Steuerfreie Prämie: Klarstellungen nötig

18.02.2022

Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz)

 

Zu Artikel 1 – Änderung des Einkommenssteuergesetzes § 3 Nummer 11b –neu-

Der Gesetzgeber sieht vor, den in Krankenhäusern auf Intensivstationen tätigen Pflegekräften eine Prämie als finanzielle Anerkennung zu gewähren, um die besonderen  Arbeitsbelastungen im Zusammenhang mit der pflegerischen Versorgung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Personen in Krankenhäusern anzuerkennen. Dieser Pflegebonus soll durch die jeweiligen Arbeitgeber ausgezahlt werden, während die Kostenerstattung durch den Bund erfolgt. Unabhängig von dem Vorhandensein etwaiger bereits bestehender länderseitiger Sonderzahlungsmodelle soll die Gesamterstattungswirkung bis zu einer Höhe von 3 000 Euro steuerfrei gestellt sein. Nicht begünstigt sein sollen freiwillige Leistungen seitens der Arbeitgeber, die nicht aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährt werden. 

Der Kreis der Anspruchsberechtigten umfasst Pflegekräfte sowie weitere in Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten tätigen Arbeitnehmer sowie die dort tätigen Auszubildenden, Freiwilligen im Sinne des § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetz und Freiwillige im Sinne des § 2 Jugendfreiwilligendienstgesetz. Voraussetzung für die Steuerbefreiung gilt ferner ist ferner die Beschäftigung in einer der folgenden Einrichtungen oder in einem der folgenden Dienste:

  • Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste, ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen, sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen

  • nicht unter § 23 IfSG Abs. 5 S. 1 fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen

  • nicht unter § 23 IfSG Abs. 5 S. 1 fallende ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG vergleichbare Dienstleistungen anbieten, wobei Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne von § 45a Abs. 1 S. 2 SGB XI nicht zu den Dienstleistungen zählen, die mit Angeboten in Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG vergleichbar sind

Die Steuerbefreiung soll ebenfalls für Personen gelten, die in den genannten Einrichtungen im Rahmen eines Werk- oder Dienstleistungsvertrages eingesetzt werden. Als begünstigt anzusehen ist ein Auszahlungszeitraum zwischen dem 18. November 2021 als Stichtag für den seitens der Ministerpräsidentenkonferenz getroffenen Beschluss zur Gewährung von weiteren Prämien bis zum 31. Dezember 2022.

 

Einordnung

Definition der Anspruchsvoraussetzungen und des Empfängerkreises

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt im Grundsatz das Vorhaben, die massiven und andauernden Mehrbelastungen für die Beschäftigten in Gesundheit und Pflege im Kontext der Pandemiebekämpfung durch eine Sonderzahlung anerkennen zu wollen. Ver.di kritisiert jedoch die Definition des für die Zahlung einer entsprechenden Prämie anspruchsberechtigten Personenkreises als nicht sachgerecht und nicht ausreichend, um die im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung und der Versorgung erkrankter Patient*innen in verschiedenen Versorgungsebenen des Gesundheitswesens entstandenen Belastungen für die zahlreichen Beschäftigten der unterschiedlichen Gesundheits- und Pflegeberufe angemessen zu würdigen.

Durch die begriffliche Begrenzung der Voraussetzung einer Beschäftigung in Krankenhäusern werden all jene Tätigkeitsbilder außen vorgelassen, die für das regelhafte Funktionieren der stationären Gesundheitsversorgung und damit auch für die zeit- und pflegeintensive Versorgung von Patient*innen mit COVID-19 unerlässlich sind, die dabei aber entweder aufgrund spezifischer rechtlicher Rahmensetzungen oder einer vorhandenen wirtschaftlichen Eigenständigkeit des arbeitgebenden Unternehmens nicht zum eigentlichen Kreis des Krankenhausbetriebs gerechnet werden. Dies betrifft Beschäftigte von Rettungsdiensten, die im Zuge der Versorgung erkrankter Personen unverzichtbare Aufgaben der Erstversorgung und des Transports in Krankenhäusern mit Intensivversorgungskapazitäten regelhaft erbringen, aber auch das Berufsfeld der medizinischtechnische Assistent*innen, die etwa im Rahmen ihrer Tätigkeit in externen Laboren zur Analyse mit konstant hohen Arbeitsbelastungen aufgrund der Notwendigkeit schneller und regelmäßiger Auswertungen befasst sind. Ebenso sind auch Beschäftigte von Reinigungsdiensten für eine gesundheitlich sichere Erbringung von stationären Versorgungsmaßnahmen nicht vom Grundsatz
einer funktions- und leistungsfähigen stationären Versorgung zu trennen. Diese Berufsgruppen wären, sofern sie in eigenständigen wirtschaftlichen Einheiten tätig sind und nicht im Rahmen von Werk- oder Dienstleistungsverträgen zum Krankenhausbetrieb hinzugerechnet werden, nach dem gegenwärtigen Stand des Referentenentwurfs nicht von der Reichweite der Anspruchsberechtigung erfasst.

