Stellungnahme

Auf dem Rücken der Beitragszahler*innen

29.09.2022

Statt struktureller Reformen soll das Defizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu 70 Prozent den Beitragszahler*innen aufgebürdet werden. Das ist nicht tragbar. ver.di fordert nachhaltige Lösungen.

 

„Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) stehen vor immensen Herausforderungen. Insbesondere die Gesetze der vergangenen Regierung führten zu Steigerungen der Leistungsausgaben, ohne parallel die Einnahmebasis der GKV zu stabilisieren. Den Leistungsausgaben standen oft keine Verbesserungen bei der Versorgung für die Versicherten gegenüber.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung werden eine Reihe von Regelungen vorgelegt, um das lt. Entwurf für 2023 auf 17 Mrd. Euro bezifferte Defizit der GKV um rund 12 Mrd. Euro zu reduzieren. Dazu zählen u.a. ein einmalig erhöhter Steuerzuschuss von 2 Mrd. Euro, ein Bundesdarlehen in Höhe von 1 Mrd. Euro, das Abschmelzen der Rücklagen der einzelnen Kassen (4 Mrd. Euro) und Effizienzverbesserungen bei den Leistungserbringern. Es soll keine Leistungskürzungen in der Versorgung geben.

Das verbleibende Defizit schätzt das BMG auf rund 5 Mrd. Euro und sieht zu dessen Deckung das Anheben der Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte vor, was zwischen 4,8 und 5 Mrd. Euro einbringen soll. Der allgemeine Beitragssatz bleibt zwar bei 14,6 Prozent, doch der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt auf 1,6 Prozent.

ver.di kritisiert, dass im Gesetzentwurf die mit dem Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungen zur Dynamisierung des Bundeszuschusses sowie die verbesserte Finanzierung der Beiträge für ALG-II-Bezieher*innen ausbleiben. Statt Leistungserbringer in stärkerem Maße an den Einsparungen zu beteiligen, wird die größte Last zur Finanzierung des Kassendefizits den GKV-Versicherten auferlegt. Zwar heißt es im Gesetzentwurf, dass die Lasten des Defizits „auf verschiedene Schultern verteilt werden“, gemeint sind damit jedoch insbesondere die Schultern der Beitragszahlenden, die insgesamt ca. 70 Prozent des Defizits tragen sollen. Nur zu einem geringen Teil sollen die Leistungserbringer an Einsparungen beteiligt werden. Diese Schieflage kritisiert ver.di deutlich.

Die im vorliegenden Entwurf enthaltenen Maßnahmen sind nicht dazu geeignet, eine nachhaltige und solidarische Stärkung der GKV-Finanzen herbeizuführen. Kurzfristige Scheinlösungen für 2023 mit dem Rückgriff auf Rücklagen und Darlehen setzen die gesetzlichen Krankenkassen unter extremen Insolvenzdruck. Die strukturellen Defizite, die mit jährlich 4 Mrd. Euro angegeben werden, bleiben bestehen. Die Finanzierungslücke wird 2024 erneut massiven ansteigen. Daher mahnt ver.di dringend ein umfassendes Reformpaket an, um die nötigen strukturellen Reformen einzuleiten und die langfristige Stabilität der GKV und damit auch die bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung von 90 Prozent der Bevölkerung sicherzustellen.

Die durch die Bundesregierung beschlossenen Entlastungspakete sind für viele Bürger*innen hilfreich und dringend notwendig. Diese Entlastungen werden konterkariert, indem der Ausgleich des GKV-Defizits ganz überwiegend den Beitragszahlenden aufgebürdet wird. Der Bund bleibt mit dem im Entwurf vorgesehenen ergänzenden Bundeszuschuss von 2 Mrd. Euro für 2023 deutlich hinter seiner finanziellen Verantwortung gegenüber den Krankenkassen zurück. Gerade jetzt in der Krise muss der Staat seiner Verantwortung für die Stabilisierung der GKV-Finanzierung nachkommen. Es muss jetzt alles getan werden, damit Bürger*innen nicht zusätzlich belastet werden.“

 

veröffentlicht/aktualisiert am 29. September 2022

 

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