Im Gespräch mit Dr. Margret Steffen aus dem Bereich Gesundheitspolitik, die sich für ver.di aktiv in die Arbeit der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit (DPGG) einbringt.
Was ist die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit?
Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit (DPGG) wurde im Jahr 2011 von zivilgesellschaftlichen Akteuren aus dem Gesundheitsbereich gegründet. Die DPGG will die sozialen Bedingungen für Gesundheit stärker in den Mittelpunkt der nationalen und internationalen Gesundheitsdebatte rücken. Dabei weist sie auch auf den engen Zusammenhang zwischen globalen und lokalen Einflussfaktoren auf Gesundheit hin, denn es gilt: »Globale Gesundheit fängt zu Hause an«. An der DPGG sind neben Gewerkschaften, Sozial- bzw. Wohlfahrtsverbänden, entwicklungs- und migrationspolitische Organisationen, sowie Wissenschafter/innen und soziale Projekte beteiligt.
Die DPGG veröffentlich regelmäßig Stellungnahmen zur Gesundheitspolitik, so auch zur globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung. Was sieht diese Strategie im Groben vor?
In ihrem Grundsatzpapier »Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen« von 2013 hat die Bundesregierung festgehalten, dass Gesundheit ein zentrales Menschenrecht ist und zugleich wesentliche Voraussetzung für soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung und Stabilität. Ausgangspunkt war dabei ein Gesundheitsverständnis, das zunächst »den Schutz der Bevölkerung in Deutschland« zum Ziel hat – und damit nicht gleichrangig den von allen Menschen an jedem Ort. Problematisch ist zudem der klinisch-medizinische Ansatz, mit dem sich die Bundesregierung globaler Gesundheit nähert. Dadurch geraten die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen aus dem Fokus, die gesundheitsfördernd bzw. -erhaltend oder eben auch -gefährdend sein können.
Und jetzt wird das Papier der Bundesregierung neu gefasst?
Genau. Unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit wird nun an einer neuen „Strategie der Bundesregierung zu Globaler Gesundheit“ gearbeitet. Sie soll in der ersten Jahreshälfte 2019 vorgestellt werden. Dazu hatte die Bundesregierung verschiedene Akteure aus der Entwicklungspolitik, aus Forschung und Wissenschaft und Nicht-Regierungsorganisationen eingeladen, um über die Herausforderungen globaler Gesundheit zu diskutieren. Und diese Chance hat sich die DPGG nicht nehmen lassen, um ihre Vorstellungen für eine neue Entwicklungsstrategie in Sachen „Globale Gesundheit“ einzubringen.
Was gehört aus Sicht der DPGG in die neue Strategie für globale Gesundheit?
Die Position der DPGG speist sich aus dem Gedanken, dass Gesundheit ein hohes Gut und zugleich ein Menschenrecht ist. Überall auf der Welt hängen die Gesundheitschancen weitaus stärker von gesellschaftlichen Bedingungen und vom sozialen Status als vom individuellen Gesundheitsverhalten ab. Diese in Deutschland wie weltweit bestehenden Ungleichheiten bei den Gesundheits- und damit den Lebenschancen der Menschen sind nicht naturgegeben, sondern gesellschaftlich verursacht und daher politisch veränderbar. Verantwortungsvolle globale Gesundheitspolitik muss die Verringerung dieser Ungleichheiten anstreben.
Was heißt das im Klartext?
Wer von globaler Gesundheitspolitik redet, darf über andere Politikfelder wie Handelspolitik und Wirtschaftspolitik nicht schweigen. In den meisten Ländern geht es in der gesundheitspolitischen Debatte fast ausschließlich um Fragen von Umfang und Organisation des Krankenversorgungssystems, um Finanzierungsbeiträge und die Bezahlung von Leistungserbringern. Die Bürger/innen werden zu Eigenverantwortung angehalten, während gleichzeitig z.B. die Auswirkungen von Rohstoffausbeutung oder Umweltverschmutzung auf die Gesundheit ausgeblendet werden. Das ist der falsche Weg, der zudem Ungleichheiten eher verstärkt, anstatt sie zu verringern.
Die DPGG fordert daher, dass die Schaffung und Förderung gesunder Lebens- und Umweltbedingungen im Mittelpunkt der Strategie der Bundesregierung stehen sollte, und zwar auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. In ihrer Positionsbestimmung hat die DPGG sich deshalb auf die Handlungsfelder ´Soziale Sicherheit für alle`, ´Arbeit gesund gestalten` und die ´Auswirkungen des Klimawandels` konzentriert. Ausserdem haben wir die überragende Bedeutung der öffentlichen Hand für die Daseinsfürsorge, Krankenversorgung und soziale Sicherung betont.
Wieso ist diese Betonung von Gesundheit als Menschenrecht in öffentlicher Verantwortung besonders wichtig?
Gesundheitspolitik hat sich an dem Ziel zu orientieren, den Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung zu sichern, ihre Gesundheit zu fördern und Krankheiten so weit wie möglich zu vermeiden. Das Gesundheitswesen selbst hat dafür zu sorgen, dass entstandene Krankheiten effektiv und effizient behandelt werden. Das Gesundheitswesen ist damit ein Kernelement der sozialen Sicherungssysteme.
Doch die Entwicklung vom „Kostenfaktor zur Wachstumsbranche“ findet international verbreitete Zustimmung. In zahlreichen Ländern Mittel- und Osteuropas und des globalen Südens ist für große Teile der Bevölkerung kein angemessener Zugang zur Krankenversorgung gewährleistet. In Deutschland äußert sich die beschriebene Entwicklung in der fortschreitenden Privatisierung von Krankenhäusern und im Eindringen privater Großkonzerne in die ambulante Versorgung, sowie in der fehlenden Kontrolle über die Verwendung öffentlicher Mittel und in der wachsenden sozialen und gesundheitlichen Ungleichheit.
Ohne die Erhaltung und Stärkung der öffentlichen sozialen Verantwortung, bleibt das Recht auf Gesundheit also unerreichbar. In der Pflicht sind zuallererst die Staaten, die für den sozialen und institutionellen Rahmen sorgen müssen. Sie müssen Verantwortung für den ungehinderten Zugang zur Versorgung für Alle tragen und gesundheitliche Ungleichheiten abbauen. Auch die globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung sollte daher die Bedeutung der öffentlichen Hand für die Daseinsfürsorge, Krankenversorgung und soziale Sicherung betonen.
Worauf legt ver.di beim Thema globale Gesundheit Wert?
Für ver.di ist ein zentraler Punkt, die Bedeutung von Arbeitsverhältnissen für die Gesundheit von Arbeitnehmer/innen zu betonen. Wichtig sind hier die Durchsetzung der ILO-Arbeitsschutznormen und die Bekämpfung krankmachender und ausbeuterischer Arbeitsbedingungen.
In Deutschland werden Menschen aus dem globalen Süden angeworben, um zur Lösung des Fachkräfteproblems in der Pflege beizutragen. Hierbei ist es wichtig nach Standards zu fragen, wie diese Fachkräfteanwerbung gelingen kann, ohne die Probleme in den Herkunftsländern der Migrant/innen durch den sogenannten Braindrain zu verschärfen. Gesundheit ist also angesichts der sich entwickelnden Gesundheitswirtschaft, zunehmend international agierenden Konzernen und einer weltweiten Migration von Pflegefachkräften kein nationales Politikfeld mehr. Deshalb braucht es globale Regelwerke und Regulierungen und hier können nationale Entwicklungsstrategien für eine globale Gesundheitspolitik unterstützen.
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