Hallo Drei-Team, ihr habt mit „Ende vor dem Abschluss“ ein wichtiges Thema angeschnitten, viel zu wenig Pflegeazubis kommen bis zu Examen. Das liegt aber nicht nur an zu wenig Unterstützung in der Ausbildung! Viele von uns verlassen die Pflege, weil schnell klar wird, dass man unter den Arbeitsbedingungen die einen erwarten nicht alt werden will. Viele Schulen sieben oft unnötig hart in der 6 monatigen Probezeit. Warum eigentlich 6 Monate? Andere Azubis haben in der Regel nur drei! 30% von uns rasseln durch die Abschlussprüfung, nicht selten in der „Praktischen“. Ein Schlosserlehrling feilt unter Anleitung so lange bis er es kann. Die Privatwirtschaft hat erkannt dass sie später qualifizierte Beschäftigte braucht. Die Praktische Ausbildung in der Pflege findet auf Grund von Personalmangel oft kaum statt. Unsere Arbeitgeber wollen vor allen „Hände“. In den Pflegeberufen fehlen Lehrer, Praxisanleiter und den Arbeitgebern die Einsicht, und schlicht der Wille in den eigenen Nachwuchs zu investieren.
Tim Sienknecht, Gesundheits- und Krankenpflege Azubi
Tim hat Recht, Ausbildungsabbrüche liegen nicht allein an fehlender Förderung. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die dazu führen, dass hoffnungsfroh begonnene Ausbildungen vorzeitig enden. Probezeitkündigungen, die allein auf der Bewertung schulischer Leistungen basieren, Ausbildungsabbruch durch Auszubildende, weil die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen kaum zu ertragen sind oder weil plötzlich der erhoffte Studienplatz lockt, Fehlzeiten verschuldet oder nicht, deretwegen eine Prüfungszulassung verweigert wird. Und schließlich die Abschlussprüfung selbst, bei der häufig nochmal ordentlich gesiebt wird.
Mancher Ausbildungsabbruch kündigt sich schon bei der Bewerberauswahl an. Allzu gerne werden Bewerbungen bevorzugt, die sich hauptsächlich durch gute Schulnoten auszeichnen. Ein zehnjähriger Schulabschluss an der Hauptschule oder eine durchschnittlich abgeschlossene mittlere Reife oder ein schwaches Abitur in naturwissenschaftlichen Fächern genügen bereits um ungeachtet anderer Persönlichkeitsmerkmale oder Lebenserfahrungen, die für einen erfolgreichen Abschluss wichtig sein können, gar nicht mehr für die Ausbildung in Betracht gezogen zu werden.
Die Probezeit zu Beginn eines Ausbildungsverhältnisses soll den Auszubildenden dazu dienen herauszufinden, ob sie die richtige Berufswahl getroffen haben und ob es mit dem ausgewählten Ausbildungsbetrieb passt. Der Ausbildungsträger kann sich ein Bild von der Leistungsbereitschaft und der Persönlichkeit des oder der Auszubildenden machen und sehen wie er/sie mit den Anforderungen in Schule und Betrieb zurechtkommt. Der ansonsten im Berufsausbildungsverhältnis bestehende, weitgehende Kündigungsschutz ist in dieser Zeit aufgehoben. Die Kündigung ist an keine Bedingungen gebunden und Gründe müssen nicht genannt werden.
Probezeitkündigungen werden überwiegend vom Ausbildungsträger ausgesprochen. Auszubildende können auch später noch kündigen, wenn sie merken, dass sie für den Beruf nicht geeignet sind oder die in der Praxis erlebten Bedingungen nicht auf Dauer ertragen wollen. Leider haben wir über die Zahl der Probezeitkündigungen und die Kündigungsgründe keine bundesweit erhobenen Daten, um die Probleme besser zu verstehen und ggfs. gezielt nachsteuern zu können. Das Land Nordrhein-Westfalen weist als Bundesland mit den meisten Ausbildungsplätzen in seiner vorbildlichen Berichterstattung für die Jahre 2005 bis 2012 eine durchschnittliche Ausbildungserfolgsquote für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege von lediglich 70,2 %[1] aus. Das entspricht in etwa der Zahl, die auch bundesweit für den Ausbildungsgang von 2013 bis 2016 ermittelt werden konnte. Das heißt knapp 30 % der Auszubildenden bleiben auf der Strecke.
