Rettungsdienst

    Fachkräftemangel im Rettungsdienst?

    Unsere Antwort: Belastungen reduzieren, Beschäftigte qualifizieren, Arbeitszeit verkürzen
    16.05.2018
    Rettungsdienstwache

    Der Rettungsdienst gilt laut Bundesregierung als Engpassberuf. Das heißt: Es fehlen Fachkräfte. Doch das Problem ist hausgemacht. Hohe Belastungen und unzumutbare Bedingungen treiben Beschäftigte in Teilzeit oder ganz aus dem Beruf. Sollen in Zukunft genug Fachkräfte gewonnen und gehalten werden, müssen sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Dafür streitet ver.di.

    Die Ursachen des Fachkräftemangels liegen auf der Hand:

    • Die Einsatzzahlen steigen. Entsprechend nehmen körperliche und psychische Belastungen zu. Zugleich verlängerten sich die täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten – Stichwort Arbeitsbereitschaft. Die Folge: Beschäftigte wandern in verwandte Bereiche wie Notaufnahmen in Kliniken, Rettungsleitstellen und Feuerwehren ab oder orientieren sich beruflich komplett um.
    • Retten bis 67? Kann sich das jemand vorstellen? Schon jetzt scheiden viele krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus – oft mit drastischen Einbußen in der Rente.
    • Die Arbeitsbelastung führt dazu, dass krankheitsbedingte Ausfälle im Rettungsdienst deutlich häufiger sind als in anderen Berufen.
    • Nachtschicht, Wochenend- und Feiertagsarbeit sind schwer mit Familien- und Privatleben vereinbar – verlängerte Arbeitszeiten wegen Arbeitsbereitschaft schon gar nicht. Wer deshalb nicht abwandert, versucht häufig, das Problem durch Teilzeitarbeit abzumildern.
    • Die Vergütung ist – wie allgemein in Berufen des Gesundheits- und Sozialwesens – deutlich schlechter als beispielsweise in der Industrie. Trotz ähnlicher Qualifikation und obwohl dies eine gesellschaftlich so wichtige Arbeit ist.
    • Es gibt wenige Aufstiegsmöglichkeiten. Im Handwerk kann man vom Gesellen zum Meister werden – im Rettungsdienst gibt es das nicht.
    • Eigentlich ist klar geregelt: Ausbildungskosten sind Bestandteil der Leistung des Rettungsdienstes, die Refinanzierung der Weiterqualifizierung sollte daher kein Problem sein. Dennoch verweigern Krankenkassen diese zum Teil oder kürzen an anderer Stelle im Budget.
    • Gleiches gilt für die Ausbildung zum/zur Notfallsanitäter/in. Zur Zeit bewerben sich mehr junge Menschen als es Ausbildungsplätze gibt – aber mehr Ausbildungsstellen werden nicht refinanziert. Außerdem gibt es Engpässe bei den Schulen. So existiert in ganz Thüringen nur noch eine einzige Rettungsdienstschule, die anderen wurden geschlossen.

    All das führt zu Fachkräftemangel und damit zu noch mehr Belastung der vorhandenen Beschäftigten durch Zusatzschichten. Und gleichzeitig führen steigende Einsatzzahlen zu steigender Rettungsmittelvorhaltung und damit zu noch mehr Personalbedarf. Ein Teufelskreis.

    Für die Bevölkerung sind solche Zustände gefährlich. Immer öfter müssen sich Rettungsdienste bei den Rettungswachen abmelden. Die Folge: Weil Retter von weiter entfernten Standorten gerufen werden müssen, kommt der Rettungswagen später – in manchen Fällen zu spät.

     »ver.di will das ändern. Deshalb mache ich mit«

    Joel Klement (24) hat im vergangenen Jahr seine Ausbildung zum Notfallsanitäter beim DRK-Kreisverband Celle abgeschlossen und wurde übernommen. Er war in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) aktiv und ist jetzt Mitglied des Betriebsrats.

     
    Joel Clement

    »Der Beruf des Notfallsanitäters hat die Ausbildung im Rettungsdienst wesentlich attraktiver gemacht. Durch die Praktika in der stationären und ambulanten Pflege, in der Behindertenhilfe und im Kindergarten bekommt man in viele Bereiche einen Einblick. Das macht einen sicherer im Umgang mit den jeweiligen Patientengruppen. Zudem hat man mehr Zeit während der Ausbildung und wird nicht gleich als zweite Person auf dem Rettungswagen eingesetzt. Es hat sich also schon viel getan – auch, weil sich Kolleginnen und Kollegen in ver.di dafür eingesetzt haben. Aber gerade bei den Arbeitszeiten muss sich noch etwas ändern. Bei 48 Stunden in der Woche bleibt nicht viel Zeit für soziale Kontakte und Erholung. Wie soll man so bis zur Rente mit 67 durchhalten? ver.di will das ändern, deshalb mache ich mit. Denn je mehr sich organisieren, desto bessere Bedingungen können wir durchsetzen.«

