Stellungnahme

Deutliche Nachbesserungen nötig

Personalvorgaben in der Krankenpflege: ver.di fordert deutliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf
09.11.2022


ver.di begrüßt grundsätzlich, dass fast drei Jahre, nachdem ver.di zusammen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und Deutschem Pflegerat (DPR) nach einem Auftrag der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) die Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) vorgelegt haben, von der Bundesregierung das Instrument zur bedarfsgerechten Personalbemessung für die Pflege im Krankenhaus endlich in die Umsetzung gebracht wird. Das ist auch ein wichtiges Ergebnis der vielen Proteste und Kämpfe, die Beschäftigte mit ihrer Gewerkschaft geführt haben, um die Situation zu verbessern. Jetzt kommt es darauf an, dass an entscheidenden Stellen deutlich nachgebessert wird, damit Beschäftigten in der Krankenhauspflege eine verbindliche Perspektive auf verbesserte Rahmenbedingungen eröffnet wird.

Wesentlichen Nachbesserungs- und Ergänzungsbedarf sieht ver.di in folgenden Punkten:

  • Entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag ist gesetzlich zu verankern, dass zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus die PPR 2.0 als Übergangsinstrument kurzfristig eingeführt wird. Es genügt nicht, wenn in der Problem- und Zielbeschreibung sowie Begründung auf die Berücksichtigung der PPR 2.0 verwiesen wird und im Gesetz lediglich Maßgaben definiert werden, die erfüllt sein müssen.

  • Es muss darum gehen, eine gute Versorgung zu garantieren und gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Wie viel Personal für eine bedarfsgerechte Versorgung nötig ist, leitet sich aus der Anwendung der PPR 2.0 ab. Die Umsetzung der Personalvorgaben darf nicht von der Zustimmung des Bundesfinanzministers abhängig gemacht werden.

  • Der Bereich der Intensivpflege bleibt im Gesetzentwurf unbeachtet. Diese Leerstelle ist dringend zu schließen mit der Ergänzung des Personalbemessungsinstruments INPULS® für die Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs in der intensivmedizinischen Versorgung. Insbesondere nach den dramatischen Belastungen während der Corona-Pandemie ist den Beschäftigten eine verbindliche Perspektive auf Entlastung zu eröffnen.

  • Regelungen zur Personalausstattung in Tarifverträgen zur Entlastung der Beschäftigten oder entsprechenden Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien sind Mindestregelungen wie die Vorgaben aus der PPR 2.0. Da die Tarifverträge sich auf die Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen erstrecken, die Vorgaben zur Versorgungsqualität für Patient*innen in der Verantwortung des Gesetzgebers verbleiben, kann ein Tarifvertrag die Geltung der PPR 2.0 in einem Krankenhaus nicht ersetzen. Die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen gelten nebeneinander und es sind die für Beschäftigte entsprechend jeweils günstigeren Regelungen anzuwenden. Eine Abweichung nach unten muss ausgeschlossen sein.

  • Die Einführung der PPR 2.0 leitet den Paradigmenwechsel hin zu einer Personalausstattung im Krankenhaus ein, die eine bedarfsgerechte Pflege sicherstellen soll. Sie ist im Rahmen einer Konvergenzphase einzuführen, weiterzuentwickeln und an die jeweils aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Damit die Phasen gut aufeinander aufbauen, ist das weitergehende Personalbemessungsinstrument gem. § 137 k anschlussfähig an die Logik der PPR 2.0 und mit ihr assoziierten Instrumente auszugestalten.

  • Die an der Entwicklung der PPR 2.0 beteiligten Verbände sind während des gesamten Prozesses einzubeziehen. Dazu ist ein Begleitgremium zur Beauftragung und Durchführung der Erprobung sowie zur Einführung und Begleitung der Konvergenzphase einzurichten.

  • Ziel muss sein, dass eine patient*innenorientierte Pflege sichergestellt wird. Zugleich muss das Ziel sein, perspektivisch Personalvorgaben für eine bedarfsgerechte Versorgung in allen Krankenhausbereichen bundeseinheitlich zu regeln. Schließlich ist Arbeit im Krankenhaus Teamarbeit, alle Beschäftigtengruppen leisten ihren Anteil zur Versorgung der Patient*innen.

Der Teufelskreis aus schlechter Personalausstattung und fehlenden Fachkräften muss unverzüglich mit bedarfsgerechten Personalvorgaben und besseren Arbeitsbedingungen in der Pflege durchbrochen werden. Eine aktuell durch die Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ zeigt, dass die Kapazität von mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräften in Deutschland durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung stehen, sofern sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Entscheidende Voraussetzung ist, dass Beschäftigten mehr Zeit für die Versorgung der Patient*innen zur Verfügung steht. Verbindliche, bundeseinheitliche Vorgaben aus der bedarfsgerechten Personalbemessung mit dem Ziel der vollständigen Umsetzung der PPR 2.0 können ein starkes Signal setzen, um das Potenzial der Pflegekräfte für einen Wiedereinstieg oder Aufstockung der Arbeitszeit zu gewinnen. Dazu muss das Gesetz eine verlässliche Perspektive eröffnen.

 


veröffentlicht/aktualisiert am 9. November 2022

 

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