Die Pläne von Union und SPD für die Altenpflege bleiben hinter den Erwartungen zurück. Zwar greift der Koalitionsvertrag wichtige ver.di-Forderungen auf, doch vor allem bei der Personalausstattung braucht es mehr. Die Weichen für mehr Personal, für eine bessere Pflege, müssen jetzt gestellt werden – im Interesse der Beschäftigten und der pflegebedürftigen Menschen. Dafür machen wir weiter Druck.
Die angehenden Koalitionäre wollen in der stationären Altenpflege 8.000 neue Fachkräfte für die medizinische Behandlungspflege einstellen. Bei mehr als 13.000 stationären Einrichtungen sind das rechnerisch nur 0,6 Stellen. ver.di fordert zur Entlastung und für eine bessere Pflege 40.000 zusätzliche Stellen. Finanziert werden könnte dies durch die Umwidmung des Pflegevorsorgefonds in einen Pflegepersonalfonds. Unmittelbare Verbesserungen braucht es auch in der ambulanten Pflege, doch zusätzliche Stellen sind hier nicht beziffert.
Wie bisher ist geplant, bis 2020 ein Verfahren zur Personalbemessung in der Altenpflege zu entwickeln, die Umsetzung ist noch völlig offen. So lange können wir nicht warten. Die neue Regierung muss sofort dafür sorgen, dass in keiner Schicht mehr allein gearbeitet wird und eine Pflegekraft rechnerisch nicht mehr als zwei Bewohner/innen betreut.
Richtig gut: Union und SPD wollen die Bezahlung nach Tarif stärken – ein Erfolg von ver.di. »Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen«, heißt es im Koalitionsvertrag. Das ist sehr wichtig, denn das Lohnniveau ist vielerorts beschämend niedrig. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erhalten Fachkräfte in der Altenpflege durchschnittlich 600 Euro bzw. 20 Prozent weniger als in der Krankenpflege. Insbesondere private Unternehmen sind oft nicht bereit, mit ver.di Tarifverträge abzuschließen. Angesichts der Vielzahl kleiner Einrichtungen kann dieses Problem nicht allein im einzelnen Betrieb gelöst werden. Die Regierung muss dem Wettbewerb über die niedrigsten Löhne ein Ende setzen. Sie kann Mindestarbeitsbedingungen über das Arbeitnehmerentsendegesetz per Rechtsverordnung festlegen, so dass der entsprechende Tarifvertrag in allen Einrichtungen gilt – unabhängig von Trägerschaft oder Tarifbindung.
Gute Nachrichten für die Beschäftigten in der ambulanten Pflege: Wegezeiten sollen besser honoriert werden. Das ist wichtig, um die Versorgung insbesondere im ländlichen Raum sicherzustellen. Denn die Versorgungsqualität darf weder vom Wohnort noch vom Geldbeutel abhängig sein.
Im Rahmen einer »Konzertierten Aktion Pflege« sollen eine Ausbildungsoffensive gestartet, Anreize für eine bessere Rückkehr von Teil- in Vollzeitbeschäftigung gesetzt und Pflegehelfer/innen zu Fachkräften ausgebildet werden. All das ist zu begrüßen. Jetzt muss es mit Leben gefüllt werden. Nur mit guter Bezahlung, einer deutlich besseren Personalausstattung, attraktiven und gesunden Arbeitsbedingungen, hochwertiger Ausbildung und dem Eingehen auf individuelle Bedürfnisse von Beschäftigten können Fachkräfte gewonnen und gehalten werden. Die Arbeitgeber tragen hierfür die Verantwortung.
Bessere Ausbildungsbedingungen heißt auch: Strukturierte Anleitungen durch Praxisanleiter/innen, die für diese Tätigkeit freigestellt werden und genug Zeit dafür haben. Wichtig ist zudem, dass die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zum neuen Pflegeberufegesetz wie versprochen rasch vorgelegt wird und intensiv beraten werden kann. ver.di plädiert dafür, hinreichende Spezialisierungen in der Kinderkranken- und Altenpflege langfristig zu sichern.
Der Koalitionsvertrag enthält einige Verbesserungen. Beim Thema Entlastung und Personalausstattung reichen die Pläne nicht. Die Beschäftigten in der Altenpflege brauchen sofort Entlastung und mehr Personal. Dafür machen wir weiter Rabatz und zeigen den Abgeordneten, dass es mutige Schritte braucht.
Die Beschäftigten der Krankenhäuser haben die Überlastung und den Personalmangel auf die politische Agenda gesetzt – mit öffentlichen Protesten und betrieblichen Aktionen. Das schlägt sich auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD nieder. Dieser verspricht einige Weichenstellungen, die bei konsequenter Umsetzung zu Verbesserungen führen können. Das ist unser Erfolg. Doch ein Koalitionsvertrag ist noch kein Gesetz. Und in den Betrieben ist von Entlastung immer noch nichts zu spüren. Deshalb schauen wir den Parteien genau auf die Finger. Und wir machen weiter Druck.
