Die Gefährdungsanalyse ist Instrument, mit dem von der Rückengesundheit bis zu psychischen Belastungen Mängel im betrieblichen Ablauf aufgedeckt und verbessert werden können. Doch sie erfordert Engagement und Konsequenz. Was sagen Interessenvertreter/innen dazu? Ein Meinungsbeitrag von Edith Günter-Rumpel.
In der Würzburger Diakonie haben wir seit etwa 15 Jahren Erfahrung mit Gefährdungsanalysen. Angestoßen hat den Prozess damals die MAV, um das Arbeitsschutzgesetz endlich umzusetzen. Das Verfahren zur Erstellung der Gefährdungsanalysen war oft Thema und ist mehrfach optimiert worden. Gut an den Gefährdungsbeurteilungen ist aus meiner Sicht, dass es ein Instrument ist, mit dem mal genauer in alle Bereiche geschaut werden muss. Man ist gezwungen, sich intensiv mit den verschiedenen Einrichtungen und den verschiedenen Arten von Arbeitsplätzen zu beschäftigen.
Zu Beginn geht es um viel Organisationsarbeit. Bis der Ablauf und das entsprechende Handwerkszeug festgelegt sind, ist viel Vorarbeit zu leisten. Dazu gibt es – Gottseidank – Unterstützung von verschiedenen Stellen. Eine davon ist die BGW, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die BGW begleitet den Einstieg und unterstützt bei der Optimierung. Zusätzlich gibt es auch Begleitmaterial wie: Broschüren mit Vordrucken, Links im Internet, Beratung durch Mitarbeiter/innen der Berufsgenossenschaft, Fortbildungsangebote in der Nähe (meist kostenlos) oder Filmmaterial für Versammlungen und Konferenzen.
Am wichtigsten für die Arbeit mit den Gefährdungsbeurteilungen ist, dass die Mitglieder der Interessenvertretung das Instrument wirklich ernst nehmen und ihre Mitbestimmungsrechte wahrnehmen. Dazu braucht es ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit und Ausdauer. Wenn die MAV-Mitglieder ernsthaft mitreden bei der Erstellung der Gefährdungsanalysen, dann haben sie einige Möglichkeiten, für Gute Arbeit im Betrieb einzutreten. Begeisterung kann hier ansteckend wirken. Doch eine Gefahr besteht: Papier ist geduldig! Wenn die Gefährdungsanalyse zur Aktenleiche wird, dann war die Arbeit Zeitverschwendung. Denn:
Unsere Mitarbeitervertretung nutzt die Angebote der BGW rege und hat sich meist gut begleitet gefühlt. Aktuell unterstützt uns die BGW bei der Ergänzung der Gefährdungsbeurteilungen um eine Erhebung der psychischen Belastungen. Dies ist nach meiner Auffassung der Bereich mit dem größten Gefährdungspotential in der sozialen Arbeit. Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, Beschäftigte vor sich selbst zu schützen. Hier nehme ich Vorgesetzte nicht aus, die ebenso schnell zur Selbstausbeutung neigen.
Wenn es gut mit dem Instrument läuft, dann nehmen die Gefährdungen ab. Dies zeigt sich außerordentlich beim Thema Hautschutz. Man liest immer wieder, wie erfolgreich dies war. Wichtig sind auch Maßnahmen zum Thema Rücken. Rückensprechstunde und Rückenkolleg der BGW sind hier exzellente Präventionsmaßnahmen, die viel zu wenig bekannt sind. Hier sollte die BGW nicht nur Werbung mit Flyern machen, sondern aktiv auf besonders gefährdete Branchen zugehen. Der Präventionsbereich bei den Berufsgenossenschaften sollte noch weiter ausgebaut werden.
Gespannt bin ich auf die Ergebnisse der Erhebung zu den psychischen Belastungen. Arbeitgeber sollten zu diesem Thema umfassend informiert werden, über seine Bedeutung und welche Handlungsspielräume es gibt. Derzeit ist es so: Sobald das Wort „Psyche“ fällt, schrecken viele zurück, weil es hier viel Stigmatisierung und Unsicherheit gibt. Dies muss abgebaut werden. Am besten durch offenes Reden und viel Aufklärung. In Zeiten massiver Arbeitsverdichtung und des Fachkräftemangels ist darauf zu achten, dass dieses Thema nicht verdrängt wird und die Menschen sich nicht selbst ausbeuten. Denn auch viele Beschäftigte in der sozialen Arbeit neigen dazu, sich mit den Belastungen durch Arbeitsverdichtung und ständige Erreichbarkeit zu arrangieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Instrument Gefährdungsbeurteilung ist ein gutes Analyseinstrument, es muss aber noch weiterentwickelt werden, insbesondere in Richtung einfacher Handhabung.
Die Autorin ist stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (MAV) des Diakonischen Werkes Würzburg. Die MAV hat insgesamt elf Mitglieder. Die Diakonie erbringt vielfältige soziale Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Jugend- und der Altenhilfe. Zu ihren Schwerpunkten in der MAV-Arbeit gehören der Arbeits- und Gesundheitsschutz und das betriebliche Eingliederungsmanagement. Daher ist sie auch Mitglied im Arbeitsschutzausschuss und im sogenannten Integrationsteam.
Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Arbeits- und Gesundheitsschutz
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