der Verantwortung, eine gute Krankenversorgung in NRW zu sorgen«, betonte die ver.di-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt. Die Universitätskliniken seien das Rückgrat der Versorgung und könnten bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen Vorbild für andere Krankenhäuser werden. Dafür müsse das Land die Finanzierung sicherstellen und den Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen (AdL) zur Aufnahme von Tarifverhandlungen bewegen.

    Geschieht das nicht bis zum 1. Mai, »werden wir mit den Möglichkeiten, die Gewerkschaften haben, Druck für dieses Ziel machen«, kündigte die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Wesenick an. »Dabei haben wir nicht nur die Pflege im Blick, denn ein Krankenhaus funktioniert nur mit allen Berufsgruppen.« Überall müsse der tatsächliche Aufwand zum Maßstab des Personaleinsatzes gemacht werden. Für welche Bereiche ver.di konkrete Tarifforderungen aufstellt, hängt letztlich vom Engagement der Betroffenen ab. Die kommenden Wochen sollen intensiv genutzt werden, die Teams anzusprechen und mehrheitlich zu organisieren. »Unser Ziel ist es, alle mitzunehmen. Alle sind aufgefordert, selbst für ihre Interessen aktiv zu werden«, so Wesenick.

     

    Wie hoch die Bereitschaft dazu ist, hat sich bereits bei den Warnstreiks im Rahmen der letztjährigen Länder-Tarifrunde gezeigt. Im November legten an den sechs NRW-Unikliniken rund 4.000 Beschäftigte zum Teil mehrere Tage lang die Arbeit nieder, weit über 1.000 organisierten sich neu in der Gewerkschaft. Dabei ist das Thema Entlastung noch drängender, wie verschiedene Kolleg*innen deutlich machten. Sollten Arbeitgeber und Landesregierung hier kein Entgegenkommen zeigen, sind noch weitaus größere Aktionen zu erwarten.

     

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