Die Pflegepersonalkosten sollen »besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden«. Die Vergütung soll »die Aufwendungen für den krankenhausindividuellen Pflegebedarf« berücksichtigen. Damit würden die Ausgaben für das Pflegepersonal dem System der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) entzogen. Zu Recht. Denn die Einführung des DRG-Systems hatte eine enorme Arbeitsverdichtung zur Folge. Stellenabbau in der Pflege dient der Finanzierung von Bauvorhaben oder der Profitsteigerung privater Konzerne. Damit wäre Schluss, wenn Union und SPD ihre Pläne konsequent umsetzen. Dazu gehört: Geld fürs Personal muss zweckgebunden sein; die Länder müssen ihrer Verpflichtung zur Finanzierung nötiger Investitionen vollständig nachkommen; es braucht verbindliche gesetzliche Personalvorgaben in allen Bereichen des Krankenhauses. Die Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen kann nur ein erster, wenn auch mutiger und wichtiger Schritt sein – raus aus dem Wettbewerb auf Kosten der Gesundheit von Patient/innen und Beschäftigten.
Personaluntergrenzen soll es nicht nur für wenige »pflegesensitive« Bereiche geben, sondern für alle bettenführenden Abteilungen der Krankenhäuser. Der Auftrag an die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Entwicklung von Personaluntergrenzen soll entsprechend erweitert werden. Derzeit verhandeln DKG und GKV Untergrenzen für lediglich sechs Bereiche. Das könnte zu einem Verschiebebahnhof führen: Um die Untergrenzen erfüllen zu können, wäre Personal womöglich von anderen Stationen abgezogen worden – und hätte die Überlastung dort noch vergrößert. Laut SPD sollen die Untergrenzen zudem nicht mehr nur der »Vermeidung unerwünschter Ereignisse« dienen, sondern sich am Pflegebedarf orientieren und das Personal entlasten. Wir messen Union und SPD daran, ob sie diese qualitativen Verbesserungen ohne Abstriche und Schlupflöcher umsetzen. Der Gesetzgeber muss selbst aktiv werden, falls DKG und GKV versuchen, die Pläne zu verwässern.
Die Große Koalition will für die vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen im Krankenhaus sorgen. Die Kliniken sollen nachweisen müssen, dass sie das Geld tatsächlich an ihre Beschäftigten weitergeben. Das ist gut so. Wer sich nicht an Tarifverträge hält, darf nicht belohnt werden.
»Die Einigung in den Koalitionsverhandlungen in Bezug auf die Personalausstattung und die Finanzierung von Pflegepersonal im Krankenhaus macht Hoffnung, dass nun endlich gehandelt wird. Offenbar ist angekommen, dass die Not groß ist. Versprechen hören wir seit Jahren. Der Druck ist trotzdem immer größer geworden. Wir bleiben skeptisch, bis die konkreten Regelungen tatsächlich wirken. Für uns ist entscheidend, was bei uns Beschäftigten in den Krankenhäusern ankommt. Daran werden wir die Parteien messen. Wir werden keine Ruhe geben, bis genug Personal und Entlastung für eine gute Versorgung und gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in den Krankenhäusern da sind.«
Beschlossen von der Konferenz von ver.di-Aktiven in Krankenhäusern am 3. Februar 2018
Union und SPD wollen eine »Ausbildungsoffensive« in der Pflege starten und das Schulgeld in den Gesundheitsfachberufen abschaffen. Das ist lange überfällig. Doch klar ist: Genügend Fachkräfte gibt es nur, wenn sich die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern. Dazu gehört auch ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung, wie er zum Beispiel bei den Pflegeberufen gilt. Die angehenden Koalitionäre wollen in Sozial- und Pflegeberufen lediglich »Ausbildungsvergütungen anstreben«. Das muss konkretisiert werden.
Bessere Ausbildungsbedingungen heißt auch: Strukturierte Anleitungen durch Praxisanleiter/innen, die für diese Tätigkeit freigestellt werden und genug Zeit dafür haben. Wichtig ist zudem, dass die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zum neuen Pflegeberufegesetz wie versprochen rasch vorgelegt wird und intensiv beraten werden kann. ver.di plädiert dafür, hinreichende Spezialisierungen in der Kinderkranken- und Altenpflege langfristig zu sichern.
Der Koalitionsvertrag enthält für die Beschäftigten der Krankenhäuser positive Weichenstellungen. Entscheidend ist, dass diese rasch konkretisiert und konsequent umgesetzt werden. Die gesetzliche Personalbemessung für alle Bereiche des Krankenhauses steht noch aus. Wir bleiben dran und geben keine Ruhe – bis die Entlastung in den Betrieben tatsächlich angekommen ist.
Es ist gut, dass die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung wiederhergestellt werden soll. Arbeitgeber sollen wieder genauso viel zahlen wie Beschäftigte. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein von den Beschäftigten getragen werden sollen.
Bereichsleiterin Gesundheitswesen/Gesundheitspolitik
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