Im Jahr 2011 wurden in NRW von 1108 vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverhältnissen 836 im 1. Ausbildungsjahr (= 75,5 %) gelöst, 182 im zweiten und nur 90 im dritten Ausbildungsjahr[2]. Vieles spricht dafür, dass die Kündigungen größtenteils im Rahmen der Probezeit erfolgten. Im Unterschied zu den auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes ausgebildeten Berufen, das eine Probezeit zwischen einem und höchstens vier Monaten vorsieht, schreiben die Berufszulassungsgesetze der Gesundheitsfachberufe mit Ausnahme des Notfallsanitätergesetzes (4 Monate), eine sechsmonatige Probezeit vor. Begründet wurde dies seinerzeit mit den Besonderheiten der Ausbildungen, die gewöhnlich mit einem längeren Einführungsblock in der Schule beginnen und dann nur wenig Zeit bliebe, die Auszubildenden in der Praxis kennenzulernen. Obwohl Gesetz und Prüfungsverordnung keine Prüfungen zu dieser Zeit vorsehen, werden fast überall sogenannte Probezeitprüfungen in Theorie und Praxis durchgeführt, von deren Ergebnis dann die Chance zur weiteren Ausbildungsteilnahme abhängt. Dabei lassen sich gerade zu Beginn einer Ausbildung vor allem die mitgebrachten schulischen Voraussetzungen messen, während das Entwicklungspotential während der verbleibenden zweieinhalb Jahre Ausbildung kaum in Betracht gezogen werden kann. Zwischen 10 und 15 % eines Ausbildungsjahrgangs bleiben auf diese Weise schon zu Beginn der Ausbildung auf der Strecke.
Ist die Probezeit gut überstanden folgt schon alsbald im zweiten Ausbildungsjahr eine von den Schulen selbst gebastelte Zwischenprüfung. Obwohl sie keine rechtliche Auswirkung auf die Fortsetzung der Ausbildung haben kann, werden doch immer wieder Auszubildende zur Aufgabe bewogen. Kleinliche Auslegungen der Fehlzeitenregelung tun ein Übriges, um die Verluste bis zur Prüfungszulassung zu erhöhen. Hier gibt es eine höchst ungerechte und starre Fehlzeitenregelung, wonach krankheitsbedingte Fehlzeiten jeweils nur bis zu 10 % des theoretischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung auf die Ausbildung angerechnet werden können. Vergleichbares fehlt bei den BBiG-Berufen. Hier kann flexibel die Ausbildung im individuellen Fall verkürzt oder verlängert werden.
Schließlich wird auch bei der Abschlussprüfung noch mal ordentlich gesiebt, bei denen oft theoriegleitete Schulstandards auch in der praktischen Prüfung im Vordergrund stehen. Nur allzu oft wird die zwischen Theorie und geübter Praxis bestehende Kluft zu Lasten der Auszubildenden ausgelegt. Sie müssen das Kunststück fertig bringen, zwischen dem was in der Schule gelehrt wird und dem was an Pflegestandards in der Praxis üblich ist, zu unterscheiden und zumindest in der Prüfungssituation den Maßstäben der Schule entsprechen. NRW weist in seiner Statistik 13,3 % der Prüfungsteilnehmer/-innen mit nichtbestandener Abschlussprüfung[3] aus. Ein Durchschnittswert mit einer großen Streubreite in den einzelnen Krankenpflegeschulen. Bundesweite Daten hierzu fehlen. Wir wissen nur, dass zwischen Ausbildungsbeginn und erfolgreichem Abschluss knapp 30 % der Auszubildenden auf der Strecke bleiben. Das sind einfach zu Viele. Eine solche Auslese können und sollten wir uns nicht leisten.
Will man den drohenden Fachkräftemangel in der Pflege ernst nehmen, so muss man auch an der Ausbildung ansetzen. Ein Einstellungswechsel vor allem bei Ausbildungs- und Lehrpersonal ist von Nöten. Anstatt zu meinen, die Patientinnen und Patienten vor Pflegekräften, die man für nicht geeignet hält, schützen zu müssen, sollten nach Möglichkeit alle, die den Beruf lernen wollen und hierzu formal und persönlich auch geeignet sind, dabei unterstützt werden, sich die für die Berufsausübung notwendigen fachlichen und personalen Kompetenzen in der gesamten Ausbildungszeit auch anzueignen. Das meinen wir mit fördern statt auslesen.
[1] Hrsg. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen: Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2013, Düsseldorf 2014, S. 95
[2] ebenda, S. 232
[3] Ebenda, S. 235