ver.di fordert dringend, diese Lücke zu schließen und die Anspruchsberechtigung für Prämienzahlungen nicht von der begrifflichen Definition des Krankenhauses als Beschäftigungsort und Arbeitgeberin abhängig zu machen. Die bisherige Bekämpfung der Pandemie und die Bewältigung der im Zuge der Versorgung von erkrankten Personen entstandenen dauerhaften Belastungen für Beschäftigte des Gesundheits- und Pflegewesens werden von der Gesamtheit der Gesundheits- und Pflegeberufe getragen. Eine künstliche Unterscheidung zwischen Anspruchsberechtigten und nicht in Krankenhäusern tätigen Personen zu ziehen, bedeutet, diese Leistungen und die mit ihnen verbundenen persönlichen Belastungen unterschiedlich zu gewichten und somit für einen bestimmten Beschäftigtenkreis zu entwerten. Eine Prämie, die nur die Leistung einzelner Beschäftigtengruppen anerkennt, wird der Gesamtbedeutung der Patient*innenversorgung und Gesundheitsversorgung im Kontext der Corona- Pandemie nicht gerechnet. Alle Gesundheits- und Pflegeberufe müssen und unabhängig von ihrem Status als Beschäftigte von Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten, ambulanten Intensivpflegediensten und den weiteren aufgeführten Berufsbildern in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen werden.

Der Gesetzesentwurf sieht in seiner Begründung vor, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten in Bezug auf die Steuerbefreiung nicht nur Pflegekräfte umfassen soll, sondern auch weitere in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen und –diensten tätige Arbeitnehmer. Dies ist grundsätzlich sinnvoll und zu begrüßen, was auch für die Miteinbeziehung von Beschäftigten mit Werk- und Dienstleistungsverträgen gilt. Aufgrund der oben genannten Problematik des Ausschlusses von Tätigkeitsgruppen und Berufsbildern erscheint es allerdings sinnvoll, eine konkrete Benennung dieser Erweiterung vorzunehmen, um somit für die Beschäftigten wie auch die betrieblichen Interessenvertretungen Gewissheit und eine belastbare rechtliche Grundlage für die Inanspruchnahme zu gewährleisten.

ver.di weist deutlich darauf hin, dass die Gewährung einer steuerfreien Prämie nicht mit der angekündigten Zahlung eines Bonus, wie sie auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, gleichzusetzen ist. Sollte mit dem hier vorliegende Entwurf einer Prämienregelung aus Sicht der Bundesregierung die Schuldigkeit zur Erfüllung dieses Vorhabens erfüllt sein, so ist dies aus Sicht von ver.di abzulehnen. Was es stattdessen braucht, ist eine gesetzliche klar definierte Ausgestaltung einer echten Bonuszahlung aus Bundesmitteln an alle Beschäftigten des Gesundheits- und Pflegewesens, die gestaffelt nach Berufsgruppen und Tätigkeitsbildern eine flächendeckende Gratifikation für die Gesamtheit der Beschäftigten abbildet. Dieses Ziel kann durch die Steuerfreiheitsregelung einer Prämienzahlung nicht erreicht werden, da hier der Arbeitgeber in der Letztverantwortung zur Auszahlung steht. ver.di fordert die Bundesregierung auf, dieser Verantwortung stattdessen selbst nachzukommen und eine solche Pflegebonuszahlung wie angekündigt gesetzlich umzusetzen und auszuzahlen.

 

Verrechnung der Sonderleistung mit bundes- oder landesrechtlichen Regelungen

In Artikel 1 des Referentenentwurfs begünstigt der Gesetzgeber Sonderleistungen bis zu einem Betrag von 3.000 Euro für Arbeitnehmer in bestimmten Einrichtungen, sofern sie aufgrund einer bundes- oder landesrechtlichen Regelung geleistet wird. Die Länder haben für Arbeitnehmer*innen, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder fallen, durch ihren Arbeitgeberverband „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ eine entsprechende Sonderleistung vereinbart. Darunter fallen auch Arbeitnehmer*innen aus den in Artikel 1 Nummer 1 definierten Bereichen. 

ver.di geht davon aus, dass die Formulierung “bundes- oder landesrechtliche Regelung“ auch die tarifrechtliche Regelung umfasst, die die Länder durch ihren Arbeitgeberverband getroffen haben. In der Begründung zu Artikel 1 Nummer 1 (Seite 15 des Referentenentwurfs) ist der letzte Satz des ersten Absatzes dazu missverständlich: „Nicht begünstigt sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die nicht aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährt werden.“ An dieser Stelle sollte klargestellt werden, dass auch tarifvertragliche Regelungen, die der Arbeitgeberverband der Länder vereinbart hat, unter die neue Nr. 11 b in § 3 des Einkommensteuergesetztes fallen.

 

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