Diakonie

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Altenhilfe Sophienhaus setzt weiter auf Niedriglöhne und »Ersten Weg«. Erst mit »Gastmitgliedschaft« im Diakonischen Werk, jetzt durch Fusion mit Schwestergesellschaft.
17.08.2017

 

Auf der Internetseite der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gibt es eine eigene Rubrik zum sogenannten Dritten Weg kircheninterner Lohnfindung. »Zweiter oder Dritter Weg – welcher Weg führt zum Ziel?«, so der Titel einer der dort präsentierten Publikationen. Doch in Teilen des diakonischen Trägers müsste es heißen: weder noch. So werden die Arbeitsbedingungen der rund 600 Beschäftigten in der Altenhilfe Sophienhaus gGmbH überhaupt nicht kollektivrechtlich festgelegt, sondern auf dem »Ersten Weg« des Arbeitgeberdiktats.

Jahrelang war das Tochterunternehmen der Diakoniestiftung »Gastmitglied« im Diakonischen Werk. Die Folge: Es profitierte von allen Vorteilen der Mitgliedschaft, wie der Gemeinnützigkeit, musste seine Beschäftigten aber nicht nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie in Mitteldeutschland (AVR EKM) bezahlen. Stattdessen gilt eine selbst geschaffene »Arbeits- und Sozialordnung«, die etwa 20 Prozent unter der Vergütung im Rest der Diakonie liegt. Als der Kirchengerichtshof der EKD urteilte, die Sophienhaus GmbH könne auf dieser Grundlage nicht Mitglied im Diakonischen Werk der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands sein, besann man sich nicht etwa eines Besseren. Vielmehr erklärten die Diakonie-Manager die Mitarbeitervertretung (MAV) von einem Tag auf den nächsten für aufgelöst, beendeten die Freistellungen, schalteten Mailadressen und Telefone ab, schlossen das Büro. Angeblich weil es keine andere Stelle für sie gab, wurde die bisherige MAV-Vorsitzende von Weimar ins 30 Kilometer entfernte Erfurt versetzt.

Aus Sicht von Manfred Quentel, stellvertretender Vorsitzender des Gesamtausschusses der Mitarbeitervertretungen (GA MAV) in Mitteldeutschland, sind all das Versuche, die Beschäftigten von der Wahrnehmung ihrer Rechte abzuhalten. Dazu passt, dass das Management die Vorbereitung einer Betriebsratswahl in der nunmehr weltlichen Sophienhaus gGmbH dadurch sabotierte, dass es ankündigte, das Unternehmen Ende September mit der Schwestergesellschaft Saale-Neckar Diakonie GmbH zu fusionieren. Praktisch dabei: Die Geschäftsführer des Mutterkonzerns, Klaus Scholtissek und Rainer Neumer, finden sich in wechselnden Konstellationen und Funktionen auch in den Vorständen der Töchter. Ebenso praktisch: Die Saale-Neckar Diakonie GmbH hält sich ebenfalls weder an den Zweiten noch den Dritten Weg. Sie hat zwar eine Voll- und keine Gastmitgliedschaft im Diakonischen Werk, ignoriert deren Arbeitsvertragsrichtlinien aber dennoch. Auch hier gilt eine einseitig festgelegte »Arbeits- und Sozialordnung« zu weit schlechteren Konditionen.

ver.di und GA MAV wollen diese Zustände nicht einfach hinnehmen. Bei einer Aktion am 31. Juli 2017 kamen sie mit Beschäftigten der Sophienhaus gGmbH ins Gespräch. »Wir wollten zeigen, dass sie nicht allein sind und der Geschäftsführung wollten wir klarmachen, dass wir nicht tatenlos zusehen«, erklärt Manfred Quentel. Unter den Sophienhaus-Beschäftigten herrsche große Unsicherheit, über die Folgen der Fusion gebe es so gut wie keine Informationen. Um das zu ändern, hat die ver.di-Betriebsgruppe das Management in einem Brief aufgefordert, umgehend eine Betriebsversammlung einzuberufen. Auf dieser sollten die Kolleginnen und Kollegen über den Zusammenschluss mit dem Schwesterunternehmen, die weitere Entwicklung der Bezahlung, des Personals und der Arbeitsbedingungen sowie die Neuwahl einer Interessenvertretung informiert werden. Doch die Geschäftsleitung ignorierte die Aufforderung.

»Wir lassen nicht locker und werden die Öffentlichkeit weiter über die Zustände informieren«, betont Manfred Quentel. Die drängendsten Probleme bei der Altenhilfe Sophienhaus gGmbH seien wie überall die hohe Arbeitsbelastung und der Personalmangel. Hinzu kommt die weit untertarifliche Bezahlung und die Unsicherheit über die Fusion. »Es stellt sich die Frage, wie das mit den christlich-diakonischen Werten in Einklang zu bringen ist«, so der Gewerkschafter. Das Vorgehen stehe auch in krassem Widerspruch zur vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderung, das kirchliche Arbeitsrecht müsse überall verbindlich sein.

 

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