»Gesundheitsrevolution – aber richtig. Wir sind dabei!« und »Gemeinwohl statt Profit!«, stand auf den Transparenten, die Teilnehmende der Konferenz des ver.di-Bundesfachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft am Montag (20. März 2023) in Berlin Karl Lauterbach entgegenhielten. Und genau diese Botschaften griff der Bundesgesundheitsminister in seiner Rede auf. Er bekräftigte seine zuvor geäußerte Kritik am System der Krankenhausfinanzierung über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG), an dessen Einführung er, wie er selbst betonte, einst mitgewirkt hatte. In allen Bereichen des Gesundheitswesens sei eine »Ent-Ökonomisierung« nötig, forderte er unter dem Applaus der rund 260 Delegierten und Gäste.
Das DRG-System habe in den Kliniken zu Einsparungen beim Personal bei gleichzeitiger Ausweitung der Fallzahlen und damit zu schlechteren Arbeitsbedingungen geführt, erklärte Lauterbach. Es könne nicht länger angehen, dass Krankenhausbehandlungen unabhängig von den tatsächlichen Kosten mit einheitlichen Preisen vergütet werden. »Dadurch machen die Falschen Gewinne und die Falschen machen Verluste. Und die Qualität wird in der Tendenz nach unten gedrückt«, so der Minister. »Es kann nicht sein, dass börsennotierte Unternehmen mit der dauerhaften Überlastung des Personals auch noch Gewinne machen.«
Diese Ökonomisierung zurückzudrängen, sei das Ziel der geplanten Krankenhausreform, die der SPD-Politiker erneut als »Revolution« bezeichnete. Mit den Plänen würden noch 40 Prozent der Klinikbudgets über Fallpauschalen verteilt, der Rest werde den DRGs entzogen. »Das ist keine kleine Reform, wir wollen den großen Schritt gehen.« Sollte das Gesetz nicht durchkommen, prophezeite Lauterbach »ein Kliniksterben, wie wir es noch nicht erlebt haben«. Denn die in der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen zur finanziellen Stützung der Krankenhäuser liefen nun aus.
Bereits beschlossen hat die Bundesregierung die Einführung der PPR 2.0. Für die von ver.di gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelte bedarfsgerechte Personalbemessung für die Krankenhauspflege habe sich die Gewerkschaft schon lange stark gemacht, bilanzierte Lauterbach. Nun stehe die Erprobung bevor. Er kündigte an, dass in diesem Rahmen auch »Fokusgruppen mit Beschäftigten« gebildet werden sollen, um die Wirkungen der PPR 2.0 in der Praxis zu untersuchen. Eingeführt werden soll die Personalbemessung zum 1. Januar 2024, nach einer Konvergenzphase sollen Verstöße sanktioniert werden. Wenn die Personalvorgaben auf einer Station nicht eingehalten werden, »dann kann diese Station nicht voll oder gar nicht belegt werden«, stellte Lauterbach klar. »Wir können nicht auf Dauer mehr Leistungen erbringen, als mit dem vorhandenen Personal machbar ist.«
In Bezug auf die Altenpflege bezeichnete der Gesundheitsminister die bislang ergriffenen Maßnahmen als unzureichend. Von den 13.000 zusätzlichen Fachkraftstellen, deren Finanzierung die Bundesregierung beschlossen hat, seien gerade mal 3.000 tatsächlich geschaffen worden. »Das heißt für jede fünfte Pflegeeinrichtung eine Vollzeitstelle – das reicht hinten und vorne nicht.« Neben bedarfsgerechten Personalvorgaben brauche es auch eine finanzielle Aufwertung der Berufe. Um die Grundlage dafür zu schaffen, müsse die Pflegeversicherung zu einer Vollkaskoversicherung weiterentwickelt werden, so der Minister.
ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler begrüßte die geplante Zurückdrängung der Ökonomisierung, die viel Schaden angerichtet habe. Zugleich stellte sie klar, dass die Fallpauschalen in den Krankenhäusern nicht nur beschnitten, sondern ganz abgeschafft gehören. Zur PPR 2.0 gab die Gewerkschafterin Lauterbach eine Warnung für seinen Kabinettskollegen mit auf den Weg: »Christian Lindner soll sich ja nicht trauen, sein Veto einzulegen, sonst demonstrieren wir vor dem Finanzministerium in Berlin.« Es brauche im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in der Bildung dringend mehr Geld. »Die Schuldenbremse verhindert nötige Investitionen – das ist der absolut falsche Weg!«
Daniel Behruzi
veröffentlicht am 21. März 2023
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