Mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz werden in kurzer Frist neue Regelungen zur Pandemiebekämpfung durch das parlamentarische Verfahren getrieben. Besonders kritisch sieht ver.di die Neuregelung im Infektionsschutzgesetz, an die weitreichende Grundrechtseingriffe geknüpft werden können.
Bisher haben die Pandemiebewältigungsstrategien in Deutschland weltweit Anerkennung erhalten. Gerade während der ersten Infektionswelle im Frühjahr zeigte sich, dass weniger die technische Infrastruktur, die Zahl der Intensivbetten und Beatmungsgeräte entscheidend ist, sondern die Verhinderung einer schnellen und exponentiellen Zunahme der Infektionen. Die nunmehr fortschreitende Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 belegt, dass es auf frühzeitige und wirksame regulierende Maßnahmen ankommt, damit eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert wird. Auf der anderen Seite dürfen die Bekämpfungsmaßnahmen nicht so weit gehen, dass einzelne Betriebe und ganze Branchen in wirtschaftliche Existenznot geraten. Die deutliche Zunahme von Kurzarbeit seit Beginn der Pandemie hat bereits zu empfindlichen Einkommenseinbußen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in mehreren Dienstleistungsbereichen geführt. Aufgrund der zeitlich befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung bis zum 31.12.2020 nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz konnte bisher eine ungebremste Insolvenzwelle in einzelnen Branchen verhindert werden. Gleichwohl nehmen unter den Beschäftigten wirtschaftliche Existenzängste, psychische Belastungen und soziale Konflikte als mittelbare Folge der Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens zu. Die Herausforderung besteht darin, einerseits schweren Krankheitsverläufen in der Bevölkerung entgegenzuwirken und andererseits zu verhindern, dass die Eindämmungsmaßnahmen zu gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden führen.
Mit dem im Gesetzentwurf neu vorgesehenen § 28 a Infektionsschutzgesetz soll die bisher maßgeblich auf Grundlage der §§ 28., 32 Infektionsschutzgesetz getroffenen notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, die teilweise zu erheblichen Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten führen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts entsprechend gesetzlich präzisieren in Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität möglicher Maßnahmen. ver.di sieht es als entscheidend an, dass insbesondere aufgrund der Kürze der Zeit bis zum Beschluss der vorgesehenen Maßnahmen und Regelungen ihr zeitlich begrenzter Charakter im Hinblick auf die epidemische Lage von nationaler Tragweite gewahrt bleibt.
Zwar hat Deutschland im europäischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Intensivbettenkapazität. Für die bedarfsgerechte Versorgung der intensivpflichtigen Covid-19-Patientinnen und –Patienten muss jedoch ausreichend Personal vorhanden sein. Während die Krankenhäuser in technischer Hinsicht gut auf die zweite Welle vorbereitet sind, drohen Engpässe vor allem beim Pflegepersonal. Auch im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) kommt es entscheidend auf eine personelle Verstärkung an, um die notwendigen Aufgaben im Rahmen der Pandemiebewältigung erfüllen zu können. ver.di setzt sich für die bedarfsgerechte Personalausstattung in den Einrichtungen des Gesundheitswesens ein, um eine sichere Versorgung während der Pandemie und darüber hinaus zu gewährleisten. Ebenso muss die Personalausstattung des ÖGD so verbessert werden, dass dieser die wichtigen Aufgaben der Pandemiebekämpfung und des Infektionsschutzes nachhaltig im erforderlichen Umfang erfüllen kann.
Das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz sieht – in Ergänzung der am 27. März und 22. Mai 2020 verabschiedeten Gesetze zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – weitere Maßnahmen vor, mit denen der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 entgegengetreten und die Pandemie wirksam bekämpft werden sollen. Mit dem Gesetzentwurf werden unter anderem folgende Maßnahmen vorgelegt:
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