    Gute Ausbildung – hohe Qualität

    Die Arbeit im Rettungsdienst ist anspruchsvoll. Es gilt, in kürzester Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen. Davon hängen Menschenleben ab. Hohe Qualität gibt es nur mit hoch qualifizierten Beschäftigten. Die Positionen der ver.di-Bundesfachkommission Rettungsdienst sind daher:

    • Es braucht Fachkräfte: In Übereinstimmung mit den Festlegungen des europäischen und des nationalen Qualifikationsrahmens sowie den Beschlüssen von DGB und ver.di zur beruflichen Qualifizierung ist die dreijährige Ausbildung unser erklärtes Ziel. Auf allen Notfallrettungsmitteln sollten ausschließlich Notfallsanitäter/innen oder Rettungsassistenten/innen eingesetzt werden. Der Einsatz von geringer qualifizierten Kräften ist angesichts der stetig steigenden Anforderungen an die präklinische medizinische Versorgung nicht sinnvoll.
    • Längere Ausbildung der Rettungssanitäter/innen: Der Plan einiger Bundesländer, die Rettungssanitäterausbildung auf ein Jahr zu verlängern, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dies darf aber nicht zur Verschlechterung des Qualifikationsmix´ führen. Derzeit sind die Anforderungsprofile an Fahrer/innen von Einsatzfahrzeugen sehr unterschiedlich: Sie reichen vom Besitz der notwendigen Fahrerlaubnis bis zur 520-Stunden-Ausbildung gemäß den Empfehlungen des Bund-Länder-Ausschusses Rettungsdienst. Die Folge ist, dass zur Zeit zahlreiche Beschäftigte mit geringerer Qualifikation als der dreijährigen Ausbildung hauptberuflich im Rettungsdienst arbeiten. Wir lassen diese Kolleginnen und Kollegen nicht im Regen stehen. Sie brauchen einen Bestandsschutz und müssen – sofern gewünscht – arbeitgeberfinanzierte Angebote zur Weiterqualifizierung erhalten.
    • Fahrsicherheit: Um eine sichere Beförderung der Einsatzteams sowie der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, müssen die notwendige Fahrerlaubnis für die Einsatzfahrzeuge sowie zusätzliches praktisches Fahrsicherheitstraining vorgeschrieben und vom Arbeitgeber finanziert werden.

    Betriebsräte nutzen Mitbestimmungsrechte

    Gute Arbeitsbedingungen sorgen für zufriedene Beschäftigte. Betriebsräte bestimmen mit beim Dienstplan, bei Fragen der Arbeitssicherheit und beim Gesundheitsschutz. ver.di unterstützt sie dabei mit Seminare zu allen wichtigen Themen.

    Betriebsräte bestimmen auch mit, welche Beschäftigte wann und wohin zu betrieblichen Bildungsmaßnahmen gehen. Wenn der Arbeitgeber beispielsweise bei der Weiterqualifizierung zum/zur Notfallsanitäter/in nicht in die Gänge kommt, kann und muss sich der Betriebsrat darum kümmern.

    Doch in Einrichtungen ohne Betriebsrat können diese Rechte nicht wahrgenommen werden. Die Beschäftigten haben keine Interessenvertretung, die sie schützt. Deshalb: Engagierte Betriebsräte wählen, wo es noch keine gibt!

    ver.di nimmt Einfluss

     
    Arbeit im Rettungsdienst

    Die dreijährige Ausbildung zum/zur Notfallsanitäter/in ist attraktiv. ver.di hat sich viele Jahre für diese Ausbildung eingesetzt. Dadurch hat die Gewerkschaft unter anderem eine angemessene Ausbildungsvergütung und den Anspruch auf Praxisanleitung gesichert. Jetzt muss es darum gehen, dass auch der Beruf attraktiv wird. Sonst wandern die gut ausgebildeten jungen Leute nach dem »Praxisschock« wieder ab.

    Dafür muss sich vor allem die wöchentliche Arbeitszeit verringern – Stichwort Arbeitsbereitschaft. Im DRK-Reformtarifvertrag hat ver.di 2016 den Einstieg dazu geschafft: Hier werden die Beschäftigten im Rettungsdienst bis 2019 schrittweise von der 48- zur 45-Stunden-Woche kommen. Jetzt müssen die anderen Anbieter nachziehen. Und natürlich muss die Arbeitszeit noch weiter runter.

    Immer mehr Beschäftigte scheiden vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus und bekommen die Rente gekürzt. Die ver.di-Landesfachkommission Rettungsdienst Rheinland-Pfalz-Saarland hat deshalb die Aktion »Schluss mit 60!« gestartet. Damit hat sie die Medien, die politisch Verantwortlichen und den DRK-Landesverband für das Thema sensibilisiert. ver.di hat den DRK-Landesverband jetzt zu Tarifverhandlungen über einen früheren Berufsausstieg aufgefordert.

    Tarifverträge wie beim Deutschen Roten Kreuz, Aktionen wie in Rheinland-Pfalz – das kann keiner stellvertretend erreichen. Dazu müssen die Beschäftigten im Rettungsdienst gemeinsam handeln. Mit ver.di – der Gewerkschaft für den Rettungsdienst.

    Mach die Beschäftigten im Rettungsdienst stärker. Mach dich selbst stärker. Werde Mitglied bei ver.di!

     

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